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Studentische Beurteilungskompetenz virtueller Larynxbefunde verschiedener Erkrankungsarten, Größenausprägungen und Projektionen
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Veröffentlicht: | 30. August 2017 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Hintergrund: In der phoniatrischen Sprechstunde werden lupenlaryngoskopische Verlaufsbefunde häufig von unterschiedlichen Untersuchern beurteilt und dokumentiert. Dabei ist es erforderlich, Größenbewertung von Ödemen, Polypen, Knötchen etc. so vorzunehmen, dass Projektionseinflüsse durch Variationen der Kopfstellung der Patienten und/oder der Endoskophaltung der Untersucher die korrekte Größenbeurteilung der Kehlkopfveränderungen nicht negativ beeinflussen. Dabei stellte sich uns die Frage, inwieweit bereits Medizinstudenten eine realistische Befundbewertung vornehmen können.
Material und Methoden: Im Rahmen virtuell erstellter Larynxbefunde fünf verschiedener Erkrankungen, drei verschiedener Größenkonstellationen und sieben verschiedener Projektionen sollte daher untersucht werden, in welchem Umfang Paarvergleiche dieser Befunde, hinsichtlich der Frage der Befundkonstanz, -regredienz oder -progredienz korrekt beurteilt werden würden. Hierzu wurden Stimmlippenknötchen, -polypen, -ödeme sowie Kontaktgranulome und Taschenfaltentumore mit der Freeware Blender, einem 3D-Grafik-Programm erstellt und Abbildungen der Befunde in den verschiedenen Projektionen realisiert. Die Bewertungsstudie wurde von jeweils 10 männlichen und weiblichen Medizinstudenten durchgeführt, die das 6. Semester und damit die Lerninhalte der Fächer HNO-Heilkunde und Phoniatrie absolviert hatten. Jeder der Teilnehmer/-innen hatte 83 Bilderpaare zu beurteilen.
Ergebnisse: Unabhängig vom Teilnehmergeschlecht entsprach die Größenvergleichsbeurteilung in 53,6% einem korrekten Ergebnis. Virtuelle Befundprogredienzen wurden mit 62,4% signifikant häufiger erkannt als Befundregredienzen mit 51,0%. Auch wirkten sich die verwendeten Laryngoskop-Positionen und -projektionen unterschiedlich aus.
Diskussion: Die vorliegenden Ergebnisse beziehen sich auf Rater, die kein spezifisches Bewertungstraining absolviert hatten. In einer vergleichenden Studie mit erfahrenen Untersuchern (Phoniatern) wäre zu postulieren, dass diese eine deutlich bessere Performance hinsichtlich ihrer Bewertungsqualität zeigen würden.
Fazit: Sollte sich dies bestätigen, so könnten diese und ähnliche virtuelle Bilder künftig genutzt werden, um ein spezifisches Befundbewertungstraining zu entwickeln.
Text
Hintergrund
Im Rahmen einer lupenlaryngoskopischen Befundbeurteilung werden unterschiedliche Einflussfaktoren wirksam, die für die Bestimmung der Lokalisation und für die Größenbeurteilung pathologischer Veränderungen relevant sind. Beispiele hierfür sind die Kopfneigung, -kippung und -drehung des/der Untersuchten und die Laryngoskopneigung und -rotation durch den/die UntersucherIn. Es wurde bisher wenig untersucht, mit welcher Konsistenz verschiedene UntersucherInnen laryngoskopische Befunde im Verlauf beurteilen. Vor dem Hintergrund, längerfristig hierzu ein Trainingsprogramm zu entwickeln wurden Medizinstudenten gebeten, Paare virtuell erzeugter Larynxbefunde hinsichtlich deren Befundkonstanz, regredienz und -progredienz zu bewerten.
Material und Methoden
Als Untersuchungsmaterial wurden für die vorliegende Pilotstudie mit dem 3D-Grafik-Programm Blender, farbige virtuelle Larynxabbildungen für Kontaktgranulome, Stimmlippenpolypen, ödeme, -knötchen und Taschenfaltentumore in jeweils 3 verschiedenen Größenkonstellationen und in 7 verschiedenen, Variationen der Kopfhaltung entsprechenden, Projektionen virtuell erstellt. Die Bewertungsstudie wurde von 10 Medizinstudenten und von 10 Medizinstudentinnen durchgeführt, die das 6. Semester und damit den Lehrstoff HNO/Phoniatrie absolviert hatten. Jeder der TeilnehmerInnen hatte 83 Bilderpaare zu beurteilen. Unter Verwendung einer gestaffelten 7er-Skala gemäß (---), (--), (-), (0), (+), (++), (+++) sollten Regredienz, Konstanz bzw. Progredienz der virtuell erzeugten Larynxveränderungen im Paarvergleich beurteilt werden. Die abgegebenen Bewertungen hinsichtlich der in 3 Größen und 7 modellierten Projektionen erzeugten Befunde wurden sowohl deskriptiv als auch mittels mittels Repeated Measurements ANOVA (SPSS Statistics) analysiert. Um der Problematik der multiplen Testung entgegenzuwirken wurden die Post Hoc Tests nach Bonferroni korrigiert. Abbbildung 1 [Abb. 1].
Ergebnisse
Hinsichtlich der Gesamturteile der insgesamt 1660 beurteilten Befund-Paare ergab sich, dass die Testpersonen im Mittel 53,6% (±10,9%) der Bilderpaare richtig beurteilt hatten. Bezogen auf die einzelnen BewerterInnen ergab sich ein Range von 38,6% bis 75,9% richtiger Bewertungen. Virtuell erzeugte Befundprogredienzen wurden mit 62,4% (±20,5%) signifikant häufiger erkannt als -regredienzen mit 51,0% (±20,7%). Auch wirkten sich sowohl die unterschiedlichen Erkrankungen als auch die modellierten Kopfpositionen und Bildprojektionen unterschiedlich aus. So wurden Stimmlippenpolypen mit 61,0% (±15,3%) am zutreffendsten und Kontaktgranulome mit 46,4% (±12,2%) am fehlerhaftesten bewertet. Befunde bei nach rechts gekipptem Kopf wurden mit 80 % am zutreffendsten bewertet.
Diskussion
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass virtuell erzeugte Larynxbefunde prinzipiell geeignet sind, typische Erkrankungen des Kehlkopfes ausreichend realistisch zu visualisieren, um Größen- und Projektionseinflüsse auf die Bewertung von Vorher-Nachher-Befunden verschiedener Beurteilergruppen analysieren zu können. Noch nicht klar ist es, ob die teilweise noch recht bescheidenen Befundungsqualitäten eher dadurch zu erklären sind, dass das vorgestellte, recht kleine Kollektiv aus 20 ungeübten BeurteilerInnen bestand, die vor der Studie kein spezifisches Befundtraining absolviert hatten oder ob die Modellierungsqualität der Bilder noch zu optimieren wäre. Die Untersuchung sollte daher an einem größeren Kollektiv erfahrener Untersucher (Phoniater) wiederholt werden. Zusätzlich wären weitere Studien interessant, in denen die Befundungsqualität von ungeübten vs. geübten Beurteilergruppen anhand von echten Laryngoskopbildern untersucht würde. Es bleibt aber der Vorteil virtueller Bilder gegenüber den endoskopischen Echtbildern, das erstere systematisch variiert werden können und sich daher für die Entwicklung spezifischer Trainingsmodule eignen. Die Tatsache, dass Befundprogredienzen besser erkannt wurden, als -regredienzen könnte durch einen Untersucher-Bias erklärt werden, der sich dadurch ergibt, dass Progredienz als potentiell gefährlicher für Patienten bewertet wird und daher besondere Aufmerksamkeit erfährt.