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32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

24.09. - 27.09.2015, Oldenburg

Perzeption von Sprache und Musik bei prä- und postlingual hörgeschädigten CI-Trägern – eine funktionelle Nahinfrarotspektroskopie-Studie

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Susett Garthof - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Deutschland
  • author Willy Mattheus - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Deutschland
  • author Sonja Rossi - Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Deutschland
  • author Anja Hahne - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Deutschland
  • author Dirk Mürbe - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Oldenburg, 24.-27.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc41

doi: 10.3205/15dgpp23, urn:nbn:de:0183-15dgpp236

Veröffentlicht: 7. September 2015

© 2015 Garthof et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die physiologischen Vorgänge der intra-auralen Schallübertragung und der cochleären Schallcodierung können vom CI nur eingeschränkt nachgebildet werden. Daraus resultiert die Annahme, dass bei der Perzeption von Sprache und Musik besondere kortikale Verarbeitungsprozesse stattfinden. Umso relevanter wird dies im Hinblick auf prälingual hörgeschädigte CI-Träger, bei denen eine persistente sensorische Deprivation zu cross-modalen kortikalen Restrukturierungsprozessen geführt hat.

Material und Methoden: Die funktionelle Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) stellt eine vergleichsweise neue non-invasive bildgebende Methode dar, deren Anwendung bei CI-Trägern perspektivisch gesehen eine Alternative zum fMRT bieten kann. Im Rahmen dieser prospektiven Studie wurden Normalhörenden, postlingualen und prälingualen CI-Trägern sprachliche Stimuli mit unterschiedlicher Verständlichkeit und prosodischen Anteilen sowie musikalische Stimuli präsentiert.

Ergebnisse: Es zeigte sich deskriptiv sowohl ein Unterschied zwischen Normalhörenden und CI-Trägern als auch ein Unterschied zwischen den beiden CI-Gruppen. Die prälingualen CI-Träger wiesen dynamischere und lokal nicht klar umgrenzbare Aktivierungsmuster und vergleichsweise höhere Hämoglobin-Konzentrationsänderungen auf. Das Maß der Verständlichkeit eines sprachlichen Inputs hatte Einfluss auf die kortikale Aktivierung. Für alle Gruppen konnten signifikante Unterschiede in der hämodynamischen Antwort für Sprache vs. Musik nachgewiesen werden.

Diskussion: Die Ergebnisse sind mit aktuellen Erkenntnissen zu vereinbaren und bestätigen den Status der prälingualen CI-Träger, welche einer besonders intensiven Hörrehabilitation bedürfen. Um detailliertere Aussagen treffen zu können, sind weitere fNIRS-Studien nötig.

Fazit: Die Ergebnisse zeigen, dass die fNIRS geeignet ist, um Evidenzen für die kortikale Restrukturierung und die gesteigerte Höranstrengung zu liefern. Sie können ein Anhaltspunkt für weitere fNIRS-Studien mit kindlichen und erwachsenen CI-Trägern sein.


Text

Hintergrund

Die funktionale Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) stellt eine vergleichsweise neue, non-invasive bildgebende Methode dar, deren Anwendung bei CI-Trägern perspektivisch gesehen eine Alternative zum fMRT bieten kann.

Zielsetzung dieser Untersuchung war es, die kortikale Aktivität für sprachliche und musikalische Stimuli für drei Gruppen von Probanden zu untersuchen: Normalhörende, postlinguale CI-Träger und prälinguale CI-Träger. Des Weiteren sollte die Auswirkung der Sprechgeschwindigkeit sowie des „Prosodischen Gehalts“ auf den Verarbeitungsprozess bei CI-Trägern geprüft werden.

Material und Methoden

Im Rahmen dieser prospektiven Studie wurden 60 Normalhörenden, 24 postlingualen und 15 prälingualen CI-Trägern auditive Stimuli aus vier Kategorien präsentiert: Sätze in normaler Sprechgeschwindigkeit, Sätze in langsamer Sprechgeschwindigkeit („Therapeutensprache“), gesummte Sätze, sowie Ausschnitte aus klassischen Musikstücken. Alle Probanden waren Rechtshänder. Die Stimuli wurden randomisiert in Blöcken zu je drei Beispielen präsentiert, sodass ein Block aus 3 Trials bestand und eine durchschnittliche Länge von ca. 9 Sekunden aufwies. Zwischen den Blöcken war eine Pause von ca. 1,5 Sekunden. Die Untersuchung dauerte insgesamt 12 Minuten. Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt eine schematische Darstellung des Layouts der Optodenverteilung (S = source, D = detector). Für die statistische Analyse wurden die Mittelwerte der Konzentrationsänderungen des Hämoglobins verwendet.

Ergebnisse

Normalhörende und CI-Träger unterschieden sich signifikant hinsichtlich ihrer kortikalen Aktivierung bei der Wahrnehmung und Verarbeitung von sprachlichem und musikalischem auditiven Input. Ebenso unterschieden sich prälinguale und postlinguale CI-Träger untereinander. Die prälingualen CI-Träger wiesen dynamischere und lokal nicht klar umgrenzbare Aktivierungsmuster und bei allen Stimuli einen im Vergleich deutlich höheren Level der Konzentrationsänderungen sowohl des HbO, als auch des HbR auf. Das Maß der Verständlichkeit eines sprachlichen Inputs hatte Einfluss auf die kortikale Aktivierung. Für alle Gruppen konnten signifikante Unterschiede in der hämodynamischen Antwort für Sprache vs. Musik nachgewiesen werden. Eine klare konditionenübergreifende Zuordnung einer bevorzugt sprachlichen Verarbeitung links und einer prosodisch-musikalischen Verarbeitung rechts zeigte sich jedoch nicht. Insbesondere zeigte sich, dass der Gyrus frontalis inferior mit dem Broca-Areal auf beiden Hemisphären auf sprachliche Stimuli stärker reagierte als auf musikalische Stimuli.

Diskussion

Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese einer differenziellen Aktivierung für sprachliche im Vergleich zu musikalischen Stimuli. Des Weiteren bestätigen sie den Status der prälingualen CI-Träger, welche einer besonders intensiven Hörrehabilitation bedürfen. Die stark erhöhten Konzentrationsänderungen des Hämoglobins geben Hinweise auf die erhöhte Höranstrengung, während die weniger klar umgrenzte Lokalisierung der Aktivierungsmuster als Folge der cross-modalen Reorganisation gesehen werden kann. Folgestudien werden zeigen, inwieweit sich dieses Datenmuster wird replizieren lassen.

Fazit

Die Ergebnisse zeigen, dass die fNIRS geeignet ist, um Evidenzen für kortikale Restrukturierungen und Höranstrengung zu liefern. Sie können ein Anhaltspunkt für weitere fNIRS-Studien mit Kindern und Erwachsenen mit einem CI bilden. Zunächst ist eine Replikation der Studie mit leicht modifiziertem Experimentaldesign geplant.


Literatur

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