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34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

Evidenzbasierte Hör-Frühförderung nach UNHS: Feedback zur Weiterbildung „Münsteraner Elternprogramm“

Poster

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP4

doi: 10.3205/17dgpp17, urn:nbn:de:0183-17dgpp170

Veröffentlicht: 30. August 2017

© 2017 Reichmuth et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Nationale und internationale Leitlinien empfehlen evidenz-basierte, familienzentrierte Frühförderung nach Früherkennung einer Hörschädigung durch Neugeborenen-Hörscreening (UNHS) [DGPP, 2013; Moeller, 2013]. Familienzentrierte Hör-Frühförderung gilt - neben der frühen Diagnose und pädaudiologischen Versorgung – als wesentlich für den erfolgreichen Lautspracherwerb [Moeller, 2000]. Da Fachkräfte in der Hörfrühförderung seit UNHS mit wesentlich jüngeren Kindern arbeiten, benötigen sie eine entsprechende Weiterbildung [Leonard, 2012].

Seit 2012 qualifizieren wir in einer 6-tägigen Weiterbildung Hör-Frühförderer zur Durchführung der nachweislich wirksamen Frühintervention „Münsteraner Elternprogramm zur Kommunikationsentwicklung von Säuglingen und Kleinkindern mit Hörschädigung (MEP)“ [Reichmuth et al., 2013; Glanemann et al., 2013; Glanemann et al., 2016]. Zentral ist dabei die Vermittlung förderlicher kommunikativer Verhaltensweisen (vor allem Responsivität) u.a. mithilfe von Videofeedback.

Material und Methoden: Das Feedback der Weiterbildungsteilnehmer wurde mit dem selbst entwickelten Fragebogen FB-MEP-WeiBi erhoben, der die Qualitätsmerkmale Inhalte, Didaktik, Organisation und beruflicher Nutzen abfragt. Er enthält 10 skalierte Fragen (0–4), 6 offene und 1 Entscheidungsfrage. Das bisherige Feedback stammt von 26 Teilnehmerinnen (TN) (Alter: 24–61), alle sind Fachkräfte in der Hör-Frühförderung oder Rehabilitation nach CI.

Ergebnisse: Die Rücklaufquote betrug 100%. Der Gesamtwert aller skalierten Fragen als Maß der Zufriedenheit mit der Weiterbildung liegt bei M=3,6 (SD 0,3). Ergebnisse ausgewählter skalierter Fragen: Neuheit erlernter Inhalte (M=3,4; SD 0,5); Ausgewogenheit von Theorie und Praxis (M=3,6; SD 0,5); Weiterbildung empfehlenswert für Kollegen (M=3,9; SD 0,3). Alle TN geben an, ihr Kommunikationsverhalten gegenüber präverbalen Kindern verändert zu haben. Inhaltlich besonders wertvoll bewerteten sie die Anleitung zur Responsivität, das Wissen zur frühen Kommunikations-, Hör-, Sprach- und Spielentwicklung und deren Anwendung, sowie den Einsatz von Video-Feedback.

Diskussion: Die Zufriedenheit der TN mit Inhalt, Didaktik und Nutzen für die eigene Hör-Frühförderarbeit ist insgesamt sehr hoch. Die Inhalte, besonders das responsive Verhalten und das Video-Feedback werden als bereichernd für die berufliche Tätigkeit bewertet.

Fazit: Die Weiterbildung ermöglicht den TN familienzentrierte, evidenzbasierte Frühintervention nach UNHS anzubieten. Das MEP wird mittlerweile in 5 Bundesländern (D) für betroffene Familien angeboten.


Text

Hintergrund

Die Anforderungen an Fachkräfte in der Hör-Frühförderung haben sich durch die Einführung des Universellen Neugeborenen-Hörscreenings (UNHS) verändert. Einerseits sind die Fachkräfte nun mit der Unterstützung von Familien mit wesentlichen jüngeren Kindern betraut. Andererseits fordern nationale und internationale Leitlinien evidenz-basierte, familienzentrierte Frühförderung nach Früherkennung einer Hörschädigung durch das UNHS [1], [2] als auch vor und nach früher Cochlea Implantation. Diese Maßnahme gilt – neben der frühen Diagnose und pädaudiologischen Versorgung – als wesentlich für den erfolgreichen Lautspracherwerb [3], [4]. Daher wird die Notwendigkeit von Weiterbildung für Fachkräfte in der Hör-Frühförderung und Rehabilitation nach früher CI-Versorgung betont [5], [2].

Das Münsteraner Elternprogramm zur Kommunikationsförderung von Säuglingen und Kleinkindern mit Hörschädigung (MEP) [6] ist eine evidenz-basierte [7], familienzentrierte Kurzintervention (Dauer: drei Monate) nach Früherkennung der Hörschädigung im universellen Neugeborenen-Hörscreening (UNHS). Es wurde für Eltern in dieser besonderen Lebenssituation entwickelt und kombiniert Termine in einer Elterngruppe mit individueller Einzelintervention [6]. Es stellt ein pädagogisch-therapeutisches Modul umfassender interdisziplinärer Frühintervention dar. Eltern, die am MEP teilgenommen haben bewerten es sehr positiv. 92% aller bisherigen Teilnehmer empfehlen es anderen Eltern in vergleichbarer Lebenssituation [8]. Näheres zum Konzept siehe Reichmuth et al. [6], [9] und zu den Wirksamkeitsstudien siehe Glanemann et al. [7], [8].

Seit 2012 qualifizieren wir in einer zertifizierten, postgraduierten Weiterbildungsmaßnahme Hör-Frühförderer zur Durchführung des Münsteraner Elternprogramms. Zentral ist dabei die Vermittlung förderlicher kommunikativer Verhaltensweisen (vor allem Responsivität) u.a. mithilfe von Videofeedback. Die zweimal 3-tägige Weiterbildung umfasst folgende Inhalte (Theorie & Praxis im Verhältnis 1:1) und folgende didaktische Mittel:

  • Theorievermittlung und Literaturstudium:
    • Prinzipien familienzentrierter Intervention
    • Responsivität
    • Meilensteinen der Kommunikationsentwicklung (0–2 Jahre)
    • psycholinguistisches Zusammenspiel der Kommunikations-, Spiel,- Hör- und Sprachentwicklung
    • pädaudiologisches Update
    • Inhalte und Ablauf des Münsteraner Elternprogramms
  • Praxis:
    • Videofeedback zur Steigerung elterlicher Responsivität
    • didaktische Mittel des Münsteraner Elternprogramms
    • entwicklungsbegleitendes Monitoring der Spiel-, Kommunikations- und Hör-Sprachentwicklung (0–2 Jahre)
  • Reflektion & Supervision der eigenen und elterlichen Interaktion mit einem präverbalen Kind (anhand von Videodokumentation)

Wie evaluieren Teilnehmer die MEP-Weiterbildung in Bezug auf Organisation, Didaktik und den Nutzen für ihre Arbeit als Fachkräfte der Hör-Frühförderung?

Material und Methoden

Das Feedback der Weiterbildungsteilnehmer wurde mit dem selbst entwickelten Fragebogen FB-MEP-WeiBi erhoben, der die Qualitätsmerkmale Inhalte, Didaktik, Organisation und beruflicher Nutzen abfragt. Er enthält 10 skalierte Fragen (= Q1–10 für Gesamtzufriedenheit; Likert Skala 0–4), 1 Entscheidungsfrage; 6 offene Fragen (für persönliche Kommentare, z.B. zu den wertvollsten Inhalten der Weiterbildung). Das bisherige Feedback stammt von 26 Teilnehmerinnen (TN) (Alter: 24–61), alle sind Fachkräfte in der Hör-Frühförderung oder Rehabilitation nach CI.

Ergebnisse

Die Rücklaufquote betrug 100%. Der Gesamtwert aller skalierten Fragen als Maß der Zufriedenheit mit der Weiterbildung liegt bei M=3,6 (SD 0,3). Ergebnisse ausgewählter skalierter Fragen: Neuheit erlernter Inhalte (M=3,4; SD 0,5); Ausgewogenheit von Theorie und Praxis (M=3,6; SD 0,5); Weiterbildung empfehlenswert für Kollegen (M=3,9; SD 0,3). Alle TN geben an, ihr Kommunikationsverhalten gegenüber präverbalen Kindern verändert zu haben. Inhaltlich besonders wertvoll bewerteten sie die Anleitung zur Responsivität, das Wissen zur frühen Kommunikations-, Hör-, Sprach- und Spielentwicklung und deren Anwendung, sowie den Einsatz von Video-Feedback.

Diskussion

Die Zufriedenheit der TN mit Inhalt, Didaktik und Nutzen für die eigene Hör-Frühförderarbeit ist insgesamt sehr hoch. Die Inhalte werden als bereichernd für die berufliche Tätigkeit bewertet.

Fazit

Die Weiterbildung ermöglicht den TN familienzentrierte, evidenzbasierte Frühintervention nach UNHS, auch vor und nach Cochlea Implantation, durchzuführen. Das MEP wird mittlerweile in fünf Bundesländern (Nordrhein-Westfalen; Niedersachsen; Thüringen, Schleswig-Holstein; Bayern) für betroffene Familien angeboten.


Literatur

1.
Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). AWMF 049/010 – S2k-Leitlinie: Periphere Hörstörungen im Kindesalter (aktueller Stand 9/2013). Verfügbar unter: http://www.dgpp.de/cms/media/download_gallery/Hoerstoerungen%20Kinder%20lang.pdf Externer Link
2.
Moeller MP, Carr G, Seaver L, Stredler-Brown A, Holzinger D. Best practices in family-centered early intervention for children who are deaf or hard of hearing: an international consensus statement. J Deaf Stud Deaf Educ. 2013 Oct;18(4):429-45. DOI: 10.1093/deafed/ent034 Externer Link
3.
Moeller MP. Early intervention and language development in children who are deaf and hard of hearing. Pediatrics. 2000 Sep;106(3):E43.
4.
Ambrose SE, Walker EA, Unflat-Berry LM, Oleson JJ, Moeller MP. Quantity and Quality of Caregivers' Linguistic Input to 18-Month and 3-Year-Old Children Who Are Hard of Hearing. Ear Hear. 2015 Nov-Dec;36 Suppl 1:48S-59S. DOI: 10.1097/AUD.0000000000000209 Externer Link
5.
Leonhardt A. Frühes Hören – Hörschädigungen ab dem ersten Lebenstag erkennen und therapieren. München: Ernst Reinhardt Verlag; 2012.
6.
Reichmuth K, Embacher AJ, Matulat P, Am Zehnhoff-Dinnesen A, Glanemann R. Responsive parenting intervention after identification of hearing loss by Universal Newborn Hearing Screening: the concept of the Muenster Parental Programme. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 2013 Dec;77(12):2030-9. DOI: 10.1016/j.ijporl.2013.10.002 Externer Link
7.
Glanemann R, Reichmuth K, Matulat P, Zehnhoff-Dinnesen AA. Muenster Parental Programme empowers parents in communicating with their infant with hearing loss. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 2013 Dec;77(12):2023-9. DOI: 10.1016/j.ijporl.2013.10.001 Externer Link
8.
Glanemann R, Reichmuth K, am Zehnhoff-Dinnesen A. Münsteraner Elternprogramm – Elternfeedback: Wie beurteilen Eltern die Frühintervention zur Kommunikationsförderung von Säuglingen und Kleinkindern mit Hörschädigung [Muenster Parental Programme – Feedback from Parents: How do parents evaluate an early intervention programme for improving the communication with their baby or toddler with hearing impairment?]. HNO. 2016 Feb;64(2):101-10. DOI: 10.1007/s00106-015-0096-4 Externer Link
9.
Reichmuth K, Glanemann R, Embacher AJ. Münsteraner Elternprogramm (MEP). Kap. 7.4.4. In: Wachtlin B, Bohnert A, Hrsg. Kindliche Hörstörungen in der Logopädie. Stuttgart: Thieme Verlag; 2017 ( in Druck).