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32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

24.09. - 27.09.2015, Oldenburg

Auswirkungen der Körperposition auf das Zwerchfell und die Lunge – eine vergleichende Studie mittels schwenkbarem MRT bei professionellen Sängern

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Louisa Traser - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland; Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Michael Burdumy - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland; Klinik für Radiologie, Abteilung für medizinische Physik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Ali Özen - Klinik für Radiologie, Abteilung für medizinische Physik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Michael Bock - Klinik für Radiologie, Abteilung für medizinische Physik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • author Bernhard Richter - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland
  • author Matthias Echternach - Institut für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Oldenburg, 24.-27.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc04

doi: 10.3205/15dgpp36, urn:nbn:de:0183-15dgpp367

Veröffentlicht: 7. September 2015

© 2015 Traser et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Koordination von Atmung und Phonation ist ein zentraler Bestandteil der sängerischen Ausbildung und steht daher auch im Fokus stimmwissenschaftlicher Untersuchungen. Mittels verschiedener Techniken wurde versucht den Atemapparat während des Singens zu visualisieren, jedoch war dies aufgrund technischer oder ethischer Begrenzungen bisher nur eingeschränkt möglich. Mittels Magnetresonanztomographie konnte in den letzten Jahren der Vokaltrakt beim Singen zwei- und dreidimensional dargestellt werden. Diese Technik, hat den Vorteil, dass keine Röntgenstrahlung verwendet wird, jedoch ist eine Aufnahme in konventionellen Magnetresonanztomographie (MRT) Geräten zumeist nur in liegender Körperposition möglich. Eine vergleichende Darstellung des Vokaltraktes in aufrechter und liegender Körperposition mittels eines schwenkbaren MR Tomographen zeigte Konfigurationsunterschiede, welche bei stimmlich Untrainierten im Vergleich zu professionell trainierten Sängern stärker ausgeprägt waren, jedoch insgesamt einen systematischen Charakter hatten. Die Auswirkungen der Gravitation auf das Atmungssystem eines trainierten Sängers sind jedoch bisher unbekannt.

Material und Methoden: Ziel der vorliegenden Studie war es daher die Auswirkungen der Körperposition auf Zwerchfell und Lunge zu untersuchen. Dafür wurden 5 trainierte Sängerinnen und Sänger mit einem schwenkbaren MRT (GScan Esaote, Italien) in sagittaler, zweidimensionaler Schnittführung sitzend und liegend mit einer zeitlichen Auflösung von 1 Bild/Sekunde aufgenommen, während sie eine maximale Tonhaltedauer (von ca. 20–30 s) in verschiedenen Tonhöhen phonierten. Mittels Markierungsmarkern wurde jeweils sichergestellt, dass die gleiche Schicht dargestellt wurde.

Ergebnisse: Vorläufige Ergebnisse zeigen lediglich vernachlässigbare Unterschiede in der Zwerchfellposition und -konfiguration zu Beginn und am Ende einer maximalen Tonhaltedauer beim Singen in aufrechter im Vergleich zur liegenden Körperposition. Jedoch war die Tonhaltedauer im Liegen im Vergleich zum Sitzen kürzer.

Diskussion: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass bei professionell trainierten Sängern die Auswirkung der Gravitation auf das Atmungssystem klein sind, sodass eine dynamische MRT Bildgebung in konventionellen MRT Geräten im Liegen valide Aussagen ermöglicht und damit als Methode in der Erforschung sängerischer Atmungsstrategien einen Beitrag leisten könnte.


Text

Einleitung

Die Koordination von Atmung und Phonation ist ein zentraler Bestandteil der sängerischen Ausbildung und steht daher auch im Fokus stimmwissenschaftlicher Untersuchungen. Mittels verschiedener Techniken wurde versucht, den Atemapparat während des Singens zu visualisieren, jedoch war dies aufgrund technischer oder ethischer Begrenzungen bisher nur eingeschränkt möglich. Mittels Magnetresonanztomographie (MRT) wurden in den letzten Jahren Studien hinsichtlich des Vokaltraktes beim Singen zwei- und dreidimensional durchgeführt [1]. Diese Technik, hat den Vorteil, dass keine Röntgenstrahlung verwendet wird und somit auch gesunde Probanden untersucht werden können; jedoch ist eine Aufnahme in konventionellen MRT Geräten zumeist nur in liegender Körperposition möglich. Eine vergleichende Darstellung des Vokaltraktes in aufrechter und liegender Körperposition mittels eines schwenkbaren MR Tomographen zeigte Konfigurationsunterschiede, welche bei stimmlich Untrainierten im Vergleich zu professionell trainierten Sängern stärker ausgeprägt waren, jedoch insgesamt einen systematischen Charakter hatten. Zur Evaluierung atmungsphysiologischer Prozesse scheint die Implementierung der MRT-basierten Visualisierung von Atmungsvorgängen beim Singen wünschenswert. Die Auswirkungen der Gravitation auf das Atmungssystem von trainierten Sängern sind jedoch bisher unbekannt. Daher ist das Ziel der vorliegenden Studie die Auswirkungen der Körperposition auf die MRT-Darstellung von Zwerchfell und Lunge zu untersuchen.

Methoden

Drei trainierte Sängerinnen wurden mittels eines schwenkbaren Niedrigfeld-MRT in sitzender sowie liegender Position hinsichtlich der Lungenkonfiguration und Zwerchfellbewegungen untersucht. Es wurde ein MRT Scanner verwendet, welcher mittels eines schwenkbaren Permanentmagneten die Rotation des Probanden zwischen 0° und 90° ermöglicht (Esaote G-Scan, 0.25 T) [2], [3]. Die sagittale, zweidimensionale Schnittführung erfolgte dabei mit einer zeitlichen Auflösung von 1 Bild pro Sekunde. Dabei wurde aus anatomischen Gründen die rechte Lunge untersucht, da es bei der linken Lunge zu Verzerrungen durch das Herz kommen kann. Folgende Sequenzparameter wurden verwendet: 2D HYCE (BSSFP), Tr=10 ms, Te=5 ms, ST=20 mm, Voxel Size 1.5x1.5 mm², FA=80°, 1 Bild/Sekunde.

Aufgrund des im Niedrigfeld-MRT begrenzten Darstellungsraums war es nur möglich Sängerinnen mit einem vergleichsweise kleinen Brustkorb in die Studie einzuschließen. Mehrere Probanden mussten ausgeschlossen werden, da der Abbildungsbereich nicht die Lunge in ihrer Maximalausdehnung umfasste.

Die Probanden wurden aufgefordert eine maximale Tonhaltedauer in verschiedenen Tonhöhen (A2=110 Hz, A3=220 Hz und A4=440 Hz) sowie Lautstärken zu phonieren (pianissimo, mezzoforte, fortissimo). Die Übungen wurden zunächst in aufrechter, dann in liegender Körperposition durchgeführt.

Um sicherzustellen, dass die gleiche Ebene in beiden Positionen aufgenommen untersucht wird, erfolgte die Positionierung der Ebene anhand von anatomischen Landmarken wie der Wirbelsäule.

Die MRT Bilder wurden nun hinsichtlich der maximalen vertikalen Lungenausdehnung (gemessen vom höchsten Punkt der Zwerchfellkuppe bis zum höchsten Punkt der Lunge) (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Ergebnisse

Mittels schwenkbarem MRT war es möglich die Lunge in aufrechter und liegender Körperposition bei 3 Sängerinnen darzustellen und die Bewegungen des Zwerchfells nachzuvollziehen. Die Auswertung der maximalen vertikalen Lungenausdehnung im Sitzen und Liegen zeigte im Verlauf der Phonation eine kontinuierliche Aufwärtsbewegung des Zwerchfells. Dabei war der Unterschied in der Zwerchfellposition zwischen Beginn und Ende der Tonhaltedauer für höhere Töne größer als für tiefere Tonhöhen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Die Tonhaltedauer unterschied sich dabei nicht signifikant zwischen der Phonation im Liegen oder Sitzen (siehe Abbildung 2 [Abb. 2] und Abbildung 3 [Abb. 3]). Es zeigte sich, dass die Zwerchfellposition beim Singen im Liegen höher ist. Dieser Unterschied war für tiefe im Vergleich zu hohen Tönen ausgeprägter (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Dabei zeigte sich jedoch ein paralleler Kurvenverlauf mit einem Offset von 1–3 cm.

Diskussion

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass bei professionell trainierten Sängern eine Auswirkung der Gravitation auf das Atmungssystem zu einer tieferen Zwerchfellposition im Sitzen im Vergleich zum Liegen führt, wobei dieser Effekt für tiefe Töne stärker ausgeprägt war als für hohe. Dabei waren jedoch die Bewegungsbandbreite des Zwerchfelles sowie die Tonhaltedauer nicht verschieden, sodass von einem systematischen Effekt ausgegangen werden kann. In früheren Untersuchungen von Sundberg et al. mittels ösophagealer Druckmessung konnte gezeigt werden, dass sich die Gravitationsänderung bei trainierten Sängern nicht auf die subglottischen Druckverhältnisse auswirkte [4]. Obwohl von einer Änderung der Einwirkung der Graviation auf den Atmungsapparat von einer Einatem-Kraft in aufrechter zu einer Ausatem-Kraft in liegender Köperposition auszugehen ist [5], scheinen trainierte Sänger diese Veränderung intuitiv zu kompensieren.

Da lediglich ein systematischer Effekt der Gravitation auf die Lungenkonfiguration zu beobachten war, scheint eine dynamische MRT Bildgebung in konventionellen MRT Geräten im Liegen valide Aussagen zu ermöglichen und damit als Methode in der Erforschung sängerischer Atmungsstrategien anwendbar.


Literatur

1.
Echternach M, Markl M, Richter B. Dynamic real-time magnetic resonance imaging for the analysis of voice physiology. Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg. 2012;20:450-7. DOI: 10.1097/MOO.0b013e3283585f87 Externer Link
2.
Traser L, Burdumy M, Richter B, Vicari M, Echternach M. The Effect of Supine and Upright Position on Vocal Tract Configurations During Singing-A Comparative Study in Professional Tenors. J Voice. 2013;27(2):141-8. DOI: 10.1016/j.jvoice.2012.11.002 Externer Link
3.
Traser L, Burdumy M, Richter B, Vicari M, Echternach M. Weight-bearing MR imaging as an option in the study of gravitational effects on the vocal tract of untrained subjects in singing phonation. PLoS ONE. 2014;9(11):e112405. DOI: 10.1371/journal.pone.0112405 Externer Link
4.
Sundberg J, Leanderson R, von Euler C, Knutsson E. Influence of body posture and lung volume on subglottal pressure control during singing. J Voice. 1991;5:283-91. DOI: 10.1016/S0892-1997(05)80057-8 Externer Link
5.
Hixon T. Respiratory Function in Speech and Song. London: Taylor Francis; 1987.