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33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Regensburg, 22.09. - 25.09.2016

Normierung des Fragebogens zur Erfassung des Stimmlichen Selbstkonzepts (FESS) in einer HNO-Tumorsprechstunde

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Bernhard Lehnert - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsmedizin Greifswald, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • author Jasmin Oweinah - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsmedizin Greifswald, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland
  • author Daniel Grafmans - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsmedizin Greifswald, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Regensburg, 22.-25.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV20

doi: 10.3205/16dgpp40, urn:nbn:de:0183-16dgpp402

Veröffentlicht: 8. September 2016

© 2016 Lehnert et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Der Fragebogen zur Erfassung des Stimmlichen Selbstkonzepts von Nusseck et al. [1] erfasst mit 17 Items 3 Skalen zur individuellen Bedeutung der Stimme. Patienten mit oder nach Kopf-Hals-Tumoren stehen oft vor komplexen Therapieentscheidungen, wobei ihr Interesse an der Stimme stark variiert. Damit sollte auch der Anteil der Stimmbezüge in Beratung und Aufklärung individualisiert werden. Dabei könnte der Fragebogen hilfreich sein, weil er anzeigt, welchen Patienten die Stimme besonders wichtig oder besonders wenig wichtig ist. Vergleichswerte liegen bisher nur für Studierende vor. Da diese sich nicht auf das Kollektiv der Tumorpatienten übertragen lassen, fehlte bisher eine Normierungsgruppe.

Material und Methoden: In unserer Tumornachsorgesprechstunde wurde der Fragebogen so lange konsekutiven Patienten vorgelegt, bis für jede der drei Skalen mindestens 200 vollständige Skalen vorlagen. Die Erhebung erfolgte freiwillig und anonym. Erfasst wurden außerdem das Geschlecht, das Geburtsjahr und ob eine Laryngektomie erfolgt ist.

Ergebnisse: Von 231 ausgegebenen Bögen wurden 230 Bögen mindestens teilweise ausgefüllt, 42 von Frauen und 188 von Männern. Für Skala 1 liegen 216, für Skala 2 215 und für Skala 3 222 vollständig ausgewertete Bögen vor. Bezogen auf die 231 ausgegebenen Bögen entspricht dies 94%, 93% und 96% Rücklaufquote. In allen drei Skalen zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern (p1=0,74, p2=0,21 und p3=0,89). Die Korrelationen der drei Skalenwerte mit dem Geburtsjahr sind klein und nur in Skala 3 („Stimme und Emotion“) signifikant (r1=0,13, r2=0,05 und r3=0,18). Die Ergebnisse verteilen sich gut auf die Skalenwerte.

Diskussion: Die Patienten haben den Fragebogen gut angenommen. Übereinstimmend mit den bisher publizierten Arbeiten zu anderen Kollektiven zeigen sich auch hier keine signifikanten Abweichungen der Skalenmittelwerte zwischen Frauen und Männern. Die Veröffentlichung von Normwerten für diese wichtige Patientengruppe erfolgt in Kürze. Die unter Ärzten anscheinend weit verbreitete Annahme, dass den Patienten mit zunehmendem Alter die Stimme nicht mehr so wichtig sei, wird von unserer Studie widerlegt.

Fazit: Der Fragebogen zur Erfassung des Stimmlichen Selbstkonzepts scheint bei Menschen nach Kopf-Hals-Tumor gut verwendbar zu sein. Durch die vorliegende Arbeit stehen jetzt Vergleichswerte zur Verfügung, die aufgrund der Werteverteilung nicht nach Geschlecht und Alter gestaffelt werden müssen.


Text

Hintergrund

Der Fragebogen zur Erfassung des Stimmlichen Selbstkonzepts von Nusseck et al. [1] erfasst mit 17 Items 3 Skalen zur individuellen Bedeutung der Stimme: „Beziehung zur eigenen Stimme“, „Bewusstheit im Umgang mit der eigenen Stimme“ und „Stimme und Emotion“. Neben der Validierungsstudie von Nusseck et al. [1] liegt bereits eine kleine Normierungsstichprobe an Studierenden der Medizin aus unserer Arbeitsgruppe vor [2].

Die Gruppe der Patienten mit oder nach Kopf-Hals-Tumoren steht immer wieder vor komplexen Therapieentscheidungen, etwa ob bei der Resektion eines Larynxkarzinoms der Sicherheitsabstand oder der Erhalt der Stimmfunktion im Vordergrund stehen soll oder ob chirurgische Maßnahmen zur Stimmverbesserung angemessen sind oder nicht. Die Relevanz der je eigenen Stimme variiert von Patient zu Patient und diese Relevanz sollte Einfluss auf die jeweilige Therapieentscheidung haben. Oft stehen Informations- und Aufklärungsgespräche über eine Vielzahl von Therapievarianten an und es wäre denkbar, dass Kenntnisse über das Stimmkonzepts eines Patienten dem behandelnden Arzt die Entscheidung erleichtert, wie sehr bei diesen Gesprächen der Schwerpunkt auf den Funktionskreis Stimme und wie sehr auf anderen Funktionskreisen liegen solle.

Bevor der Fragebogen in diesem Sinne eingesetzt werden kann war eine Ausprobe des Bogens und die Erhebung von Normwerten für diese spezifische Patientengruppe erforderlich, die wir hier vorlegen.

Als Nebenfragestellung sollte untersucht werden, ob die subjektive Bedeutung der eigenen Stimme mit dem Alter abnimmt.

Material und Methoden

In unserer Tumornachsorgesprechstunde bieten wir Patienten nach Behandlung eines Kopf-Hals-Tumors regelmäßige Nachuntersuchungen und eine Anbindung an die Klinik an. Der Fragebogen wurde allen Patienten vorgelegt, wobei teils durch das Verhältnis aus Untersuchungszeitraum und Wiedervorstellungsintervall, teils durch Befragung der Patienten sichergestellt wurde, dass jeder Patient nur einmal in die Auswertung einging.

Die Befragung erfolgte über etwas mehr als ein Quartal an allen Tumorsprechstundetagen durchgeführt, bis für jede der drei Skalen mindestens 200 vollständige Datensätze vorlagen. Die Erhebung erfolgte freiwillig und anonym. Erfasst wurden außerdem das Geschlecht, das Geburtsjahr, ob eine Laryngektomie erfolgt ist und ein Zusatzitem dazu, wie schwer das Ausfüllen des Bogens fällt. Hier soll die Auswertung der Skalenwerte nach Geschlecht und Geburtsjahr vorgestellt werden.

Von allen 3 Skalen werden die Ergebnisse der Frauen und Männer mittels t-Test verglichen, der Zusammenhang zwischen Geburtsjahr und Ausprägung der 3 Skalen wird mittels Pearson-Korrelation untersucht. Alle Statistiken wurden mit R 3.2.4 errechnet.

Ergebnisse

Von 231 ausgegebenen Bögen wurden 230 Bögen mindestens teilweise ausgefüllt. Nur ein Patient lehnte die Teilnahme ab. Das Geschlechterverhältnis beträgt 42 Frauen zu 188 Männern. Für Skala 1 liegen 216, für Skala 2.215 und für Skala 3.222 vollständig auswertbare Datensätze vor. Bezogen auf die 231 ausgegebenen Bögen entspricht dies 94%, 93% und 96% Rücklaufquote. In allen drei Skalen zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern (p=0,74, p=0,21 und p=0,89). Die Korrelationen der drei Skalenwerte mit dem Geburtsjahr sind klein (r=0,13, r=0,05 und r=0,18). und nur in Skala 3 („Stimme und Emotion“) signifikant. Dieser Effekt verliert sich in einer multivariaten Analyse, wenn die anderen Parameter einbezogen werden. Die Ergebnisse verteilen sich gut auf die Skalenwerte (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Diskussion

Die Patienten haben den Fragebogen gut angenommen. Übereinstimmend mit den bisher publizierten Arbeiten zu anderen Kollektiven zeigen sich auch hier keine signifikanten Abweichungen der Skalenmittelwerte zwischen Frauen und Männern. Die unter Ärzten anscheinend weit verbreitete Annahme, dass den Patienten mit zunehmendem Alter die Stimme nicht mehr so wichtig sei, wird von unserer Studie widerlegt. Ein Zusammenhang von „Stimme und Emotion“ ist bei älteren Tumorpatienten nur scheinbar signifikant geringer als bei jungen.

Fazit

Der Fragebogen zur Erfassung des Stimmlichen Selbstkonzepts scheint bei Menschen nach Kopf-Hals-Tumor gut verwendbar zu sein. Durch die vorliegende Arbeit stehen jetzt Vergleichswerte in Form von Dezilen zur Verfügung, die aufgrund der Werteverteilung nicht nach Geschlecht und Alter gestaffelt werden müssen. Die Abbildung 1 [Abb. 1] demonstriert anhand der „Stimme und Emotion“, dass kein erkennbarer Trend zwischen dem Geburtsjahr einerseits und den FESS-Werten besteht, dass die Stimme also im Alter nicht unbedeutender wird.


Literatur

1.
Nusseck M, Richter B, Echternach M, Spahn C. Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung des stimmlichen Selbstkonzepts. HNO. 2015 Feb;63(2):125-31. DOI: 10.1007/s00106-014-2945-y Externer Link
2.
Lehnert B. Das stimmliche Selbstkonzept (FESS) bei Studierenden der Medizin. Laryngorhinootologie. 2016. DOI: 10.1055/s-0041-109406 Externer Link
3.
R Core Team. R: A language and environment for statistical computing. Vienna, Austria: R Foundation for Statistical Computing; 2016. Available from: https://www.R-project.org/ Externer Link