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32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

24.09. - 27.09.2015, Oldenburg

Untersuchungen von akustisch induzierten Hörstörungen im Kindes- und Jugendalter

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  • corresponding author presenting/speaker Barbara Lindemann - Oberlinklinik GmbH, Abteilung HNO-Heilkunde, Phoniatrie und Pädaudiologie, Potsdam, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Oldenburg, 24.-27.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc53

doi: 10.3205/15dgpp26, urn:nbn:de:0183-15dgpp262

Veröffentlicht: 7. September 2015

© 2015 Lindemann.
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Gliederung

Zusammenfassung

Hintergrund: Audiolog. Untersuchungen bei Kindern/Jugendlichen aufgrund geklagter Hörstörung/Tinnitus.

Material und Methoden: 101 Pat. 6–8 J. (57), 8–14 J. (44); Krit: kein Lärmtrauma, unauff. Ohrbefund, norm. Tympanogramm, normale Sprachentw., reine SE-SH. Spezieller Fragebogen. Angabe des Kindes/Jugendlichen der Hörstörung (Hörminderung/Tinnitus). Bei Erstkontakt TA(LL/KL),TE/DPOAE, ggf. Tinnitusschwelle. Bei Normakusis OLKISA o./m. Stör., nach 1 Wo.: TA/OAE. N. 4–12 Wo: TA/OAE/Tinn. zzgl. OLKISA o/m Störger., Reflexe, bei Persistenz BERA/cMRT.

Ergebnisse: Pat. 6–8 J (57): 15 Pat. Hörminderung TA (8 Pat. Tiefton 20–30 dB, bei 7 Pat. Hochton 15–30 dB – korrelierende TEOAE/DPOAE) Nach 1 Wo: 7 Pat. Normakusis. Nach 4–12 Wo: 13 Pat. Normakusis. 2 Pat. HS unverändert (Hochton). Keine Änderung im OAE-Profil. Sprachverstehen im Störgeräusch (OLKISA 65 dB/65 dB S0N0) 11 Pat. auffällig (65–70%). Tinnitus bei 2 von 10 Pat. persistierend. Isolierter Tinnitus bei Normakusis 6 Pat. (4xTEOAE-Reduktion), nach 4–12 Wo: 1 Pat.

Alle hörpathologischen Pat. hatten eine anamnestisch intensive akustische Dauerbelastung.

Normakusis-Pat. (42): reproduzierbare isolierte Reduktion der OAE-Antwort (24xTEOAE/13xDPOAE), 10 auff. Sprache i.St.

8–14 J (44): 23 Pat. Hörminderung TA (9 Pat. Tiefton,14 Pat. Hochton – korrelierende TEOAE/DPOAE) Nach 1 Wo: 13 Pat. Normakusis. Nach 4–12 Wo: 17 Pat. Normakusis. 6 Pat. HS unverändert (5 Pat. Hochton,1 Pat. Tiefton). Keine Änderung im OAE-Profil. Sprachverstehen im Störgeräusch 12 Pat. auffällig. Tinnitus bei 3 von 14 Pat. persistierend. Isolierter Tinnitus bei Normakusis 8 Pat., nach 4–12 Wo: 3 Pat. Alle hörpathologischen Pat. hatten eine anamnestisch intensive akustische Dauerbelastung. Im Anamnesebogen bei 32 Pat. früheres passageres Tinnitusereignis.

Bei 14/21 initialer Normakusispat. 8–14J reproduzierbare isolierte Reduktion der OAE-Antwort, 9 auff. Sprache i.St.

Diskussion: Kinder/Jugendliche gute Selbstwahrnehmung für Hörschädigung. Tinnitus zunehmend auftretendes Symptom. Früher Prädiktor TEOAE/DPOAE. Bei nachgewiesenem Hörverlust/Tinnitus durch intensive Hör-Beratung von Kind+Angehörigen, enge Führung, Lärm-APP, Verordnung akustischer Entspannung (Stille) und körperlicher Bewegung bei den meisten Pat. (30/38) eine Remission der Hörschwelle u/o des Tinnitus (aber nicht der OAE) erzielbar. Auffällig gehäufte zusätzliche Einschränkungen in der Störschallfilterung (Sprachverstehen im Störgeräusch), die gerade im Unterrichtsalltag ua. zu „Hörstress“ führen.

Fazit: Es zeigt sich wieder die große Aufgabe für Pädaudiologen und HNO-Ärzte in der Zunahme der Präventionsarbeit.


Text

Einleitung

Bei 101 Kindern/Jugendlichen (Alter 6–14 J.) wurde bei geklagter Hörstörung/Tinnitus anhand eines Fragebogens und einer Hördiagnostik Ausmaß und Verlauf der Störung unter Beachtung der akustischen (Lärm)Belastung des Patienten betrachtet und analysiert.

Material/Methoden

Zeitraum 2010–2015. 101 Kinder/Jugendliche: 6–8 J. (57 Pat.) und 8–14 J. (44 Pat.); Voraussetzung: kein Lärm-/Knalltrauma, unauff. Ohrbefund, normales Tympanogramm, normale Sprachentwicklung, reine Innenohrhörstörung. Hörminderung/Tinnitus wird vom Kind/Jugendlichen selbst beklagt!

Methoden: Spezieller Fragebogen. Bei Erstkontakt: TA (LL/KL), TEOAE, DPOAE, ggf. Tinnitusschwelle. Bei Normakusis: OLKISA ohne/mit Störgeräusch; 1.Kontrolle nach 1 Wo: TA/OAE; 2.Kontrolle nach 4–12 Wo: TA/OAE/Tinnitusschwelle zzgl. OLKISA ohne/mit Störgeräusch, Stapediusreflexe; bei persistierenden patholog. Befunden überschwellige Klick-BERA, ggf. cMRT.

Ergebnisse

Altersklasse 6–8 J. (57 Pat.): 15 Pat. Hörminderung im TA (8 Pat.: Tiefton-HV 20–30 dB, bei 4 Pat. zusätzliches Rauschen als Tinnitusäquivalent; 7 Pat.: Hochton-HV ab 3 kHz 15–30 dB, bei 6 Pat. zusätzliches Pfeifen als Tinnitusäquivalent); 9 Pat. einseitig, 6 Pat. bds annähernd symmetrisch) – zum HV korrelierende TEOAE/DPOAE.

1.Kontrolle nach 1 Wo: 7 Pat. Normakusis.

2.Kontrolle nach 4–12 Wo: 13 Pat. Normakusis. Bei 2 Pat. TA unverändert (Hochton-HV bis 30 dB). Keine Erholung im OAE-Profil. Sprachverstehen im Störgeräusch (OLKISA 65 dB/65 dB S0N0) bei 11 Pat. auffällig (65–70%). Tinnitus bei 2 von 10 Pat. persistierend.

In Gruppe der Pat. mit normalem TA (42) bei 6 Pat. Angabe eines isolierten Tinnitus mit 4xTEOAE-Reduktion. Kontrolle nach 4–12 Wo: 1 Pat. weiterhin Tinnitus.

Bei allen hörpathologischen Pat. anamnestisch intensive akustische Dauerbelastung.

Normakusis-Pat. (42): reproduzierbare isolierte Reduktion der OAE-Antwort (24xTEOAE/13xDPOAE), bei 10 Pat. pathologisches Sprachverstehen im Störgeräusch (AVWS-Diagnostik indiziert). Obj. Testergänzungen: KlickBERA und Reflexe keine auff. Befunde.

Altersklasse 8–14 J. (44 Pat.): 23 Pat. Hörminderung im TA (9 Pat: Tiefton-HV 15–30 dB – bei 4 Pat. zusätzliches rauschender Tinnitus; 14 Pat.: Hochton-HV ab 3 kHz von 25–40 dB – bei 10 Pat. zusätzlich pfeifender Tinnitus;; bei 18 Pat. einseitig, bei 5 Pat. bds. annäh. symmetrisch) – korrelierende TEOAE/DPOAE zum TA.

1. Kontrolle nach 1 Wo: 13 Pat. Normakusis.

2. Kontrolle nach 4–12 Wo: 17 Pat. Normakusis. Bei 6 Pat. bleibt TA unverändert (5 Pat. mit Hochton-HV, 1 Pat. mit Tiefton-HV). Keine Änderung im OAE-Profil. Zusätzlich pfeifender Tinnitus bei 3 Pat. persistierend. Sprachverstehen im Störgeräusch bei 12 Pat. auffällig. Isolierter Tinnitus bei Normakusis bei 8 Pat. angegeben, Kontrolle nach 4–12 Wo nur noch bei 3 Pat. Bei allen hörpathologischen Pat. anamnestisch intensive akustische Dauerbelastung. Im Anamnesebogen bei 32 Pat. Angabe eines früheren passageren Tinnitusereignisses.

Bei 14 der 21 initialen Normakusispat. der AK8–14J zeigte sich eine reproduzierbare isolierte Reduktion der OAE-Antwort (14xTEOAE/ 8xDPOAE), bei 9 Pat. ein auffälliges Sprachverstehen im Störgeräusch.

Diskussion

Kinder und Jugendliche haben eine gute Selbstwahrnehmung für eine Hörschädigung. Auch der Tinnitus ist ein zunehmend auftretendes Symptom bei Kindern und Jugendlichen. Ein früher Prädiktor für einen sensorineuralen Schaden stellen die OAE (TEOAE/DPOAE) dar. Bei nachgewiesenem Hörverlust / Tinnitus kann durch eine intensive Hör-Beratung von Kind und Angehörigen, enger Führung, Nutzung der Lärm-APP, Verordnung akustischer Entspannung (Stille) und körperlicher Bewegung bei den meisten Patienten (30/38) eine Remission der Hörschwelle erzielt werden. Auffällig sind die zusätzlichen Einschränkungen in der Störschallfilterung (Sprachverstehen im Störgeräusch), welche gerade im Unterrichtsalltag u.a. zu „Hörstress“ führen können.

Da der Auslöser für den Beginn dieses Untersuchungsablaufes eine Initiative im Rahmen des „Tages gegen Lärm“ war, zeigt sich hier eine große Aufgabe für Pädaudiologen und HNO-Ärzte in der Präventionsarbeit (s. auch Empfehlung der Bundesärztekammer „Zur Frage der Vermeidung von Hörstörungen durch Freizeitlärm im Kindes- und Jugendalter“ von 2014).