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32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

24.09. - 27.09.2015, Oldenburg

Analyse von Stimmlippenschwingungen während des Registerwechsels bei Jazzsängern und klassischen Sängern mittels High-Speed Digital Imaging

Vortrag

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 32. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Oldenburg, 24.-27.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. Doc03

doi: 10.3205/15dgpp03, urn:nbn:de:0183-15dgpp036

Veröffentlicht: 7. September 2015

© 2015 Dippold et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Unserer Kenntnis nach gibt es wenige Studien, die sich mit Unterschieden des Schwingungsverhaltens von Stimmlippen während des Registerwechsels bei verschiedenen Gesangsstilen befassen. Im Jazzgesang beispielsweise erscheint der Registerwechsel vom Modalregister zum Falsettregister sehr viel deutlicher hörbar zu sein, als im klassischen Gesang. Die Hypothese der Studie war dass das der weichere Registerübergang bei klassischen Sängern durch ein regelmäßigeres Schwingungsverhalten der Stimmlippen verursacht wird.

Material und Methoden: 19 Sänger (10 Jazzsänger, 9 klassische Sänger) wurden mittels High-Speed Digital Imaging (HSDI) während des Registerwechsels vom Modalregister zum Falsettregister untersucht. Die Stimmlippenschwingungen wurden hinsichtlich 3 verschiedener Regularitätsparameter, Relative Average Pertubation (RAP), Correlation Dimension (D2) und Shimmer analysiert.

Ergebnisse: Mittels HSDI konnten regelmäßigere Stimmlippenschwingungen während des Registerwechsels bei klassischen Sängern gesehen werden. Zudem zeigten sich bei klassischen Sängern niedrigere und konsistentere Werte für RAP und D2. Signifikante Unterschiede der erhobenen Regularitätsparameter zwischen beiden Gruppen konnten jedoch nicht gezeigt werden.

Diskussion: Die hier erhobenen Daten stehen im Gegensatz zu einer von Butte et al. durchgeführten Studie, die in der Analyse von Audiosignalen niedrige Werte für Jitter, Shimmer und D2 bei Jazzsängern im Vergleich zu klassischen Sängern zeigen konnte. Weiterhin kann ein Einfluss des Untersuchungsvorgangs (Herausstrecken der Zunge und damit Veränderung der Vokaltraktkonfiguration) auf die erhobenen Daten nicht ausgeschlossen werden.

Fazit: Die Ergebnisse der Studie unterstützen zumindest teilweise die Hypothese, dass klassische Sänger einen weicheren Registerwechsel aufweisen als Jazzsänger der in einem regelmäßigeren Schwingungsablauf der Stimmlippen während des Registerwechsels begründet ist.


Text

Hintergrund

Stimmregister und der Übergang zwischen Stimmregistern sind ein wichtiger Aspekt der Gesangsausbildung. Insbesondere in der klassischen Gesangstechnik ist, wenn nötig, ein möglichst unhörbarer Registerwechsel vom Modal- zum Falsettregister erstrebenswert. Nach Kenntnis der Autoren gibt es nur wenige Studien, die sich mit den Unterschieden des Schwingungsverhaltens von Stimmlippen während des Registerwechsels bei verschiedenen Gesangsstilen befassen. Im Jazzgesang beispielsweise erscheint der Registerwechsel vom Modalregister zum Falsettregister sehr viel deutlicher hörbar zu sein, als im klassischen Gesang. Echternach et al. konnten zeigen, dass es sowohl bei Laiensängern, als auch bei klassischen Tenören zu einem Anstieg von Irregularitätsparametern beim Übergang vom Modalregister zum Falsettregister kommt [1], [2]. Die Hypothese dieser Studie war, dass klassische Sänger bei einem Registerwechsel weniger Irregularitäten im Schwingungsverhalten der Stimmlippen aufweisen als Jazzsänger.

Material und Methoden

19 männliche Sänger (10 Jazzsänger, 9 klassische Sänger) wurden mittels High-Speed Digital Imaging (HSDI) während des Registerwechsels vom Modalregister zum Falsettregister untersucht. Als Aufnahmekamera diente die Hochgeschwindigkeitskamera HRES-Endocam 5562, der Firma Wolf, Knittlingen mit einer Bildrate von 4.000 Bildern pro Sekunde. Gleichzeitig wurde das Tonsignal über ein Mikrophon (Sennheiser KE 4-211-1; Sennheiser, Wedemark, Deutschland) mit einem Mundabstand von 10 cm aufgezeichnet. Die Probanden sollten ein aufsteigendes „Glissando“ auf dem Vokal /i/ singen und dabei im Modalregister starten und im Falsettregister enden. Die Aufnahmezeit betrug 2 Sekunden. Die Aufnahmen wurden von 3 Experten (2 HNO-Ärzte/Phoniater und 1 HNO-Arzt in der Weiterbildung zum Phoniater mit jeweils mindestens 25 Jahren Gesangserfahrung). Sie definierten den Moment des Registerwechsels unter Zuhilfenahme der Software PRAAT (University of Amsterdam, Amsterdam, Niederlande), mit der sowohl das Audiosignal, als auch das Spektrogramm dargestellt wurde. Für die Analyse der Hochgeschwindigkeitsaufnahmen wurde ein Zeitfenster von 200 Millisekunden (ms) symmetrisch um den Punkt des Registerwechsels konstruiert. Zwei weitere Zeitfenster von 200 ms wurden 400 ms vor, bzw. 200 ms nach dem Punkt des Registerwechsels gebildet. Die Datenanalyse erfolgte mit Hilfe von „Glottis Analyse Tools“, (Dennis Dubrovskiy und Michael Döllinger, Universität Erlangen). Die Stimmlippenschwingungen wurden hinsichtlich 3 verschiedener Regularitätsparameter, Relative Average Pertubation (RAP), Correlation Dimension (D2) und Shimmer analysiert. Die Auswahl der Parameter berücksichtigte die Tatsache, dass die aufgenommenen Sequenzen eine kontinuierlich veränderte Tonhöhe aufwiesen.

Ergebnisse

Mittels HSDI konnten während des Registerwechsels bei klassischen Sängern regelmäßigere Stimmlippenschwingungen beobachtet werden. Die Parameteranalyse zeigte für Jazzsänger einen Anstieg der Mittelwerte von RAP beim Übergang vom Modalregister (1.2±0.08) zum Registerwechsel (1.4±0.06). Für klassische Sänger konnte eine Abnahme der Mittelwerte beim Übergang vom Modalregister (1.3±0.08) zum Registerwechsel (1.0±0.05) gesehen werden. Zwischen Registerwechsel und Falsettregister zeigten sich für beide Gruppen keine Veränderungen der Mittelwerte.

Die Mittelwerte für D2 wiesen bei den Jazzsängern eine Zunahme beim Übergang vom Modalregister (0.72±0.03) zum Registerwechsel (0.77±0.05) und auch eine Zunahme beim Übergang vom Registerwechsel zum Falsettregister (0.81±0.09) auf. Klassische Sänger zeigten im Gegensatz dazu vergleichbare Werte für D2 im Modalregister (0.76±0.06), Registerwechsel (0.77±0.08) und Falsettregister (0.77±0.09).

Die Mittelwerte für Shimmer zeigten für Jazzsänger insgesamt höhere Werte als für klassische Sänger. Zudem waren bei klassischen Sängern niedrigere und konsistentere Werte für RAP und D2 nachweisbar. Signifikante Unterschiede der erhobenen Regularitätsparameter fanden sich zwischen beiden Gruppen jedoch nicht.

Diskussion

Die hier erhobenen Daten unterstützen die Hypothese, dass das Schwingungsverhalten der Stimmlippen bei klassischen Sänger beim Registerwechsel durch weniger Irregularitäten geprägt ist als bei Jazzsängern. Damit stehen die Ergebnisse im Gegensatz zu einer von Butte et al. durchgeführten Studie, die niedrigere Werte für Jitter, Shimmer und D2 bei Jazzsängern im Vergleich zu klassischen Sängern zeigen konnte [3]. Allerdings ist die Vergleichbarkeit beider Studien eingeschränkt, da Butte eine Analyse von Audiosignalen durchführte. In den in dieser Studie erhobenen Daten kann ein Einfluss des Untersuchungsvorgangs (Herausstrecken der Zunge und damit Veränderung der Vokaltraktkonfiguration) auf die erhobenen Daten nicht ausgeschlossen werden, wenngleich dieser mögliche Fehler systematischer Natur sein sollte.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie unterstützen die Hypothese, dass klassische Sänger weniger Irregularitäten während des Registerwechsels aufweisen als Jazzsänger.


Literatur

1.
Echternach M, Sundberg J, Zander MF, Richter B. Perturbation measurements in untrained male voices’ – transitions from modal to falsetto register. J Voice. 2011;25:663-9. DOI: 0.1016/j.jvoice.2010.01.013 Externer Link
2.
Echternach M, Traser L, Richter B. Perturbation of voice signals in register transitions on sustained frequency in professional tenors. J Voice. 2012;26:674.e9-e15. DOI: 10.1016/j.jvoice.2012.02.003 Externer Link
3.
Butte CJ, Zhang Y, Song H, Jiang JJ. Perturbation and nonlinear dynamic analysis of different singing styles. J Voice. 2009;23:647-52. DOI: 10.1016/j.jvoice.2008.02.004 Externer Link