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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Differenzialdiagnose von Granulombildungen im Larynx

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  • corresponding author presenting/speaker Elisabeth Smith - Sekt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitäts-HNO-Klinik, Ulm, Deutschland
  • author Nina Schmidt - Universitäts-HNO-Klinik, Ulm, Deutschland
  • author Sibylle Brosch - Sekt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitäts-HNO-Klinik, Ulm, Deutschland
  • author Rudolf Reiter - Sekt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitäts-HNO-Klinik, Ulm, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocP29

doi: 10.3205/13dgpp72, urn:nbn:de:0183-13dgpp723

Veröffentlicht: 5. September 2013

© 2013 Smith et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Granulomen des Larynx unterteilt man in Processus vocalis Granulome, die durch mechanische Verletzungen, wie stimmliche Fehlkompensation, Räuspern, gastrolaryngealen Reflux oder Intubation verursacht werden und Granulome im Rahmen der Wundheilung, z.B. nach einem operativen Eingriffen am Larynx.

Material und Methoden: Anhand von 4 Fallberichten werden verschiedene Differenzialdiagnosen von Granulomen am Larynx dargestellt.

Ergebnisse: Berichtet wird von einer Patientin mit einem eingebluteten Intubationsgranulom, was aufgrund einer akuten Dyspnoe notfallmäßig operativ abgetragen werden musste (Patient 1). Weiter werden der Fall eines spontan abgehusteten Granulationsgewebepolypen (Patient 2) und eine Wundgranulombildung nach Chordektomie (Patient 3) dargestellt. Als überraschender Befund verbarg sich hinter dem klinische Bild eines Kontaktgranuloms ein In situ Karzinom (Patient 4).

Diskussion: Bei der Differenzialdiagnose von „Granulomen“ des Larynx sollte ein besonderes Augenmerk auf die Anamnese und den laryngoskopischen Befund gelegt werden. Im Gegensatz zur typischen Lokalisation von Intubations- und Kontaktgranulomen an den Processus vocales, können Wundheilungsgranulome in allen Larynxbezirken auftreten. Eine positive Anamnese für eine vorangegangene Intubation, Refluxsymptomatik oder einen vorangegangenen Larynxeingriff ist hierbei richtungsweisend. Bei suspekten Befunden muss immer ein Malignomausschluss erfolgen.


Text

Grundlage

Bei Granulomen der Stimmlippen handelt es sich um Gewebevermehrungen aus Granulationsgewebe, die ein- oder beidseitig nachweisbar sein können. Unterteilt werden sie in die beiden Gruppen „Processus vocalis Granulome“ und „Granulome, im Rahmen der überschießenden Wundheilung“, welche durch operative Larynxeingriffe im gesamten Larynx auftreten können [1]. „Processus vocalis Granulome“ entstehen durch traumatische Verletzungen beim häufigen Aneinanderstoßen der Processus vocales („Hammer Amboss-Effekt“), verursacht durch Überbeanspruchung der Stimmlippen, dauerhaften Reizhusten, vermehrten Räusperzwang oder gastrolaryngealen Reflux. Eine Sonderform ist das Intubationsgranulom, welches im Gegensatz zu den anderen Granulomen vorwiegend 1 bis 2 Wochen postoperativ im Bereich der Processus vocales auftritt. Im Gegensatz zum klassischen Kontaktgranulom, das meist auf der einen Seite ein Granulom und auf der anderen Seite ein Ulcus bildet, wird das Intubationsgranulom fast immer beidseits beobachtet. Die Symptome bei laryngealen Granulomen sind eher unspezifisch [2], [3]. Hierzu gehören bei den Processus vocalis Granulomen vor allem ein Fremdkörpergefühl oder Räusperzwang, teilweise auch ein vermehrter Hustenreiz. Seltener besteht auch bei Wundheilungsgranulomen, insbesondere sofern eine Einschränkung der Phonation durch verlegende Gewebemassen bei größeren Befunden vorliegt oder eine Tonusregulationsstörung hinzukommt, eine Heiserkeit. In Einzelfällen, bei massiver Gewebevermehrung, kann es zur Dyspnoe kommen.

Methode

Anhand von vier Fallberichten werden verschiedene Differenzialdiagnosen von Granulomen am Larynx dargestellt.

Fall 1: Eine 31-jährige Patientin stellte sich wegen Heiserkeit seit fünf Wochen nach Strumaoperation vier Monate zuvor erstmals vor. Logopädische Therapie war bis dato nicht erfolgt. Eine Refluxsymptomatik wurde verneint. Die Stimme klang rau und kratzig mit festem bis gepresstem Stimmeinsatz bei gemischtem Atemtyp. Das Lippen-Kieferspiel war reduziert. In der Laryngostroboskopie zeigte sich bei ausreichender Glottisweite eine normale Stimmlippenmotilität mit fehlendem Glottisschluss aufgrund von großen Granulomen an der Spitze der Processus vocales beidseits. Aufgrund der hohen Rezidivneigung wurde initial auf eine Abtragung verzichtet, ein Therapieversuch mit Pantozol eingeleitet und eine Kontrolle vier Monate später geplant. Nach nur vier Wochen stellte sich die Patientin mit akuten Dyspnoeattacken vorzeitig vor. Die Stimme war praktisch aphon. Es bestand ein inspiratorischer Stridor. In der Lupenlaryngoskopie zeigte sich ein deutlich größenprogredientes, eingeblutetes, flottierendes, teilweise den Glottisspalt verlegendes Intubationsgranulom links. Der Befund auf der Gegenseite hatte sich spontan zurückgebildet. In einer Mikrolaryngoskopie am selben Tag wurde der Befund links abgetragen. Histologisch zeigte sich polypöses Granulationsgewebe mit dichter Vaskularisation und ausgiebigen Einblutungen sowie flächenhaft ulcerierter Oberfläche. Sechs Wochen postoperativ hatte die Patientin keine Dyspnoe mehr und eine klare Stimme. Lupenlaryngostroboskopisch zeigte sich ein unauffälliger Befund mit regelrechtem Feinschwingungsverhalten. Auch zwei Jahre nach dem Eingriff war kein erneutes Granulom mehr aufgetreten.

Fall 2: Eine 34-jährige Patientin stellte sich wegen einer seit 1 Woche bestehenden Heiserkeit mit massivem Hustenreiz vor. Extern war ein Stimmlippenpolyp vermutet worden, der abgehustet mitgebracht wurde. Eine Intubation oder Operation am Larynx war nicht erfolgt. Die Stimme klang in der klinischen Untersuchung klar. Lupenlaryngostroboskopisch zeigten sich bei glatten mobilen Stimmlippen unauffällige Randkantenverschiebungen eine polypöse Reststruktur am rechten Aryknorpel. In der histologischen Aufarbeitung des abgehusteten Polypen bestätigte sich ein teilweise eitriger Granulationsgewebspolyp mit Hämorrhagien, der am ehesten durch den Husten zu erklären war. Bei einer Kontrolluntersuchung acht Wochen später war kein Restgewebe mehr nachweisbar. Dies hatte sich spontan zurückgebildet.

Fall 3: Eine 75-jährige Patientin mit systemischem Lupus erythematodes unter immunsuppressiver Therapie stellte sich wegen Aphonie sechs Wochen nach einer Laserchordektomie links mit Teilentfernung der linken Taschenfalte bei pT2 N0 M0 R0 Stimmlippenkarzinom vor. Noxen oder Reflux wurden verneint. Die Stimme klang nahezu aphon. Bei der lupenlaryngoskopischen Untersuchung postoperativ zeigten sich bei fehlendem Glottisschluss massive Granulationen im Bereich der ehemaligen linken Stimmlippe und Taschenfalte, die bis nach subglottisch zogen. Die linke Taschenfalte war nur noch im vorderen Anteil erhalten und dort für die Anbahnung der Taschenfaltenstimme nutzbar. Nach einer 3-monatigen logopädischen Therapie über 20 Therapieeinheiten war die Stimme noch rau und behaucht, aber deutlich kräftiger als zuvor. Laryngoskopisch zeigten sich bis auf eine Synechie in der vorderen Kommissur glatte Schleimhäute. Die rechte Stimmlippe war mobil, links hatte sich eine schöne Ersatzstimmlippe gebildet. Bei Phonation war noch kein kompletter Glottisschluss möglich, da die Resttaschenfalte noch nicht ausreichend gut ausgebildet war, so dass die logopädische Therapie fortgesetzt wurde.

Fall 4: Ein 40-jähriger Patient, der wegen eines Barrettösophagus 40 mg Omeprazol zweimal täglich einnahm und in der Vorgeschichte Nikotinabusus betrieben hatte, beklagte ein Fremdkörpergefühl und Halssensationen. Die Stimme klang rau, ohne stimmliche Fehlkompensationen. Lupenendoskopisch zeigte sich am Processus vocalis rechts eine livide, zipflige, leukoplakische, granulomatöse Veränderung. Bei der mikrolaryngoskopischen Abtragung zeigte sich histologisch polypoides Schleimhautgewebe mit squamöser Hyperplasie, Parakeratose und massivem entzündungszelligem Begleitinfiltrat. Das Epithel war fokal dysplastisch bis hin zum squamösen Carcinoma in situ.

Schlussfolgerung

Bei der Differenzialdiagnose von „Granulomen“ des Larynx sollte ein besonderes Augenmerk auf die Anamnese und den laryngoskopischen Befund gelegt werden. Im Gegensatz zur typischen Lokalisation von Intubations- (Patient 1) und Kontaktgranulomen an den Processus vocales, können Wundheilungsgranulome (Patient 3) in allen Larynxbezirken auftreten. Eine positive Anamnese für eine vorangegangene Intubation, Refluxsymptomatik oder einen früheren Larynxeingriff ist hierbei richtungweisend. Je nach Diagnose gibt es verschiedene Therapieverfahren. Intubationsgranulome, die häufig gestielt sein können, reißen teilweise ab, können aber auch abgehustet oder verschluckt werden (Patienten 1 und 2). Dies kann zu einer Spontanheilung führen. Die Rezidivhäufigkeit nach operativer Entfernung von Intubations- oder Kontaktgranulomen ist relativ hoch. Bei postoperativen Granulationen kann eine konservative Therapie mit Logopädie hilfreich sein und eine Operation vermieden werden (Patient 3). Bei suspekten Befunden oder Besonderheiten in der Anamnese, wie ein Barrettösophagus in der Vorgeschichte (Patient 4), ist ein Malignomausschluss obligat.


Literatur

1.
Heman-Ackah YD, Sataloff RT. Laryngeal granulomas. Laryngoscope. 2002;558(5):419-28.
2.
Storck C, Brockmann M, Zimmermann E, Nekahm-Heis D, Zorowka PG. Laryngeales Kontaktgranulom: Laryngeal granuloma Ätiologie, Symptomatik, Diagnose und Therapie. HNO. 2009;57(10):1075-80. DOI: 10.1007/s00106-008-1778-y  Externer Link
3.
Pickhard A, Smith E, Rottscholl R, Brosch S, Reiter R. Manifestation internistischer Erkrankungen im Larynx: Chronisch entzündliche Erkrankungen. Laryngo-Rhino-Otol. 2012;91:758-66.