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31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

18.09. - 21.09.2014, Lübeck

Sensitivitätsstudie zum Neugeborenen-Hörscreening mit dem BERAphone®

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Fabian Kraus - Pädaudiologie und Phoniatrie der Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Sofia Hofmann - Pädaudiologie und Phoniatrie der Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Mario Cebulla - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten der Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Rudolf Hagen - Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten der Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland
  • author Wafaa Shehata-Dieler - Pädaudiologie und Phoniatrie der Universität Würzburg, Würzburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Akademie für Hörgeräte-Akustik. 31. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) zusammen mit dem 5. Pädakustiker-Symposium der Akademie für Hörgeräte-Akustik. Lübeck, 18.-21.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocV12

doi: 10.3205/14dgpp21, urn:nbn:de:0183-14dgpp217

Veröffentlicht: 2. September 2014

© 2014 Kraus et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Seit 2009 zählt das Neugeborenenhörscreening (NHS) zu den bis zum dritten Lebensmonat obligat durchzuführenden Screeninguntersuchungen in Deutschland. Hierdurch ist es nunmehr möglich, schwerhörige oder taube Kinder einer Therapie zuzuführen und ihnen somit die lautsprachliche Kommunikation zu ermöglichen. Als Screeningmethode neben den otoakustischen Emissionen hat sich die Ableitung von Hirnstammpotentialen durch eine BERAphon® Messung bei 35 dB nHL etabliert. Als Stimulus dient ein breitbandiger akustischer CE-ChirpTM. Ziel der vorliegenden Studie war die Qualität des an der Universitätsklinik Würzburg durchgeführten NHS mittels BERAphon® mithilfe der Messergebnisse und durch Fragebögen zu evaluieren.

Material und Methoden: Es wurden 583 NHS (1166 Ohren), die zwischen April 2008 bis September 2008 gescreent wurden, in die Arbeit eingeschlossen. Zusätzlich wurde eine Umfrage mithilfe des Würzburger Fragebogens und des LittlEARS Fragebogen unter 500 Elternpaaren durchgeführt, deren Kinder ca. zwei Jahre zuvor in der Univ.-Frauenklinik Würzburg nach Hörstörungen untersucht worden waren.

Ergebnisse: Die mittlere Messzeit betrug 42,5 s (SD = ± 34,24). Die Pass-Rate nach Stufe I betrug 97,69% und nach Stufe II, bzw. nach den Kontrollscreenings 98,95%. Eine pädaudiologische Diagnostik und Therapie fand bei 11 Ohren (8 Kinder) statt. Es wurden somit 0,94% der Ohren richtig-positiv ermittelt. 0,69% der Kinder galten als Drop-outs. Insgesamt wurden 96,31% als richtig-negativ eingeordnet. Damit wurde eine Spezifität von 97,57% erreicht. Die Fragebögen hatten eine Rücklaufquote von 71,57%. Die aus den Umfrageergebnissen berechnete Sensitivität des Hörscreenings lag bei 100%. Bei 21 Kindern wurde über eine Sprachentwicklungsstörung berichtet.

Diskussion: Das zweistufige Screenigprogramm der HNO-Universitätsklinik Würzburg mit Hilfe des MB 11 BERAphon® hat eine hohe Sensitivität und Spezifität und ist somit eine zuverlässige, schnelle und effiziente Screeningmethode. Sie übertrifft mit diesen Ergebnissen die nationalen und internationalen Anforderungen.


Text

Hintergrund

Die Prävalenz einer permanenten Hörstörung liegt bei 1 bis 3 pro 1000 Geburten in den Industrieländern. Da der Erfolg der Hör- und Sprachentwicklung eines Kindes mit dem Zeitpunkt der Diagnose und Therapie in Verbindung steht, ist ein generelles Neugeborenen-Hörscreening in den ersten Lebenstagen eines Kindes von großer Bedeutsamkeit. Seit 2009 zählt das Neugeborenenhörscreening (NHS) zu den bis zum dritten Lebensmonat obligat durchzuführenden Screeninguntersuchungen in Deutschland. In Würzburg wird das Screening mit dem BERAphon® durchgeführt [1]. Hierdurch ist es nunmehr möglich, schwerhörige oder taube Kinder einer Therapie zuzuführen und ihnen somit die lautsprachliche Kommunikation zu ermöglichen. Ziel der vorliegenden Studie war die Qualität des an der Universitätsklinik Würzburg durchgeführten NHS mittels BERAphon® mithilfe der Messergebnisse und durch Fragebögen zu evaluieren.

Material und Methoden

Als Standardgerät für das Neugeborenen-Hörscreening der Univ.-HNO-Klinik Würzburg wurde zur Ableitung akustisch evozierter Potenziale das BERAphon® der Firma MAICO Diagnostics GmbH verwendet. Für das AABR-Neugeborenenhörscreening wird der akustische CE-Chirp™ Stimulus [2] eingesetzt. Zur Bestimmung der Spezifität und Sensitivität des Neugeborenenhörscreening mithilfe des BERAphon® wurden in dieser Arbeit zwei unterschiedliche Gruppen betrachtet. Die Gruppe, die für die Auswertung der Spezifität herangezogen wurde, ist im Zeitraum April bis September 2008 geboren. Dies waren 583 Neugeborene (1166 Ohren) mit einem Anteil von 52,9% männlichen zu 47,1% weiblichen Kindern. Parallel zum NHS von Ende April bis Ende September 2008 wurde eine Fragebogenumfrage unter 500 Eltern von der HNO-Klinik Würzburg gestartet, welche sich auf im Jahr 2006 geborene Kinder bezieht. Es wurde der Würzburger Fragebogen verwendet.

Ergebnisse

Von den 1140 Ohren, welche in der Frauenklinik im Zeitraum vom 28. April 2008 bis zum 26. September 2008 gescreent wurden, hatten 1106 ein unauffälliges Screeningergebnis (97,02%). Bei 34 Ohren konnten keine Reizantworten nachgewiesen werden (2,98%), sie galten demzufolge als kontrollbedürftig nach der Screening-STUFE I. In der STUFE II des Hörscreenings bekamen somit abzüglich vier Drop-outs und der zwei Ohren, die beim Kinderarzt untersucht worden sind, 28 Ohren ein Kontrollhörscreening in der HNO-Klinik. Von den 26 Ohren die entweder in der Kinderklinik oder extern gescreent worden sind, waren 17 (65,38%) unauffällig und 9 (34,62%) kontrollbedürftig. Diese 9 kontrollbedürftigen Ohren bekamen in der HNO-Klinik ein Kontrollhörscreening. Insgesamt wurde in STUFE II bei 37 Ohren ein Kontrollscreening durchgeführt. Nach dem Kontrollhörscreening galten 26 Ohren (70,27%) als normalhörend und bei 11 Ohren (29,73%) war eine pädaudiologische Diagnostik notwendig. Alle 11 Ohren präsentierten ein vermindertes Hörvermögen. Nach Therapie konnte bei zwei Ohren (1 Kind) mittels Parazentese, Einlage einer Paukendrainage sowie einer Adenotomie, ein regelrechtes Hörvermögen erreicht werden. Die restlichen neun Ohren (7 Kinder) wiesen mittel- bis hochgradige Hörminderungen auf und wurden mit Hörgeräten versorgt (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Die Pass-Rate der ersten Screening-Stufe lag bei 98,95%. Die falsch-positiv-Rate betrug 2,41% (Abbildung 2 [Abb. 2]). Die Spezifität nach STUFE II lag bei 97,57% Die mittlere Messzeit des BERAphons® anhand der Messungen in der Frauenklinik und Kontrollmessungen in der HNO-Klinik betrug 42,5 Sekunden (SD = ±34,2 s; SEM = ±1,0 s).

Die Rücklaufquote der Fragebögen lag bei 71,6%. Die Geschlechterverteilung der 297 Kleinkinder der Befragung war mit 149 weiblichen und 148 männlichen Teilnehmern ausgeglichen. Zum Zeitpunkt des Hörscreenings in der Frauenklinik Würzburg im Jahr 2006 waren die Neugeborenen im Mittel 4,33 Tage alt, der Median beträgt 2 Tage. 90% der untersuchten Kinder wiesen zum Zeitpunkt des Screenings keine Risikofaktoren für eine Hörminderung auf. 5% der Neugeborenen befanden sich zum Screeningzeitpunkt in Therapie mit ototoxischen Medikamenten. Bei 3% der untersuchten Kleinkinder gaben die Eltern familiäre Hörstörungen an. Insgesamt liegen 594 Messungen mit dem BERAphon® vor. 97,0% der Ohren (576 Ohren) waren im Hörscreening unauffällig und 3% (18 Ohren) waren nach dem Screening in Stufe I kontrollbedürftig. 4 der 18 kontrollbedürftigen Ohren galten letztendlich im Hörscreening in Stufe II als auffällig. 98,7% (293) der Kinder sind laut Angaben der Eltern im Formular altersentsprechend entwickelt. Allein 1,3% (4 Kinder) sind in ihrer allgemeinen Entwicklung verzögert.

Die Ergebnisse des Neugeborenen-Hörscreenings der Testkinder aus der Befragung wurden mit den Angaben der Eltern im Abschnitt Hörminderung des Würzburger Fragebogens verglichen. Von den 297 Testkindern galten nach dem Screening und Kontrollscreening 293 als unauffällig. Vier Kinder wurden als auffällig eingestuft, da sie das Kontrollscreening jeweils auf dem rechten Ohr nicht bestanden hatten. Bei 295 Kindern gaben die Eltern im Fragebogen an, dass ihre Kinder zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht an einer Hörminderung litten. Diese Angaben entsprechen zwei richtig-positiv- und zwei falsch-positiv-Ergebnissen.

Diskussion und Fazit

Ziel dieser Arbeit war eine Qualitätssicherung für das zweistufige universelle Neugeborenen-Hörscreening-Programm der Klinik und Poliklinik für Hals, Nasen- und Ohrenkrankheiten, plastische und ästhetische Operationen der Universität Würzburg sowie die Ermittlung der Sensitivität und Spezifität des Screeninggerätes MB 11 BERAphon®. Die Daten zeigen, dass es eine hohe Sensitivität und Spezifität hat. Es ist somit eine zuverlässige und hoch effiziente Screeningmethode. Sie übertrifft mit diesen Ergebnissen die nationalen und internationalen Anforderungen [3], [4], [5].


Literatur

1.
Shehata-Dieler WE, Dieler R, Keim R, Finkenzeller P, Dietl J, Helms J. Universelle Horscreening-Untersuchungen bei Neugeborenen mit dem BERAphon [Universal hearing screening of newborn infants with the BERA-phone]. Laryngorhinootologie. 2000 Feb;79(2):69-76. DOI: 10.1055/s-2000-8792 Externer Link
2.
Elberling C, Don M, Cebulla M, Stürzebecher E. Auditory steady-state responses to chirp stimuli based on cochlear traveling wave delay. J Acoust Soc Am. 2007 Nov;122(5):2772-85. DOI: 10.1121/1.2783985 Externer Link
3.
Joint Committee on Infant Hearing. Year 2007 Position Statement – Principles and Guidelines for Early Hearing Detection and Intervention Programs. Pediatrics. 2007 Oct;120(4):898-921. DOI: 10.1542/peds.2007-2333 Externer Link
4.
Ptok M. European Consensus Development Conference on Neonatal Hearing Screening – Europäisches Konsensuspapier verabschiedet.1998;6:229-30.
5.
Ptok M. Grundlagen für das Neugeborenen-Hörscreening (Standard of Care). HNO. Nov 2003;51(11):876-9. DOI: 10.1007/s00106-003-0973-0 Externer Link