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34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

Prädiktion von Aspiration anhand der Sekretbeurteilung bei Kopf-Hals-Tumor-Patienten

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV2

doi: 10.3205/17dgpp02, urn:nbn:de:0183-17dgpp022

Veröffentlicht: 30. August 2017

© 2017 Pluschinski et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Pharyngolaryngotracheale Sekretansammlungen gelten bei Kopf-Hals-Tumor-Patienten als möglicher Hinweis auf eine Schluckstörung. Ob solche Sekretansammlungen mit dem Aspirationsrisiko für Nahrung bzw. Flüssigkeiten assoziiert sind, ist ungeklärt. Auch inwieweit diese ein erhöhtes Aspirationsrisiko prädizieren können, ist bislang ungeklärt und Ziel dieser Studie.

Material und Methoden: Anhand standardisierter FEES®-Untersuchungen inkl. Sekretbeurteilungsskala nach Murray (SnM) und PA-Skala nach Rosenbek (PAS) bei 239 Kopf-Hals-Tumor-Patienten (Altersspanne 18–69 Jahre; 80% männlich; Tumorlokalisation: 25% Mundhöhle, 48% Oropharynx, 27% Larynx/Hypopharynx; Tumorstadium UICC: 6% I, 15% II, 9% III, 70% IV) wurden sowohl der PAS-Grad als auch das Vorhandensein von Sekretansammlungen gemäß SnM bestimmt.

PAS-Werte wurden kategorisiert in: 1) 1–2; 2) 3–5; 3) 6–8. Diese Kategorisierung wurde mit den SnM-Werten kreuztabelliert. Darüber hinaus wurde der Zusammenhang zwischen SnM-Werten und PAS überprüft sowie dem Alter, Tumorlokalisation und -stadium bzw. Art der onkologischen Therapie (Spearman-Korrelationen und Kruskal-Wallis H-Test).

Ergebnisse: Die Ergebnisse in den PAS-Kategorien 1–2 (80%) und 3-5 (53%) entsprachen im Wesentlichen dem SnM-Wert 0 (χ²(6)=64,20, p<0,001). Die PAS-Kategorien 6-8 waren gleichmäßig über die SnM-Werte 0–3 verteilt. SnM-Werte korrelierten mittelstark mit PAS-Werten (ρ=0,503; p<0,001). Es bestanden keine signifikanten Zusammenhänge zwischen SnM und Tumorstadium bzw. Patientenalter sowie der Therapieart. Patienten mit Mundhöhlenkarzinom lieferten bessere SnM-Werte als solche mit Larynx/Hypopharynx-Karzinom, und diese bessere Werte als Patienten mit Oropharynx-Karzinom (χ²(2)=9,54, p=0,008).

Diskussion: Es besteht ein mäßiger Zusammenhang zwischen SnM- und PAS-Graden. Die PAS-Grade 6-8 zeigen sich über die SnM-Skala nahezu gleichmäßig verteilt. Sekrete können daher als signifikanter Prädiktor von Aspirationen nur unter Berücksichtigung weiterer Faktoren gelten. Das Ausmaß der Sekretansammlungen zeigte keinen Zusammenhang mit dem Tumorstadium, Patientenalter und der Therapieart. Die niedrigsten SnM-Werte erwiesen sich bei Patienten mit einem Mundhöhlen-Karzinom, die höchsten bei solchen mit einem Oropharynx-Karzinom.

Fazit: Sekretansammlungen lassen für Patienten mit einem Kopf-Hals-Tumor keine zuverlässigen Schlussfolgerungen auf das Ausmaß der Aspiration von Nahrung oder Flüssigkeiten zu, auch wenn fehlende Sekretansammlungen tendenziell eher mit einer fehlenden Aspiration assoziiert sind.


Text

Einführung

Pharyngolaryngotracheale Sekretansammlungen gelten bei Kopf-Hals-Tumor-Patienten als möglicher Hinweis auf eine Schluckstörung. Daher werden Sekretansammlungen häufig zur Einschätzung der Gefährdung eines schluckgestörten Patienten herangezogen [1], [2]. Ob das Vorhandensein von Sekretansammlungen mit einem erhöhten Aspirationsrisiko für Nahrung bzw. Flüssigkeiten assoziiert ist, ist bislang nicht geklärt, auch nicht, ob das Vorhandensein von Sekretansammlungen ein erhöhtes Aspirationsrisiko prädizieren kann. Diese beiden Fragestellungen sind daher Ziel dieser Studie.

Methoden

In die vorliegende Studie wurden insgesamt 239 Kopf-Hals-Tumor-Patienten (Altersspanne 18–69 Jahre; 80% männlich, 20% weiblich; Tumorlokalisation: 25% Mundhöhle, 48% Oropharynx, 27% Larynx/Hypopharynx; Tumorstadium UICC: 6% I, 15% II, 9% III, 70% IV) inkludiert.

Anhand standardisierter FEES®-Untersuchungen wurden sowohl der Grad der Penetration bzw. Aspiration von Nahrung und Flüssigkeiten mit Hilfe der Penetrations-Aspirations-Skala nach Rosenbek (PAS [3]) als auch das Vorhandensein von Sekretansammlungen nach der Sekretbeurteilungsskala nach Murray (SnM [4]) bestimmt.

PAS-Werte wurden kategorisiert in: 1) PAS 1–2 (unauffällig); 2) PAS 3–5 (Penetration); 3) PAS 6–8 (Aspiration). Diese Kategorisierung wurde mit den SnM-Werten kreuztabelliert (Chi-Quadrat-Statistik), um zu überprüfen, ob SnM und PAS miteinander assoziiert sind. Darüber hinaus wurde mit Spearman-Korrelationen der Zusammenhang zwischen PAS-Werten und SnM sowie Alter der Patienten und Tumorstadium überprüft. Des Weiteren wurde mit dem Kruskal-Wallis H-Test untersucht, inwiefern die Verteilung der PAS-Werte mit der Tumorlokalisation und Art der onkologischen Therapie assoziiert ist. Um Einflüsse auf die PAS-Verteilung zu identifizieren bzw. um zu klären, ob das Vorhandensein von Sekretansammlungen ein erhöhtes Aspirationsrisiko prädizieren kann, wurde zuletzt eine ordinale Regression durchgeführt mit PAS als abhängige Variable sowie SnM, Tumorstadium bzw. -lokalisation, Patientenalter, Geschlecht und Therapieart als unabhängige Variablen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse in den PAS-Kategorien 1–2 und 3–5 entsprachen im Wesentlichen dem SnM-Wert 0 (χ2(6)=64,20, p<0,001). Die PAS-Kategorien 6–8 waren deutlich gleichmäßiger über die SnM-Werte 0–3 verteilt, s. Tabelle 1 [Tab. 1].

SnM-Werte korrelierten mittelstark und höchstsignifikant mit PAS-Werten (ρ=0,503; p<0,001). Es fanden sich signifikante Zusammenhänge zwischen PAS einerseits sowie Tumorstadium (ρ=220; p=0,001) und Patientenalter (ρ=217; p=0,001) andererseits. Dagegen zeigten sich die Zusammenhänge zwischen PAS und Geschlecht, Therapieart bzw. Tumorlokalisation nicht signifikant. Diese Ergebnisse wurden mit einer ordinalen Regression bestätigt (χ2(15)=78,4, p<0,001; Nagelkerkes Pseudo-R2=0,32). Auch in der Regression lieferten Patientenalter, Tumorstadium und SnM-Werte signifikante Ergebnisse; Patientengeschlecht, Therapieart und Tumorlokalisation dagegen nicht.

Diskussion

Bei den hier untersuchten Kopf-Hals-Tumor-Patienten konnte eine Assoziation zwischen SnM und PAS nachgewiesen werden. Insgesamt bestand allerdings nur ein mäßiger Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Sekreten und Penetrations- bzw. Aspirationsgraden.

Die PAS-Stufen 1–5 fanden sich vorwiegend bei SnM-Stufen 0–1. Dagegen waren die PAS-Grade 6–8 deutlich gleichmäßiger über die SnM-Werte 0–3 verteilt. Das bedeutet, dass Aspirationen auch bei Patienten ohne nennenswerte Sekretansammlungen zu finden waren. Die Verteilung von PAS wurde in unserer Studie durch Tumorstadium und Patientenalter beeinflusst, nicht hingegen von Tumorlokalisation, Geschlecht und Therapieart. SnM beeinflusste lediglich für die Werte 0 und 1 das PAS-Ergebnis, nicht aber für 2 bzw. 3.

Fazit

Auch wenn bei schluckgestörten Kopf-Hals-Tumorpatienten das Vorhandensein von Sekretansammlungen mit einer Penetration bzw. Aspiration assoziiert ist, ist es doch nicht in der Lage, zuverlässig ein erhöhtes Aspirationsrisiko zu prädizieren.


Literatur

1.
Ota K, Saitoh E, Baba M, Sonoda S. The secretion severity rating scale: a potentially useful tool for management of acute-phase fasting stroke patients. J Stroke Cerebrovasc Dis. 2011 May-Jun;20(3):183-7. DOI: 10.1016/j.jstrokecerebrovasdis.2009.11.015 Externer Link
2.
Rodrigues B, Nóbrega AC, Sampaio M, Argolo N, Melo A. Silent saliva aspiration in Parkinson's disease. Mov Disord. 2011 Jan;26(1):138-41. DOI: 10.1002/mds.23301 Externer Link
3.
Rosenbek JC, Robbins JA, Roecker EB, Coyle JL, Wood JL. A penetration-aspiration scale. Dysphagia. 1996;11(2):93-8. DOI: 10.1007/BF00417897 Externer Link
4.
Murray J, Langmore SE, Ginsberg S, Dostie A. The significance of accumulated oropharyngeal secretions and swallowing frequency in predicting aspiration. Dysphagia. 1996;11(2):99-103. DOI: 10.1007/BF00417898 Externer Link