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33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Regensburg, 22.09. - 25.09.2016

Hirnaktivitätsmessungen zur Sprach- und Musikwahrnehmung bei postlingual ertaubten CI-Trägern – eine fNIRS-Studie

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Regensburg, 22.-25.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV41

doi: 10.3205/16dgpp62, urn:nbn:de:0183-16dgpp620

Veröffentlicht: 8. September 2016

© 2016 Mattheus et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die Verarbeitung von Musik wird von Cochlea Implantat (CI) Trägern oft als schlecht differenzierbar und wenig genussvoll empfunden. Diese Studie untersucht die Aktivierung der entsprechenden kortikalen Areale mittels funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS). Diese Methode ist für Patienten mit Cochlea Implantat besonders geeignet, da die etablierte Methode der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) aufgrund des im Kopf des Patienten implantierten Magneten nicht möglich ist.

Material und Methoden: 15 postlingual ertaubten CI-Trägern sowie altersentsprechenden normalhörenden Kontrollprobanden wurden Sprach- und Musikstimuli über Induktion bzw. im Freifeld präsentiert. Mit dem System NIRScout der Fa. NIRX Medical, Berlin, wurden Konzentrationen für oxygeniertes und deoxygeniertes Blut auf jeweils 10 Positionen über der rechten und linken Hemisphäre des auditorischen Kortex gemessen. Die Konzentrationsverläufe wurden für jede Position getrennt ausgewertet.

Ergebnisse:

1.
Bei beiden Probandengruppen zeigten sich links- und rechts-hemisphärisch signifikante Aktivitäten über dem auditorischen Kortex, sowohl bei der Verarbeitung von Sprache als auch bei der Musikverarbeitung.
2.
Sprache zeigte vor allem bei CI-Trägern eine starke Aktivierung für das Broca-Areal. Die Kontrollprobanden hatten im Vergleich dazu einen schwächeren Effekt, vermutlich, weil die präsentierten simplen Aktivsätze für Normalhörende nur einen sehr geringen Verarbeitungsaufwand benötigen.
3.
Im umgekehrten Fall zeigte sich bei der Verarbeitung von Musik für die normalhörende Gruppe eine stärkere Aktivierung im Vergleich zur Sprache.
4.
Die CI-Träger wiesen für die Verarbeitung von Musik ein wesentlich indifferenteres Muster als bei der Sprachverarbeitung auf.

Diskussion: Bereits vorliegende Studien zu kompensatorischen Effekten zwischen auditorischem und visuellem Kortex bei CI-Trägern zeigen, dass sich die kortikale Verarbeitung komplexer akustischer Reize zwischen Normalhörenden und CI-Trägern unterscheidet. Diese Studie zeigt, dass sich die Sprach- und Musikverarbeitung bei CI-Trägern ebenfalls verändert darstellt.

Fazit: Die fNIRS-Methode ist geeignet, um bei CI-Trägern akustisch verarbeitende Kortexareale zu detektieren und so Aufschluss über eine veränderte/angepasste Verarbeitung akustischer Reize beim Hören mit Cochlea Implantat zu geben. Folgestudien werden klären, ob diese Befunde sich mit anderem, ähnlichem Stimulusmaterial bestätigen lassen.


Text

Hintergrund

Die Verarbeitung von Musik wird von Cochlea Implantat (CI) Trägern oft als schlecht differenzierbar und wenig genussvoll empfunden. Diese Studie untersucht die Aktivierung der entsprechender kortikaler Areale mittels funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS). Diese Methode ist für Patienten mit Cochlea Implantat besonders geeignet, weil die etablierte Methode der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) aufgrund des im Kopf des Patienten implantierten Magneten nicht möglich ist. Weiterhin hat sich NIRS während der letzten 20 Jahre als schnell einsetzbare, mobile und kostengünstige Option neurophysiologische Effekte zu untersuchen, etabliert [1]. Vor allem in der Entwicklung lokal hochauflösende NIRS-Methoden (HD-DOT) versprechen eine vergleichbare räumliche Auflösung und Aussagekraft wie fMRT-Methoden [2].

Material und Methoden

15 postlingual ertaubten CI-Trägern sowie altersentsprechenden normalhörenden Kontrollprobanden wurden Sprach- und Musikstimuli über Induktion bzw. im Freifeld präsentiert.

Mit dem System NIRScout der Fa. NIRX Medical, Berlin, wurden Konzentrationen für oxygeniertes und deoxygeniertes Blut auf jeweils 10 Positionen über der rechten und linken Hemisphäre des auditorischen Kortex gemessen. Anschließend wurden die Signale semiautomatisch und für jeden Messkanal getrennt ausgewertet. Nach manueller Artefaktkorrektur wurde mit der Matlab basierten Software „nilab2“ (NIRX Medical, Berlin) die Konzentrationen von oxygeniertem (HbO) und deoxygeniertem Blut (HbR) nach dem Beer-Lambert’schen Gesetz ermittelt. Auf Grundlage der hämodynamischen Antwortfunktion (BOLD-Funktion) werden anschließend die zeitlichen Signalverläufe durch ein General Linear Model (GLM) modelliert. In einer nachfolgenden Varianzanalyse (ANOVA), werden für jeden Kanal Effekte für Kondition, Gruppe, Lateralisation und deren Interaktion untersucht.

Ergebnisse

1.
Bei beiden Probandengruppen zeigten sich links- und rechts-hemisphärisch signifikante Aktivitäten über dem auditorischen Kortex, sowohl bei der Verarbeitung von Sprache als auch bei der Musikverarbeitung.
2.
Sprache zeigte vor allem bei CI-Trägern eine starke Aktivierung für das Broca-Areal. Die Kontrollprobanden hatten im Vergleich dazu einen schwächeren Effekt, vermutlich, weil die präsentierten simplen Aktivsätze für Normalhörende nur einen sehr geringen Verarbeitungsaufwand benötigen.
3.
Im umgekehrten Fall zeigte sich bei der Verarbeitung von Musik für die normalhörende Gruppe eine stärkere Aktivierung im Vergleich zur Sprache.
4.
Die CI-Träger wiesen für die Verarbeitung von Musik ein wesentlich indifferenteres Muster als bei der Sprachverarbeitung auf.

Diskussion

Bereits vorliegende Studien zu kompensatorischen Effekten zwischen auditorischem und visuellem Kortex bei CI-Trägern zeigen, dass sich die kortikale Verarbeitung komplexer akustischer Reize zwischen Normalhörenden und CI-Trägern unterscheidet. Diese Studie zeigt, dass sich die Sprach- und Musikverarbeitung bei CI-Trägern ebenfalls verändert darstellt.

Fazit

Die fNIRS Methode ist geeignet, um bei CI-Trägern akustisch verarbeitende Kortexareale zu detektieren und so Aufschluss über eine veränderte/angepasste Verarbeitung akustischer Reize beim Hören mit Cochlea Implantat zu geben. Folgestudien werden klären, ob diese Befunde sich mit anderem, ähnlichem Stimulusmaterial bestätigen lassen.


Literatur

1.
Boas DA, Elwell CE, Ferrari M, Taga G, editors. Celebrating 20 Years of Functional Near Infrared Spectroscopy (fNIRS). NeuroImage. 2014;85 Pt 1:1-636.
2.
Hassanpour MS, Eggebrecht AT, Culver JP, Peelle JE. Mapping cortical responses to speech using high-density diffuse optical tomography. Neuroimage. 2015 Aug 15;117:319-26. DOI: 10.1016/j.neuroimage.2015.05.058 Externer Link