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33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Regensburg, 22.09. - 25.09.2016

CMV-induzierte Schwerhörigkeit im CI-Zentrum

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  • corresponding author presenting/speaker Carina Pick - HNO Uniklinik- Cochlear-Implant-Zentrum Köln, Köln, Deutschland
  • author Barbara Streicher - HNO Uniklinik- Cochlear-Implant-Zentrum Köln, Köln, Deutschland
  • author Ruth Lang-Roth - HNO Uniklinik- Cochlear-Implant-Zentrum Köln, Köln, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Regensburg, 22.-25.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP8

doi: 10.3205/16dgpp17, urn:nbn:de:0183-16dgpp176

Veröffentlicht: 8. September 2016

© 2016 Pick et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die CMV-Infektion ist die häufigste intrauterine Infektion des Kindes und stellt die häufigste nicht genetische Ursache einer Hörstörung mit 15–40% dar. Es ist zu erwarten, dass sich die Genese und der Verlauf einer Hörstörung aufgrund der unterschiedlichen Ausprägung der intrauterinen CMV Infektion unterscheiden und den Hörerfolg beeinflussen.

Material und Methoden: Aus dem pädiatrischen Kollektiv des CI-Zentrums wurden die Daten der Kinder mit einer nachgewiesenen konnatalen CMV (k-CMV) Infektion analysiert. Erfasst wurden der Diagnosezeitpunkt, Verlauf, erfasste Komorbiditäten (KM) und der postoperative Outcome.

Ergebnisse: Bei 11 (6 m, 5 w) von ca. 350 Kindern konnte klinisch eine k-CMV-Infektion gesichert werden. 7 Kinder wiesen eine kongenitale Taubheit bds. auf, 2 progredient beidseits bzw. einseitig und bei 2 Kindern war der Beginn unklar. Bei 6 der 7 kongenital ertaubten Kindern konnte die Diagnose direkt postpartal gestellt werden, eine antivirale Therapie erhielten 4 Kinder. Bei einem kleineren Teil wurde die Diagnose durch klinische Befunde wie MRT im Verlauf gestellt. Weitere KM waren eine Mutation im Connexin 26-Gen, Hyperbilirubinämie, Zerebralparese und eine familiäre Schwerhörigkeit. Alle Kinder profitierten von der Cochleaimplantation.

Diskussion: Die k-CMV-Infektion führt zu unterschiedlichen Verläufen des Hörverlusts und betrifft nicht zwangsläufig beide Ohren gleichermaßen. Aufgrund der in zwei Fällen gleichzeitig diagnostizierten Connexin 26 Mutation ist anzunehmen, dass die Taubheit zumindest auch auf die Mutation zurückzuführen ist. Unter Berücksichtigung des Wiederholungsrisikos einer genetischen Hörstörung und sowohl der hohen Inzidenz von Mutationsträgern und der CMV Infektionen in der Schwangerschaft sollte eine genetische Diagnostik und der Ausschluss einer CMV-Infektion Bestandteil der pädiatrischen Umfelddiagnostik sein. Bei bekannter CMV-Infektion sind regelmäßige pädaudiologische Kontrollen indiziert, um progrediente Verläufe zu diagnostizieren. Die Patienten profitieren unabhängig von den KM, wie auch in der Literatur beschrieben, langfristig von der CI-OP, wenn eine Hörgeräteversorgung nicht ausreichend ist.

Fazit: Bestandteil der Umfelddiagnostik einer Frühkindlichen Hörstörung sollte sowohl eine genetische Untersuchung wie eine CMV-PCR im Urin sein. Der Infektionsstatus des Kindes sollte in der therapeutischen Einrichtung bekannt sein um das Ansteckungsrisiko CMV-negativer Schwangeren und Schwerkranker zu verhindern.


Text

Hintergrund

Die konnatale CMV-Infektion (k-CMV) stellt mit 15–40% die häufigste nicht genetische Ursache einer Hörstörung dar und tritt bei circa 1% bei Lebendgeburten auf. Nach k-CMV sind bei Geburt circa 90% der Neugeborenen (NG) asymptomatisch, jedoch entwickeln 7% eine Hörstörung. Hingegen liegt das Risiko bei den erkrankten NG (10% der intrauterin infizierten Kinder) bei circa 40%. Studien zeigen, dass die unterschiedlichen Ausprägungen der k-CMV den Hörverlust und das postoperative Outcome beeinflussen. Die Hörstörungen können uni- oder bilateral, fluktuierend oder progredient und gering- bis hochgradig auftreten.

Aus dem pädiatrischen Kollektiv des CI-Zentrums wurden die Daten der Kinder mit einer nachgewiesenen k-CMV retrospektiv analysiert.

  • Zeigen sich Unterschiede in der Verteilung der Hörstörung und dem Diagosezeitpunkt?
  • Bestehen in unserem Kollektiv weitere Komorbiditäten (KM) und beeinflussen sie den postoperativen Outcome?

Material und Methoden

Im Zeitraum von 2004 bis 2016 wurden 262 pädiatrische Patienten (bis 18. Lebensjahr) implantiert und rehabilitiert. Aus diesem Kollektiv erfolgte eine retrospektive Datenanalyse der Kinder mit bekannter k-CMV.

Folgende Ergebnisse wurden untersucht: Neugeborenen-Hörscreening, Diagnosezeitpunkt, Beginn der Hörstörung, Implantationszeitpunkt, aufgetretene Komorbiditäten, Sprachverstehen sowie Sprachentwicklung zum letzten dokumentierten Vorstellungstermin.

Ergebnisse

Bei 11 Kindern (6 männlich (m), 5 weiblich (w)) war eine k-CMV bekannt. Die konnatale beidseitige Taubheit lag mit 7/11 am häufigsten vor. 2 Kinder wiesen eine progrediente Ertaubung auf, einmal einseitig und einmal beidohrig und bei weiteren 2 Kindern war der Beginn unklar. Die k-CMV konnte bei 6 von 7 Kindern direkt postpartal diagnostiziert werden und daraufhin erhielten 4 Kinder bei florider Infektion eine antivirale Therapie. Der Nachweis von CMV-DNA im Urin war bei 9 der 11 Kinder möglich. Bei einem kleineren Teil wurde die Diagnose durch klinische Befunde wie ein MRT im Verlauf gestellt (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Komorbiditäten, die im Rahmen der k-CMV auftreten können, lagen bei 5 Kindern vor. 2 Kinder hatten eine Mikrocephalie. Eine postpartale Hyperbilirubinämie wurde bei einem Kind beschrieben. Ebenfalls einmal lag eine spastische Zerebralparese vor. Des Weiteren wurde eine Mutationsanalyse hinsichtlich Connexin 26 bei 5/11 durchgeführt und bei 2 Kindern konnte eine homozygote Mutation nachgewiesen werden. Bei einem Kind gab es Hinweise auf eine familiäre Schwerhörigkeit, die Mutationsanalyse steht noch aus (Tabelle 2 [Tab. 2]).

Alle Kinder waren zunächst mit Hörgeräten versorgt und wurden aufgrund des unzureichenden Hörgewinns implantiert, 9 Kinder bilateral und 2 Kinder einseitig implantiert (bei einem Kind besteht eine unilaterale Hörstörung, beim anderen Kind ist die bilaterale Versorgung geplant). Das durchschnittliche Implantationsalter betrug 1,8 Jahre. Alle Kinder profitierten von der Cochleaimplantation und trugen ihre Sprachprozessoren täglich. Die Evaluation der Hör- und Sprachentwicklung erfolgte im durchschnittlichen Höralter von 5,6 Jahren (Spanne zwischen 10,6 und 0,4 Jahren) und durchschnittlichen Lebensalter von 7,4 Jahre (Spanne zwischen 1,4 Jahre und 13 Jahre).

Diskussion

Die k-CMV führt zu unterschiedlichen Verläufen des Hörverlusts und betrifft nicht zwangsläufig beide Ohren gleichermaßen. In unserem Kollektiv ist die konnatale beidseitige Taubheit am häufigsten. Studien zeigen, dass die Verläufe insgesamt unterschiedlich sein können und vor allem bei einer symptomatischen k-CMV die Hörstörung oft bilateral auftritt. Die Patienten profitieren unabhängig von den KM, wie auch in der Literatur beschrieben, langfristig von der CI-OP, wenn eine Hörgeräteversorgung nicht ausreichend ist. Insgesamt haben die Komorbiditäten Einfluss auf die allgemeine Entwicklung und Sprachentwicklung.

Aufgrund der in zwei Fällen gleichzeitig diagnostizierten Connexin 26 Mutation ist anzunehmen, dass die Taubheit zumindest auch auf die Mutation zurückzuführen ist.

Fazit

Unter Berücksichtigung des Wiederholungsrisikos einer autosomal-rezessiven Hörstörung und der hohen Inzidenz von Mutationsträgern (1/31–1/50) sowie der häufigen, überwiegend subklinisch verlaufenden CMV-Infektionen in der Schwangerschaft sollte nach Diagnosestellung – neben einer genetischen Diagnostik – der Ausschluss einer CMV-Infektion Bestandteil der pädiatrischen Umfelddiagnostik sein. Liegt eine asymptomatische k-CMV mit unauffälligem Hören vor, sind trotzdem regelmäßige pädaudiologische Kontrollen indiziert, um progrediente Verläufe frühzeitig zu erkennen.

Zum Schutz vor Ansteckung CMV-negativer Schwangeren (z.B. Therapeuten) und Schwerkranker sollte der Infektionsstatus des Kindes in der therapeutischen Einrichtung bekannt sein.


Literatur

1.
Dahle AJ, Fowler KB, Wright JD, Boppana SB, Britt WJ, Pass RF. Longitudinal investigation of hearing disorders in children with congenital cytomegalovirus. J Am Acad Audiol. 2000 May;11(5):283-90.
2.
Hart CK, Wiley S, Choo DI, Eby C, Tucker L, Schapiro M, Meinzen-Derr J. Developmental disabilities and intracranial abnormalities in children with symptomatic cytomegalovirus and cochlear implants. ISRN Otolaryngol. 2012;2012:502746. DOI: 10.5402/2012/502746 Externer Link
3.
Lee DJ, Lustig L, Sampson M, Chinnici J, Niparko JK. Effects of cytomegalovirus (CMV) related deafness on pediatric cochlear implant outcomes. Otolaryngol Head Neck Surg. 2005 Dec;133(6):900-5. DOI: 10.1016/j.otohns.2005.08.013 Externer Link