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32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

24.09. - 27.09.2015, Oldenburg

Endoskopisch cricopharyngeale Botulinumtoxin-Injektion zur Therapie der myogenen Aphonie bei Stimmprothesenträgern

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Julie Cläre Nienstedt - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde, Hamburg, Deutschland
  • author Thomas Rösch - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Interdisziplinäre Endoskopie, Hamburg, Deutschland
  • author Christina Pflug - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde, Hamburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Oldenburg, 24.-27.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc19

doi: 10.3205/15dgpp42, urn:nbn:de:0183-15dgpp424

Veröffentlicht: 7. September 2015

© 2015 Nienstedt et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Der Einsatz von Stimmprothesen ist seit den 90er Jahren ein etabliertes Verfahren zur Rehabilitation der Kommunikationsfähigkeit nach totaler Laryngektomie. Doch gelingt die Stimmanbahnung trotz korrekter Lage und Durchgängigkeit der Stimmprothese nicht bei jedem Patienten. Dies ist häufig durch einen Hypertonus des oberen Ösophagussphinkters und dadurch fehlende Schwingbarkeit des Pharyngo-Ösophagealsegments bedingt.

Material und Methoden: Diagnostisch wurden bei unseren Patienten technische (Prothesenlänge, Durchmesser, Durchgängigkeit etc.) wie auch funktionelle (Anblasdruck, digitaler Druck auf Tracheostoma und damit auch auf das Pharyngo-Ösophagealsegment) Ursachen für die ausbleibende oder stark beeinträchtigte Stimme ausgeschlossen. Zeigten sich endoskopisch keine anatomischen Hindernisse wie organische Stenosen oder eine Atonie des oberen Ösophagussphinkters, wurde die Indikation zur cricopharyngealen Botulinumtoxin-Injektion gestellt. Bis dato erfolgten 4 Injektionen (1x starr-, 3x flexibel-endoskopisch) bei 3 laryngektomierten, primär stimmprothetisch versorgten, männlichen Patienten (Altersdurchschnitt: 66 Jahre) mit Phonationsbehinderungen.

Ergebnisse: Im Vortrag werden die Ergebnisse und der klinische Verlauf der ersten eigenen Patienten demonstriert und anhand selektiver Literaturrecherche den aktuellen Empfehlungen und üblichen Vorgehensweisen gegenübergestellt.

Fazit: Neben einem Überblick über die Pathophysiologie und die Differentialdiagnosen der durch Relaxationsstörung des oberen Ösophagussphinkters bedingten Stimmprobleme werden die Indikation, die Methoden und der therapeutische Nutzen der endoskopisch cricopharyngealen Botulinumtoxin-Injektion aufgezeigt.


Text

Hintergrund

Der die Lebensqualität drastisch einschränkende Verlust der Stimme ist eine der meist gefürchteten Folgen nach totaler Laryngektomie. Der Einsatz von Stimmprothesen stellt seit den 90er Jahren ein etabliertes Verfahren zur Rehabilitation der Kommunikationsfähigkeit dar. Doch gelingt die Stimmanbahnung trotz korrekter Lage und Durchgängigkeit der Stimmprothese nicht immer. Zunehmend häufig werden uns Patienten vorgestellt, bei denen dies durch einen Hypertonus des oberen Ösophagussphinkters, dadurch verminderte Luftpassage und konsekutiv mangelnde Schwingbarkeit des Pharyngo-Ösophagealsegments bedingt ist.

Therapeutisch kamen in der Vergangenheit vor allem operative Interventionen wie die sekundäre Myotomie des M. constrictor pharyngis, Dilatationen oder die Neurektomie des Plexus pharyngealis zum Einsatz [1], [2]. Als deutlich weniger invasiv und dennoch sehr effektiv hat sich in neueren Studien die Anwendung von Botulinumtoxin (BT) erwiesen [3], [4], [5], [6], [7].

Material und Methoden

Diagnostisch wurden bei unseren Patienten technische (Prothesenlänge, Durchmesser, Durchgängigkeit etc.) wie auch funktionelle (Anblasdruck, digitaler Druck auf Tracheostoma und damit auch auf das Pharyngo-Ösophagealsegment) Ursachen für die ausbleibende oder stark beeinträchtigte Stimme ausgeschlossen. Zeigten sich endoskopisch keine anatomischen Hindernisse wie organische Stenosen oder eine Atonie des oberen Ösophagussphinkters, wurde die Indikation zur cricopharyngealen Botulinumtoxin-Injektion gestellt. Bis dato erfolgten 5 Injektionen (2x starr-, 3x flexibel-endoskopisch) bei 4 Patienten (1 weiblich, 3 männlich, Altersdurchschnitt: 68 Jahre), die aufgrund von Hypopharynx- oder Larynxkarzinomen laryngektomiert und primär stimmprothetisch versorgt worden waren (Tabelle 1 [Tab. 1]). Alle Patienten litten vor der Behandlung unter erheblichen Phonationsbehinderungen, drei zusätzlich unter Dysphagie.

Die Stimmqualität wurde in Analogie zu einem von Hamaker et al. [4] beschriebenen Symptomscore sowie subjektiv durch den Patienten mittels visueller Analogskala jeweils vor und nach BT-Injektion beurteilt.

Ergebnisse

Unabhängig vom Schweregrad der Beeinträchtigung und bestehenden Komorbiditäten zeigte sich bei allen Patienten beginnend ab 48 h nach Botulinumtoxin-Injektion sowohl eine subjektive als auch vom Untersucher erhobene Stimmverbesserung (Tabelle 2 [Tab. 2] und Tabelle 3 [Tab. 3]). Zusätzlich besserte sich bei den entsprechend Betroffenen die Dysphagie. Nebenwirkungen wurden nicht beschrieben. Drei der Patienten berichteten, dass die Wirkung nach 2–3 Wochen rückläufig war.

Diskussion

Die Ergebnisse unserer ersten eigenen Patienten untermauern die bereits in der Literatur beschriebenen Wirkungen von BT in der Therapie der durch Relaxationsstörung des oberen Ösophagussphinkters bedingten Stimmprobleme nach Laryngektomie. Der von uns gewählte, dem HNO-Chirurgen und Phoniater aus der täglichen Routine bekannte, endoskopische Zugang für diese Indikation ist bislang nur in wenigen Studien beschrieben worden [6], [7]. Auch hinsichtlich der genauen Injektionsmethode, der Injektionspunkte und der BT-Dosierung bestehen noch keine einheitlichen Empfehlungen. Die in der Literatur beschriebenen Vorgehensweisen und Ergebnisse werden im Vortrag unseren Erfahrungen gegenübergestellt und kontrovers diskutiert.

Fazit/Schlussfolgerung

Die Stimmlosigkeit nach Laryngektomie sollte stets an eine Relaxationsstörung des oberen Ösophagussphinkters denken lassen. Daher geben wir mit der Präsentation unserer Ergebnisse nicht nur einen Überblick über die Pathophysiologie und die Differentialdiagnosen der cricopharyngealen Dysfunktion, sondern stellen auch die einfach anwendbare, sichere und wenig invasive, jedoch sehr effektive Behandlung mit Botulinumtoxin vor und erörtern diese eingehend.


Literatur

1.
Singer MI, Blom ED. Selective myotomy for voice restoration after total laryngectomy. Arch Otolaryngol. 1981;107:670-3. DOI: 10.1001/archotol.1981.00790470018005 Externer Link
2.
Hamaker RC, Cheesman AD. Surgical management of pharyngeal constrictor muscle hypertonicity. In: Blom ED, Singer MI, Hamaker RC, editors. Tracheoesophageal Voice Restoration Following Total Laryngectomy. San Diego: Singular Publishing Group; 1998. p. 33-9.
3.
Zormeier MM, Meleca RJ, Simpson ML, Dworkin JP, Klein R, Gross M, Mathog RH. Botulinum toxin injection to improve tracheoesophageal speech failure. Otolaryngol Head Neck Surg. 1999;120:314-9. DOI: 10.1016/S0194-5998(99)70268-8 Externer Link
4.
Hamaker RC, Blom ED. Botulinum neurotoxin for pharyngeal constrictor muscle spasm in tracheoesophageal voice restoration. Laryngoscope. 2003 Sep;113(9):1479-82. DOI: 10.1097/00005537-200309000-00010 Externer Link
5.
Lewin JS, Bishop-Leone JK, Forman AD, Diaz EM Jr. Further experience with Botox injection for tracheoesophageal speech failure. Head Neck. 2001 Jun;23(6):456-60.
6.
Krause E, Hempel JM, Gürkov R. Botulinum toxin A prolongs functional durability of voice prostheses in laryngectomees with pharyngoesophageal spasm. Am J Otolaryngol. 2009 Nov-Dec;30(6):371-5. DOI: 10.1016/j.amjoto.2008.07.008 Externer Link
7.
Kim HN, Lewin JS, Knott JK, Hutcheson KA, Dekovich A. Novel therapeutic approach to relieve pharyngoesophageal spasm after total laryngectomy. Gastrointest Endosc. 2012 Jul;76(1):193-6. DOI: 10.1016/j.gie.2012.03.167 Externer Link