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31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

Outcome von Kindern nach Cochlea-Implantat-Versorgung in Abhängigkeit von weiteren Behinderungen und vom Lebensalter

Postervortrag

  • corresponding author presenting/speaker Christian Fuchs - Unimedizin Mainz, Schwerpunkt Kommunikationsstörungen, Mainz, Deutschland
  • author Anja Pollak-Hainz - Unimedizin Mainz, Schwerpunkt Kommunikationsstörungen, Mainz, Deutschland
  • Katharina Leonhard - Unimedizin Mainz, Schwerpunkt Kommunikationsstörungen, Mainz, Deutschland
  • author Sabine Müller - Unimedizin Mainz, Schwerpunkt Kommunikationsstörungen, Mainz, Deutschland
  • Judith Wilk - Unimedizin Mainz, Schwerpunkt Kommunikationsstörungen, Mainz, Deutschland
  • author Annerose Keilmann - Unimedizin Mainz, Schwerpunkt Kommunikationsstörungen, Mainz, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocP15

doi: 10.3205/14dgpp44, urn:nbn:de:0183-14dgpp444

Veröffentlicht: 2. September 2014

© 2014 Fuchs et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Nach Cochlea-Implantat (CI)-Versorgung bei Kindern dient die Bestimmung der Aufblähkurve (ABK), sowie des Sprachverstehens als Maß um den Erfolg der CI-Versorgung zu beurteilen. Die Hörleistung kann mit dem jeweiligen Höralter, oder mit Kindern gleichen Lebensalters verglichen werden. In der vorliegenden Studie soll untersucht werden, ob die Schwellen der ABK in der Erstanpassungsphase (audioverbale Therapie/AVT) sich zwischen jüngeren und älteren Kindern unterscheiden.

Material und Methoden: Es wurden Gruppen in Abhängigkeit vom Alter zum Zeitpunkt der Ersteinstellung (bis 16. Lebensmonat/30.–60. Lebensmonat) und dem Vorhandensein von Begleitbehinderungen (monosymptomatische cochleäre Schwerhörigkeit/ Schwerhörigkeit mit Begleitbehinderungen) gebildet und die ABK verglichen. Alle Kinder sammelten zuvor mit Hörgeräten Hörerfahrungen.

Ergebnisse: Bei den Kindern mit monosymptomatischer Schwerhörigkeit lag die 1. ABK bei den später implantierten Kindern besser als bei den jüngeren. Bei den Kindern mit Begleitbehinderungen unterschied sich die 1. ABK nur wenig in beiden Altersgruppen, die jüngeren schnitten etwas besser ab. Alle Kinder, mit und ohne Begleitbehinderungen, konnten sich während der 1. AVT verbessern, die älteren rascher. Während der 2. AVT verbesserten sich erneut alle Kinder, die jüngeren stärker.

Diskussion: Dass die 1. ABK in der 1. AVT bei den älteren Kindern bei geringeren Lautstärken lag, ist auf mehr Hörerfahrungen und das höhere Lebensalter zurückzuführen. Die 1. ABK lagen in dem Lautstärkebereich, in dem normalhörende Neugeborene Hörreaktionen zeigen. Vor allem für die höheren Frequenzen zeigten die später operierten Kinder große Fortschritte. Im Vergleich zu normalhörenden Kindern gleichen Lebensalters lag die ABK am Ende der 1. AVT unabhängig vom Implantationsalter um 30–40 dB schlechter. Vergleicht man die 1. ABK aller Kinder, dann fällt das Ergebnis bei Kindern mit Begleitbehinderungen insbesondere bei den älteren ungünstiger aus. Am Ende der 2. AVT lagen die Kinder mit Begleitbehinderungen ebenfalls etwas schlechter.

Fazit: Für die korrekte Bewertung der ABK bei CI-versorgten Kindern sind das Lebensalter, eine Begleitbehinderung und die Zeit seit der Ersteinstellung zu berücksichtigen. Die vorliegenden Daten erlauben eine Einordnung.


Text

Hintergrund

Nach erfolgter Cochlea-Implantat (CI)-Versorgung bei Kindern dienen die Bestimmung der Aufblähkurve, sowie – sobald vom Entwicklungsalter her möglich – die Messung des Sprachverstehens als Maße um den Erfolg der CI-Versorgung zu beurteilen. Es ist bekannt, dass eine frühe Versorgung [1], [2] sowie günstige Förderbedingungen [3] den Erfolg der CI-Versorgung positiv beeinflussen. Die Hör- und Sprachleistung von Kindern mit CI kann mit der von Kindern des gleichen Höralters, oder gleichen Lebensalters verglichen werden [2]. Bislang liegen wenig Daten über die zu erwartende Aufblähkurve in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Versorgung und von Begleitbehinderungen vor. In der vorliegenden Studie soll untersucht werden, ob die Aufblähkurven in der Erstanpassungsphase (audioverbale Therapie/AVT) sich bei jüngeren Kindern von denen bei älteren Kindern unterscheidet und ob dies durch zusätzlich vorhandene Begleitbehinderungen beeinflusst wird.

Methoden

Aus einem Studienkollektiv von 80 Kindern wurden 4 Gruppen in Abhängigkeit vom Alter zum Zeitpunkt der Ersteinstellung des Sprachprozessors (bis 16. Lebensmonat/30.–60. Lebensmonat) und dem Vorhandensein von Begleitbehinderungen (monosymptomatische cochleäre Schwerhörigkeit/Schwerhörigkeit mit Begleitbehinderungen) gebildet und die Aufblähkurven verglichen. Bei den früh versorgten Kindern wiesen 37 Kinder eine monosymptomatische cochleäre Schwerhörigkeit auf, 13 Kinder hatten zusätzlich Begleitbehinderungen. Bei den später versorgten Kindern (30.–60. Lebensmonat) wiesen 19 Kinder eine monosymptomatische cochleäre Schwerhörigkeit auf, 11 Kinder hatten zusätzlich Begleitbehinderungen. Alle Kinder waren zuvor mit Hörgeräten versorgt und konnten Hörerfahrungen sammeln. Für jedes Kind wurde die Aufblähkurve für 500 Hz, 1, 2 und 4 kHz nach dem ersten Aufsetzen des Sprachprozessors und danach 1–2x täglich während der 1. und 2. audioverbalen Therapie (jeweils eine Woche mit mehrfach täglicher Audiometrie, Sprachprozessoreinstellung und logopädischer Therapie im Abstand von einem Monat) bestimmt.

Ergebnisse

Bei den Kindern mit monosymptomatischer Schwerhörigkeit lag die erste Aufblähkurve bei den später implantierten Kindern um 10-15dB besser als bei den jüngeren Kindern. Im Tieftonbereich reagierten die später implantierten Kinder im Mittel schon unter 80 dB. Beide Gruppen konnten sich während der 1. audioverbalen Therapie deutlich verbessern, die älteren sogar rascher, insbesondere bei den höheren Frequenzen. Die beste (häufig, aber nicht immer die letzte während der stationären Therapie aufgezeichnete) Aufblähkurve der 1. audioverbalen Therapie lag bei den älteren bei ca. 50 dB pantonal, bei den jüngeren Kindern bei 65–75 dB. Während der 2. audioverbalen Therapie verbesserten sich erneut beide Gruppen, diesmal die jüngeren deutlicher als die älteren, sie holten ein Stück weit zu den älteren auf. Die beste Aufblähkurve der 2. audioverbalen Therapie lag bei den älteren bei 35–40 dB, bei den jüngeren bei 45–50 dB.

Bei den Kindern mit Schwerhörigkeit und Begleitbehinderungen verlief die erste Aufblähkurve in beiden Altersgruppen bei hohen Schalldruckpegeln im Mittel um 90–100dB. Die Ergebnisse in beiden Gruppen unterschieden sich nur wenig, wobei hier die früher operierten etwas besser abschnitten. Beide Gruppen konnten sich während der ersten audioverbalen Therapie deutlich verbessern. Die älteren Kinder verbesserten sich deutlich rascher, erneut eher bei den höheren Frequenzen. Die beste Aufblähkurve lag bei den älteren bei 60–70 dB, bei den jüngeren bei 70–75 dB. Beide Gruppen verbesserten sich auch während der 2. audioverbalen Therapie deutlich, diesmal die jüngeren deutlicher als die älteren, sie holten ein Stück weit zu den älteren auf. Die beste Aufblähkurve lag bei den älteren bei ca. 50 dB pantonal, bei den jüngeren bei 55–60 dB.

Diskussion

Dass die erste Aufblähkurve während der 1. audioverbalen Therapie in den Gruppen mit monosymptomatischer cochleärer Schwerhörigkeit bei den älteren Kindern bei geringeren Lautstärken lag, ist auf mehr Hörerfahrungen sowie das höhere Lebensalter zurückzuführen. Die ersten Aufblähkurven lagen in dem Lautstärkebereich, in dem bei normalhörenden Neugeborenen Hörreaktionen zu erwarten sind. Vor allem für die höheren Frequenzen zeigten die später operierten Kinder große Fortschritte, also für die Frequenzen, die möglicherweise von den Hörgeräten etwas schlechter übertragen werden. Im Vergleich zu normalhörenden Kindern gleichen Lebensalters lag die Aufblähkurve am Ende der ersten audioverbalen Therapie unabhängig vom Implantationsalter um 30–40 dB schlechter. Mit einem „Höralter“ von einer Woche reagierten die Kinder wie normal hörende Kinder im Alter von 6 Wochen (jüngere) oder 4 Monaten (ältere). Während der 2. audioverbalen Therapie verbesserten sich die jüngeren deutlicher als die älteren Kinder, sie holten ein Stück weit zu den älteren auf. Vergleicht man die ersten Aufblähkurven der Kinder mit und ohne Begleitbehinderung, dann fällt das Ergebnis der Kinder mit Begleitbehinderungen, besonders bei den älteren Kindern, ungünstiger aus. Am Ende der 2. audioverbalen Therapie lagen die Kinder mit Begleitbehinderungen etwa 10 dB schlechter als die mit einer monosymptomatischen Schwerhörigkeit, wobei jeweils die älteren bei 10 dB niedrigeren Lautstärken reagierten. Inwieweit eine Abhängigkeit zwischen der Entwicklung der Aufblähkurven und dem Sprachverstehen im Vorschulalter besteht, soll anhand bereits erhobener Daten noch ausgewertet und publiziert werden.

Fazit

Für die korrekte Bewertung der Aufblähkurve bei CI-versorgten Kindern sind das Lebensalter, eine Begleitbehinderung und die Zeit seit der Ersteinstellung zu berücksichtigen. Die vorliegenden Daten erlauben eine Einordnung.


Literatur

1.
Lesinski-Schiedat Illg A, Warnecke A, Heermann R, Bertram B, Lenarz T. Kochleaimplantation bei Kindern im 1. Lebensjahr. HNO. 2006; 54(7):565-72. DOI: 10.1007/s00106-005-1260-z Externer Link
2.
Streicher B. Sprachentwicklung nach Cochlea-Implantation - Status Quo zur Einschulung bei Kindern mit CI. HÖRPÄD. 2014; 2:56-61.
3.
Moeller MP. Early intervention and language development in children who are deaf and hard of hearing. Pediatrics. 2000;106:e43. DOI: 10.1542/peds.106.3.e43 Externer Link