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34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

Intrakranielle Abszessbildung durch infizierten Nasenporus

Poster

  • author presenting/speaker Sabrina Regele - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
  • author Barbara Fiedler - Klinik für Kinder- und Jugendmedizin - Allgemeine Pädiatrie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
  • author Thomas Niederstadt - Institut für Klinische Radiologie. Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
  • corresponding author Antoinette am Zehnhoff-Dinnesen - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP8

doi: 10.3205/17dgpp21, urn:nbn:de:0183-17dgpp212

Veröffentlicht: 30. August 2017
Veröffentlicht mit Erratum: 11. September 2017

© 2017 Regele et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Mit einer Inzidenz von 1:20.000–1:40.000 sind Nasenfisteln sehr selten [2].Familiäre Häufungen sind beschrieben, in den meisten Fällen ist das Auftreten jedoch spontan [5]. Die extrakraniale Fortsetzung der Fistel variiert in der Literatur zwischen 5%–45% [4]. Intrakranielle Komplikationen können sich als Meningitis, Hirnabszess, Osteomyelitis, Krampfanfällen sowie Persönlichkeitsveränderung zeigen. In 50% zeigt sich ein Nasenporus auf der Mittellinie des Nasenrückens sowie ein verbreiteter Nasenrücken und ein Hypertelorismus. Eine subkutane Schwellung in Bereich des Nasenrückens findet sich in 30% [1].

Fallbeschreibung: Wir berichten über einen 2;1-jährigen Jungen mit kongenitaler Nasenfistel. Nach Geburt zeigte sich eine punktförmige Öffnung median im Bereich des proximalen Nasenrückens, Haare im Nasenporus waren erkennbar, zudem ein verbreiterter Nasenrücken. Mit anderthalb Jahren beobachtete die Mutter Nüchternerbrechen und zunehmende Schläfrigkeit, der Nasenrücken zeigte sich deutlich geschwollen und gerötet. Eine antibiotische Therapie mit Cefuroxim wurde eingeleitet. Bei Beschwerdepersistenz erfolgte eine MRT- Bildgebung. Hierbei zeigt sich ein ausgedehnter frontaler intrakranieller Abszess. Ursächlich stellte sich die Nasenfistel dar. Nach Abszessdrainage und antibiotischer Therapie zeigte sich der Abszess regredient. 5 Monate später erfolgte die Resektion der intra-und extraduralen sowie nasalen Anteile der Fistel. Postoperativ entwickelte sich der Junge gut, anamnestisch sei es jedoch mit Auftreten der infizierten Nasenfistel zu einem Stillstand der sprachlichen Entwicklung gekommen. Pädaudiologisch wurde der Junge vorgestellt zur Sprachdiagnostik und Hördiagnostik nach i.v. Antibiose mit Vancomycin. Der Fall wird dargestellt in Bezug auf die bisherige Studienlage.

Diskussion und Fazit: Bei einem Nasenporus ist immer auch an eine nasale Fistel mit intrakranieller Beteiligung zu denken. Im beschriebenen Fall reichte die Fistel bis in die Dura. Durch Superinfektion der Nasenfistel entstand ein intrakranieller Abszess. Eine frühe Diagnostik und Bildgebung ist bei kongenitalen Nasenfisteln wichtig [5]. Endet die Fistel intrakraniell, sollten die intrakraniellen und extrakraniellen Anteile der Fistel reseziert werden um Komplikationen durch Infektionen zu vermeiden. Präoperativ ist eine MRT-Untersuchung unerlässlich.


Text

Einleitung

Mit einer Inzidenz von 1:20.000–1:40.000 sind Nasenfisteln sehr selten [2]. Familiäre Häufungen sind beschrieben, meist ist das Auftreten jedoch spontan [5]. Eine intrakranielle Ausdehnung kommt in 5%–45% der Fälle vor [4]. Intrakranielle Komplikationen können sich als Meningitis, Hirnabszess, Osteomyelitis, Krampfanfällen sowie Persönlichkeitsveränderung zeigen. In 50% zeigen sich ein Nasenporus auf der Mittellinie des Nasenrückens sowie ein verbreiteter Nasenrücken und ein Hypertelorismus. Eine subkutane Schwellung im Bereich des Nasenrückens findet sich in 30% [1]. In 5 bis 41% der Fälle sind assoziierte Anomalien (u.a. Lippen-Kiefer- Gaumenspalten) beschrieben [5]. Sind Anhangsgebilde der Haut wie z.B. Haare an der Zystenwand zu erkennen, handelt es sich um ein Dermoid. Differenzialdiagnostisch ist an eine Enzephalozele oder an ein Gliom zu denken [4].

Fallbeschreibung

Wir berichten über einen 2;1-jährigen Jungen mit kongenitaler Nasenfistel. Postpartal fällt bei dem Jungen ein Nasenporus auf. Dieser imponiert als punktförmige Öffnung median im Bereich des proximalen Nasenrückens. Haare im Nasenporus sind erkennbar (Abbildung 1 [Abb. 1]). Bei der Nichte 2. Grades mütterlicherseits besteht eine präaurikuläre Fistel, ansonsten ist keine familiäre Häufung beschrieben. Mit anderthalb Jahren kommt es zur deutlichen Schwellung und Rötung des Nasenrückens sowie erhöhter Temperatur. Die Mutter beobachtet zudem Nüchternerbrechen und zunehmende Schläfrigkeit. Es erfolgt eine i.v. antibiotische Therapie mit Cefuroxim über sieben Tage. Darunter kommt es zum Rückgang der Entzündungsparameter und der erhöhten Temperatur. Wenige Tage später zeigt sich erneut Nüchternerbrechen. Zudem entleeren sich aus dem Nasenporus talgiges Sekret sowie intermittierend Haare, die auf eine Dermoidzyste hinweisen. Es erfolgt eine MRT-Bildgebung. Hierbei zeigt sich ein ausgedehnter frontaler intrakranieller Abszess. Ursächlich stellt sich die Nasenfistel dar. Notfallmäßig wird eine operative Abzessentlastung und Drainageanlage durchgeführt.

Die mikrobiologische Diagnostik ergibt einen positiven Nachweis von Streptococcus intermedius. Postoperativ wird eine antibiotische Therapie mit Vancomycin, Meropenem und Metronidazol begonnen. Aufgrund einer medikamenteninduzierten Leuko- und Neutropenie erfolgt die Umstellung auf eine Monotherapie mit Meropenem. 6 Wochen später Wechsel zur oralen Therapie mit Clindamycin. Diese wird bis zur Resektion der Fistel fortgeführt. 5 Monate nach operativen Abzessentlastung erfolgt die Resektion. Die intra-und extraduralen sowie nasalen Anteile der Fistel werden hierbei entfernt.

Anamnestisch sei es mit Auftreten der infizierten Nasenfistel zu einem Stillstand der sprachlichen Entwicklung gekommen. In der pädaudiologischen Vorstellung, 3 Monate nach der operativen Exstirpation der Nasenfistel, zeigt sich eine milde Sprachentwicklungsverzögerung mit Auffälligkeiten auf der syntaktisch- morphologischen Ebene. Der Hörbefund ist unauffällig. Im MFED (Münchener Funktionelle Entwicklungsdiagnostik) für das 2. und 3. Lebensjahr bewegen sich die Bereiche Handgeschicklichkeit, Grobmotorik, Sozialalter und Selbstständigkeit im unteren Altersdurchschnitt. Der Bereich Perzeptionsalter liegt im mittleren Altersdurchschnitt.

Diskussion und Fazit

Bei einem Nasenporus ist immer auch an eine nasale Fistel mit intrakranieller Beteiligung zu denken. Im beschriebenen Fall reichte die Fistel von der Nasenhöhle durch das Foramen caecum in die Dura. Durch Infektion der Nasenfistel entstand ein intrakranieller Abszess. Hirnabszesse können mit schweren neurologischen Defiziten einhergehen. Der Junge zeigte erfreulicherweise einen guten postoperativen Verlauf. Die leichte Sprachentwicklungsverzögerung ist nicht sicher auf den Abszess zurückzuführen. Mitverursachend könnte hierfür auch die bilinguale Erziehung (Tschechisch, Deutsch) sowie die familiäre Disposition einer Lese-Rechtschreibschwäche sein.

Im Abszess wurde Streptococcus intermedius nachgewiesen. Dies ist ein Vertreter der Streptococcus anginosus-Gruppe. Normalerweise ist er oropharyngeal und gastrointestinal nachweisbar. Bei prädispositionierenden Faktoren z.B. angeborenen Herzerkrankungen, Sinusitiden, Mittelohrentzündungen und Zahnkaries kann Streptococcus intermedius zum Hirnabszess führen [3]. Dies weist darauf hin, dass auch Nasenfisteln mit intrakranielle Beteiligung ein Risikofaktor für die Entstehung eines Hirnabszesses durch Streptococcus intermedius sind.

Eine frühe Diagnostik und Bildgebung ist bei kongenitalen Nasenfisteln wichtig [5]. Endet die Fistel intrakraniell, sollten die intrakraniellen und extrakraniellen Anteile der Fistel reseziert werden um Komplikationen durch Infektionen zu vermeiden.


Literatur

1.
Hedlund G. Congenital frontonasal masses: developmental anatomy, malformations, and MR imaging. Pediatr Radiol. 2006 Jul;36(7):647-62; quiz 726-7. DOI: 10.1007/s00247-005-0100-3 Externer Link
2.
Hughes GB, Sharpino G, Hunt W, Tucker HM. Management of the congenital midline nasal mass: a review. Head Neck Surg. 1980 Jan-Feb;2(3):222-33.
3.
Mishra AK, Fournier PE. The role of Streptococcus intermedius in brain abscess. Eur J Clin Microbiol Infect Dis. 2013 Apr;32(4):477-83. DOI: 10.1007/s10096-012-1782-8  Externer Link
4.
Pasquini E, Sollini G. Endoscopic Treatment for Nasal Dermoid Sinus Cyst: A Report of 6 Pediatric Cases. Ann Otolaryngol Rhinol. 2016;3(8):1124.
5.
Zerris VA, Annino D, Heilman CB. Nasofrontal dermoid sinus cyst: report of two cases. Neurosurgery. 2002 Sep;51(3):811-4; discussion 814.

Erratum

Bei der Veröffentlichung wurde zunächst Gerhard Kurlemann als Zweitautor angegeben.