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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Kernspintomographie bei Patienten mit Cochlea Implantaten und Hirnstammimplantaten: Risiken, methodische Einschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Sabine Nospes - Schwerpunkt Kommunikationsstörungen/HNO-Klinik, Mainz, Deutschland
  • Annerose Keilmann - Schwerpunkt Kommunikationsstörungen/HNO-Klinik, Mainz, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV45

doi: 10.3205/13dgpp87, urn:nbn:de:0183-13dgpp879

Veröffentlicht: 5. September 2013

© 2013 Nospes et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: In Deutschland werden jährlich zirka 2.000 hörgeschädigte Patienten aller Altersgruppen mit Cochlea Implantaten (CI) und Hirnstammimplantaten (ABI) operativ versorgt. Gleichzeitig ist eine Zunahme von Magnetresonanztomographischen Untersuchungen (MRT) zu verzeichnen. Bei der Indikationsstellung zur MRT-Untersuchung und bei deren Durchführung sind bei diesen Patienten produktspezifische Verbote, Einschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen zu beachten.

Material und Methoden: Aufgrund der Herstellerempfehlungen und einer selektiven Literaturrecherche (PubMed) werden die bekannten Nebenwirkungen, Risiken, Grenzen und Möglichkeiten einer MRT-Diagnostik bei CI-/ABI-Patienten vergleichend diskutiert.

Ergebnisse: Die bei der MRT-Untersuchung notwendigen hohen elektromagnetischen Feldstärken können zu Störungen der Implantat-Funktion oder zur Dislokation des Implantates beziehungsweise des implantierten Magneten führen. Nicht alle Implantate sind zur MRT-Untersuchung zugelassen. Bei den meisten ist jedoch eine Untersuchung im 0,2, 0,3, 1,0 oder 1,5 Tesla-MRT möglich. Bei einigen Implantaten müssen vor der Untersuchung die implantierten Magneten operativ entfernt werden. Empfehlungen der Hersteller geben jeweils verbindliche Richtlinien zum MRT-Untersuchungsvorgang vor, unter anderem einen Kopf-Kompressionsverband oder die Einhaltung einer bestimmten Position des Patienten im MRT-Scanner. Außerdem sind implantatspezifische Artefakte bei der MRT-Schädel-Untersuchung und die dadurch eingeschränkte diagnostische Aussagefähigkeit zu beachten.

Diskussion: Eine MRT-Untersuchung ist bei CI- und ABI- Patienten mit dafür zugelassenen Implantaten unter Einhaltung der von den Herstellern vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen möglich, sollte jedoch nur mit strengster Indikationsstellung und in enger Absprache zwischen den die Untersuchung veranlassenden Ärzten, dem den Patienten betreuenden otologischen Team und dem Radiologen erfolgen. Zuvor sind alle anderen alternativen diagnostischen Möglichkeiten auszuschöpfen.


Text

Einleitung

In Deutschland werden jährlich zirka 3.500 hörgeschädigte Patienten aller Altersgruppen mit Cochlea Implantaten (CI) und Hirnstammimplantaten (ABI) mit transkutaner Magnetfixierung operativ versorgt. Viele dieser Patienten werden im Laufe ihres Lebens Erkrankungen (Bandscheibenvorfälle, Schlaganfälle, maligne Erkrankungen) entwickeln oder leiden bereits an Erkrankungen (Neurofibromatose Typ II, Hydrocephalus), die eine Indikation zur kernspintomographischen Diagnostik bedingen können. Liegen bereits vor der CI-/ABI-Implantation bekannte Komorbiditäten wie eine Neurofibromatose Typ II vor, welche üblicher Weise regelmäßige MRT-Schädel-Untersuchungen erfordern, ist präoperativ interdisziplinär mit den behandelnden Neurologen/ Neurochirurgen abzuklären, ob und wann unter diesen Umständen eine derartige Versorgung zu planen ist und wie die weitere postoperative interdisziplinäre Nachsorge erfolgen soll.

Methode

Aufgrund der Herstellerempfehlungen (Tabelle 1 [Tab. 1]) und einer selektiven Literaturrecherche (PubMed) werden die bekannten Nebenwirkungen, Risiken, Grenzen und Möglichkeiten einer MRT-Diagnostik bei CI-/ABI-Patienten vergleichend diskutiert.

Ergebnisse

Nicht alle Implantate sind zur MRT-Untersuchung zugelassen, bei vielen ist jedoch eine Untersuchung im 0,2, 0,3, 1,0 oder 1,5 Tesla-MRT, teilweise nach einer passageren Explantation des inneren Magneten auch bis 3 T möglich (Tabelle 2 [Tab. 2]). Empfehlungen der Hersteller geben jeweils verbindliche Richtlinien zum MRT-Untersuchungsvorgang zur Vermeidung von Komplikationen vor. Alle externen Hörgeräteteile sind außerhalb des Sicherheitsbereiches abzulegen.

Die bei der MRT-Untersuchung notwendigen hohen elektromagnetischen Feldstärken können zu Demagnetisierungen des implantierten Magneten wechselnden Ausmaßes abhängig von der der Orientierung des Magnetfeldes zum Implantat, also der Lagerung des Kopfes des Patienten führen [1], [2]. Der Kopf muss deshalb in Rückenlage orthograd mit der Nase nach oben positioniert werden und darf im MRT-Scanner nicht gedreht werden. Gegenwärtig wird von Herstellern der zur MRT zugelassenen CI-Modelle die MRT-Feldstärke bei Belassen des inneren Magneten auf eine Feldstärke von maximal 1,5 T begrenzt. Eine zunehmende Demagnetisierung des Magneten in der Folge von wiederholten MRT-Untersuchungen ist nicht sicher auszuschließen. Bei Untersuchungen der unteren Extremitäten wird empfohlen, den Patienten mit den Beinen voran in den Scanner zu schieben, um das Risiko einer Demagnetisierung des internen Magneten zu minimieren.

Durch das Magnetfeld können das Implantat oder der implantierte Magnet disloziert werden. Eine ausreichende knöcherne Unterfütterung des Implantates von 0,3–0,6 mm wird vorausgesetzt, um Dislokationen nach intracraniell vorzubeugen [3]. Alle Hersteller fordern zur Sicherung des Implantates bzw. des Hautlappens ab einer Feldstärke von 1,5 T einen zirkulärer Kopfkompressionsverband und eine mindestens 6-monatige narbige Stabilisierung des über dem Implantat liegenden Hautlappens. Dieser Kompressionsverband kann mit einer straff, möglichst mit voller Dehnung, aber nicht schmerzhaft mindestens dreimal um den Kopf gewickelten handelsüblichen elastischen Binde (Med-El, Cochlear) oder aber mit einer Kompressionsbandage Typ EAR BAND-IT® (Neurelec) durchgeführt werden. Einzelfallberichte beschreiben jedoch Schmerzen, Hautreizungen über dem Implantat und Dislokationen von bei der MRT-Untersuchung belassenen CI-Magneten trotz eines Kompressionsverbandes. Patienten mit mechanisch geschädigten Implantaten dürfen nicht mit einer MRT untersucht werden, da es durch dislozierende Implantat-Teile zu unkalkulierbaren Verletzungen kommen kann. Bei einigen Implantaten müssen vor der MRT-Untersuchung die implantierten Magneten operativ entfernt werden und können somit auch bei Demagnetisierungen oder Dislokationen ausgetauscht werden. Dann ist zur MRT-Untersuchung postoperativ ebenfalls ein Kopfkompressionsverband zu empfehlen, da auch eine Dislokation der verbliebenen ferromagnetischen Implantatanteile erfolgen kann.

Durch ferromagnetischen Wechselwirkungen induzierte Stromspannungen an den implantierten Elektroden und im Implantat-Schaltkreis während der MRT-Scans können möglicher Weise zur Störungen der Implantat-Funktion führen. Deshalb dürfen nach Angaben der Firma Med-El bei CI- und Hirnstammimplantat-Trägern nur statische Magnetfelder und Sequenzen des „Normal Operating Mode“ verwendet werden. Bei der Untersuchung können jedoch trotzdem unangenehme akustische Wahrnehmungen induziert werden.

CI bedingte Artefakte in der MRT-Schädel-Untersuchung bei Belassung des implantierten Magneten von bis zu 11 cm Durchmesser führen zu erheblichen Einschränkungen der Bildqualität. Kleinere Artefakte sind auch nach passagerer Magnetexplantation nachweisbar.

Dem Implantat-Pass des Patienten sind der Hersteller und die jeweilige Implantat-Modell-Nummer/ Seriennummer des Implantates zu entnehmen. Bei einigen Implantaten sind verbindlich Auskünfte des jeweiligen Herstellers zur MRT-Tauglichkeit und eine entsprechende Genehmigung des Herstellers einzuholen (Tabelle 2 [Tab. 2]). Bei den meisten Implantaten der Firma Cochlear kann in Zweifelsfällen das Implantat-Modell an einer röntgendichten Beschriftung identifiziert werden. Es ist zu beachten, dass einzelne Patienten auf beiden Seiten auch mit verschiedenen Implantaten eines Herstellers oder verschiedener Hersteller versorgt sein können.

Diskussion

Eine MRT-Untersuchung ist bei CI- und ABI- Patienten mit dafür zugelassenen Implantaten unter Einhaltung der von den Herstellern vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen möglich. Es können jedoch akustische und schmerzhafte Missempfindungen ausgelöst werden. Auch zunehmende Entmagnetisierungen des inneren Magneten nach wiederholten MRT-Untersuchungen erscheinen möglich. Eine strengste Indikationsstellung und eine enge Absprache zwischen den die Untersuchung veranlassenden Ärzten, dem den Patienten betreuenden otologischen Team und dem Radiologen sind erforderlich. Zuvor sind alle anderen alternativen diagnostischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Nach der MRT-Untersuchung ist eine audiologische/ technische Kontrolle der Implantatfunktion zu empfehlen.


Literatur

1.
Hochmair ES. MRI safety of Med-El C40/C40+ cochlear implants. Cochlear Implants Int. 2001 Sep;2(2):98-114. DOI: 10.1002/cii.42 Externer Link
2.
Vincent C, Ruzza I, Vaneecloo FM, Dubrulle F. Magnetic resonance imaging with the Digisonic SP Neurelec cochlear implant. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2008 Sep;265(9):1043-6. DOI: 10.1007/s00405-007-0576-6 Externer Link
3.
Sonnenburg RE, Wackym PA, Yoganandan N, Firszt JB, Prost RW, Pintar FA. Biophysics of cochlear implant/MRI interactions emphasizing bone biomechanical properties. Laryngoscope. 2002 Oct;112(10):1720-5.