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31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

Assoziation des sozio-ökonomischen Status mit dem Singstimmprofil: Ergebnisse aus der Leipziger LIFE-Adult-Studie

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Michael Fuchs - Universität Leipzig, Sektion Phoniatrie und Audiologie, Leipzig, Deutschland
  • author Thomas Berger - Universität Leipzig, Sektion Phoniatrie und Audiologie, Leipzig, Deutschland
  • author Sylvia Meuret - Universität Leipzig, Sektion Phoniatrie und Audiologie, Leipzig, Deutschland
  • author Christoph Engel - Universität Leipzig, IMISE, Leipzig, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocV15

doi: 10.3205/14dgpp25, urn:nbn:de:0183-14dgpp259

Veröffentlicht: 2. September 2014

© 2014 Fuchs et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Bei der Erfassung des Singstimmprofils können verschiedene Faktoren Einfluss auf die erhobene Datenqualität nehmen. Für eine standardisierte Messmethode sollten stimmunabhängige Faktoren jedoch keinen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Inwieweit der sozio-ökonomische Status (SES) mit Messparametern des Singstimmprofil assoziiert ist, sollte in der vorliegenden Studie untersucht werden.

Material und Methoden: An 2.485 zufällig aus der Leipziger Stadtbevölkerung ausgewählten freiwilligen Probanden wurde im Rahmen der bevölkerungsbezogenen Studie des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen (LIFE) ein Sing- und Sprechstimmprofil erstellt. Zusätzlich erfolgte eine Einteilung aller teilnehmenden Probanden in einen niedrigen, mittleren oder hohen SES anhand von Angaben zu Bildung, beruflicher Stellung und Einkommen. Mit Hilfe multivariater Regressionsmodelle wurde die alters- und geschlechtsadjustierte Assoziation des SES mit folgenden Messparametern aus dem Singstimmprofil untersucht: maximaler Schalldruckpegel (SPL max), minimaler Schalldruckpegel (SPL min), Differenz von maximaler-minimaler Schalldruckpegel (delta SPL), höchste Grundfrequenz (F0max) und niedrigste Grundfrequenz (F0min), Differenz der höchsten-niedrigsten Grundfrequenz (delta F0), maximale Phonationsdauer (MPT), Jitter und Dysphonia Severity Index (DSI).

Ergebnisse: Auf den niedrigen SES verteilten sich 83 Frauen sowie 69 Männer. 843 Frauen und 650 Männer hatten einen mittleren SES, während 400 Frauen und 440 Männer einen hohen SES aufwiesen. Es ergaben sich signifikante positive Assoziationen für SPLmax, F0max, delta F0, DSI, MPT, und Jitter. Der SES zeigte keine Assoziationen mit F0min, SPL min, delta SPL.

Diskussion: In der untersuchten Stichprobe zeigt sich eine deutliche Assoziation des SES mit Parametern des Singstimmprofils. Unterschiedliche stimmliche und kommunikative Anforderungen im Beruf und/oder stimmliche Freizeitaktivitäten könnten als Ursachen für die gefundenen Assoziationen mit dem SES infrage kommen, was bei der klinischen Messung und Bewertung des Singstimmprofils berücksichtigt werden sollte.


Text

Hintergrund

Das Sprech- und Singstimmprofil dient der quantitativen und qualitativen Bewertung stimmlicher Leistungen und stellt eine zentrale diagnostische Methode in der Phoniatrie dar [1]. Durch die Anwendung von standardisierten Testbedingungen gemäß den Empfehlungen der UEP sollen objektive und vergleichbare Messergebnisse gewährleistet werden [2]. Dennoch ist die Exaktheit der Messung auch davon abhängig, wie gut der Patient motivierbar ist, stimmliche Grenzbereiche auszureizen. Dadurch können zum Beispiel eine mangelnde Erfahrung der stimmlichen Präsentation vor Fremden oder unterschiedliche stimmliche Aktivitäten in der Freizeit Einfluss auf die erhobene Datenqualität nehmen. Diese wiederum könnten von externen, stimmunabhängigen Faktoren bedingt sein und sollten ggf. in die Bewertung der Befunde integriert werden. Einkommen, Bildung und Berufsstatus sind solche zentrale Determinanten der Gesundheit [3], [4]. Inwieweit der sozio-ökonomischen Status (SES) mit Messparametern des Singstimmprofil assoziiert ist, sollte in der vorliegenden Studie untersucht werden.

Material und Methoden

An 2.485 zufällig aus der Leipziger Stadtbevölkerung ausgewählten freiwilligen, stimmgesunden Probanden wurde im Rahmen der bevölkerungsbezogenen Studie des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen (LIFE) ein Sing- und Sprechstimmprofil erstellt. Die Messung erfolgte mit dem Stimmprofil-Modul aus DiVAS (Digital Video Archive Software®, Version 2.4, XION medical GmbH, Berlin).

Zusätzlich erfolgte eine Einteilung aller teilnehmenden Probanden in einen niedrigen, mittleren oder hohen SES. Die Einteilung des SES wurde auf Basis von Informationen zur schulischen und beruflichen Bildung, zur beruflichen Stellung sowie zum Netto-Äquivalenzeinkommen als mehrdimensionaler Punktsummenscore berechnet [5].

Mit Hilfe multivariater Regressionsmodelle wurde die alters- und geschlechtsadjustierte Assoziation des SES mit folgenden Messparametern aus dem Singstimmprofil untersucht: maximaler Schalldruckpegel (SPL max), minimaler Schalldruckpegel (SPL min), Differenz von maximaler-minimaler Schalldruckpegel (delta SPL), höchste Grundfrequenz (F0max) und niedrigste Grundfrequenz (F0min), Differenz der höchsten-niedrigsten Grundfrequenz (delta F0), maximale Phonationsdauer (MPT), Jitter und Dysphonia Severity Index (DSI).

Ergebnisse

Von insgesamt 1.322 weiblichen sowie 1.151 männlichen Probanden konnten vollständige Singstimmprofile und Aussagen über den SES erhoben werden. Auf den niedrigen SES verteilten sich 83 Frauen sowie 69 Männer. 843 Frauen und 650 Männer hatten einen mittleren SES, während 400 Frauen und 440 Männer einen hohen SES aufwiesen (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Es ergaben sich signifikante positive Assoziationen für F0max, delta F0, DSI und MPT (p<0.001) sowie Jitter und SPLmax (p<0.01). Die Mittelwerte für die MPT mit einer Erhöhung um 3,5 Sekunden sowie für den DSI mit einer Erhöhung um über 1 Punkt sind dabei am stärksten positiv mit einem höheren SES assoziiert (Abbildung 2 [Abb. 2]) und (Abbildung 3 [Abb. 3]).

Auffällig zeigte sich zudem eine deutliche Geschlechtsassoziation beim DSI und Jitter. So ergaben sich für Frauen mit niedrigem SES ein Jitter von 2,71% und ein DSI von -1,14. Während Frauen mit einem hohem SES ein Jitter von 1,31% und einen DSI von 1,68 aufwiesen. Der SES zeigte keine Assoziationen mit F0min, SPL min, delta SPL.

Diskussion

Sozialökonomische Studien belegen, dass Morbidität und Mortalität sozial ungleich verteilt sind. Hier ergeben sich meist lineare Zusammenhänge zwischen niedrigem sozialen Status und erhöhtem Risiko für Erkrankungen und Sterblichkeit [3]. In der untersuchten Stichprobe zeigt sich eine deutliche Assoziation des SES mit Parametern des Singstimmprofils. Vor allem der MPT sowie der DSI waren positiv mit dem SES assoziiert. Unterschiedliche stimmliche und kommunikative Anforderungen im Beruf und/oder stimmliche Freizeitaktivitäten könnten als Ursachen für die gefundenen Assoziationen mit dem SES infrage kommen.

In unserer Probandenkohorte ergaben sich für Frauen deutlich schlechtere Werte zwischen DSI und Jitter in Assoziation mit dem SES als für Männer. Diese Beobachtung korreliert mit der Annahme, dass die Unterschiede der Gesundheitsscores zwischen den Statusgruppen bei Frauen noch stärker zutage treten als bei Männern [4].

Fazit

Der sozio-ökonomische Status nimmt Einfluss auf die Messparameter des Singstimmprofils. Die gefundenen Assoziationen vor allem beim der maximalen Phonationsdauer und dem DSI sollten bei der klinischen Messung und Bewertung mit berücksichtigt werden.

Anmerkung

Diese Publikation wurde gefördert durch LIFE – Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen. LIFE wird finanziert aus Mitteln der Europäischen Union durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und aus Mitteln des Freistaates Sachsen im Rahmen der Landesexzellenzinitiative.


Literatur

1.
Schneider B, Bigenzahn W. Stimmdiagnostik – Ein Leitfaden für die Praxis. Wien, Heidelberg, Dordrecht, London, New York: Springer; 2013. DOI: 10.1007/978-3-7091-1480-3 Externer Link
2.
Schutte H, Seidner W. Recommendation by the Union of European Phoniatricians (UEP): standardizing voice area measurement/phonetography. Folia Phoniat. 1983;35:286–8. DOI: 10.1159/000265703 Externer Link
3.
Richter M, Hurrelmann K. Gesundheitliche Ungleichheit: Ausgangsfragen und Herausforderungen. Wiesbaden: VS; 2009. DOI: 10.1007/978-3-531-91643-9 Externer Link
4.
Lampert T, Kroll LE, von der Lippe E, Müters S, Stolzenberg H. Sozioökonomischer Status und Gesundheit [Socioeconomic status and health: results of the German Health Interview and Examination Survey for Adults (DEGS1)]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2013 May;56:814-21. DOI: 10.1007/s00103-013-1695-4 Externer Link
5.
Ditton H, Maaz K. Sozioökonomischer Status und soziale Ungleichheit. In: Reinders H, Ditton H, Gräsel C, Gniewosz B, Hrsg. Empirische Bildungsforschung. Wiesbaden: VS; 2011. p. 193-208.