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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Larynx-EMG: Voraussetzung für den zukünftigen Kehlkopfschrittmacher

Vortrag

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV32

doi: 10.3205/13dgpp71, urn:nbn:de:0183-13dgpp719

Veröffentlicht: 5. September 2013

© 2013 Ibrahim Nasr et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Seit seiner Erstbeschreibung durch Weddell et. al. 1944 hat das laryngeale EMG (LEMG) das Interesse vieler Ärzte als eine diagnostische Technik geweckt, aber bis heute die Erwartungen nicht erfüllt.

Die Schwierigkeit der Datenerhebung und -interpretation haben es aus der klinischen Praxis gedrängt.

Die Entwicklung des laryngealen Pacemakers (LP) als therapeutische Option für bilaterale Stimmlippenlähmung (BVFP) ließ das Thema wieder aufleben.

Der LP stimuliert die Nervenendigungen in dem gelähmten M. posticus. Das EMG muss vorher gemacht werden, um eine Muskel-Reinnervation für eine erfolgreiche Prognose zu bestätigen.

Zur Beurteilung des Verfahrens präsentieren wir eine Pilotstudie zum LEMG nach den Empfehlungen und dem Prüfungsprotokoll der europäischen laryngologischen Gesellschaft.

Material und Methoden: Patienten mit eingeschränkter Mobilität der Stimmlippen oder Patienten mit V.a. SLNP (superior laryngeal nerve paralysis) sind Kandidaten für das LEMG.

Das transkutane Vorgehen mit bipolaren konzentrischen oder monopolaren Nadeln wurde bei allen Patienten eingesetzt.

Wir verwenden ein dreikanaliges System, das die Aufnahme von EMG, Atemrhythmus und Stimme gleichzeitig ermöglicht.

Die intraoperative Stimulation wurde bei einigen Patienten gemacht, um die Reizschwelle für die Kontraktion des M. posticus zu ermitteln.

Ergebnisse: Die meisten Patienten haben eine synkinetische Reinnervation, SLNP wurde beobachtet, eine Aryfixation wurde intraoperativ bestätigt.

Die intraoperative Stimulation zeigte auch eine mögliche Kreuz-Reinnervation zwischen der rechten und linken Stimmlippe. Alternativ könnte es eine Fernwirkung des elektrischen Feldes sein.

Diskussion: Das LEMG dient der Diagnostik und Differenzierung von neurologischen Erkrankungen des Kehlkopfes.

Es ist derzeit auch eine der Voraussetzungen für die Kehlkopf-Stimulation.

Wir nehmen an einer multizentrischen Registrierung von LEMG und elektrischer Stimulation teil, um die Daten künftig besser interpretieren zu können.


Text

Einführung

Seit seiner Erstbeschreibung durch Weddell et. al. 1944 hat das laryngeale EMG (LEMG) das Interesse vieler Ärzte als eine diagnostische Technik geweckt. Bis heute hat das LEMG die Erwartungen nicht erfüllt. Die Schwierigkeit der Datenerhebung und -interpretation haben es aus der klinischen Praxis gedrängt. Die Entwicklung des laryngealen Pacemakers (LP) als therapeutische Option für bilaterale Stimmlippenlähmung (BVFP) ließ das Thema wieder aufleben.

Zur Beurteilung des Verfahrens präsentieren wir eine Pilotstudie zum LEMG nach den Empfehlungen und dem Prüfungsprotokoll der europäischen Gesellschaft [1]. Die LEMG-Ergebnisse werden mit anderen klinischen oder intraoperativen Befunden verglichen. Patienten mit eingeschränkter Mobilität der Stimmlippen oder Patienten mit V.a. SLNP (superior laryngeal nerve paralysis bzw. Lähmung des Nervus laryngeus superior) sind Kandidaten für das LEMG.

Der zukünftige Kehlkopfschrittmacher stimuliert die Nervenenden in den Muskeln, nicht die Muskelfasern direkt, so dass eine ausreichende Reinnervation vorhanden sein muss [2], was durch das EMG nachgewiesen werden kann. Das EMG kann auch zum Finden des Hotspots innerhalb des Zielmuskels beitragen. Außerdem ist die intra-operative Stimulation der Kehlkopfmuskeln insbesondere des PCA in dieser Phase notwendig, um die erforderlichen Daten für die besten Einstellungen für den Kehkopfschrittmacher zu sammeln.

Material und Methoden

Sechs Patienten im Alter von 34 bis 70 Jahren wurden untersucht. In der Anamnese wurden Stimmbeschwerden seit 4 bis 16 Monaten angegeben. Die Ätiologie war iatrogen und traumatisch (Strumektomie, Langzeitintubation/Tracheotomie nach Unfall, HWS-Operation).

Das transkutane Vorgehen mit bipolaren konzentrischen oder monopolaren Nadeln wurde bei allen Patienten eingesetzt. Wir verwenden ein dreikanaliges System, das die Aufnahme von EMG, Atemrhythmus und Stimme gleichzeitig ermöglicht. Die resultierenden Kurven werden auf der Festplatte gespeichert. Dann können sie später bewertet und kommentiert werden.

Bei 5 Patienten mit bilateraler Stimmlippenlähmung wurde eine intraoperative Stimulation mit dem Nicolet-Stimulator durchgeführt, um die Reinnervation zu bestätigen und die Reizschwelle für die Kontraktion des M. posticus zu ermitteln.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der videolaryngoskopischen Untersuchung und der mit dem EMG untersuchten Muskeln sind in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt.

Bei der intraoperativen Stimulation wurde bei 4 von 5 Patienten mit beidseitiger Stimmlippenlähmung eine Abduktion beobachtet.

Die optimale Stimulationsschwelle lag bei 4,5–5 mA. Eine Erhöhung der Amplitude auf 6–7 mA führte zu einer zusätzlichen Stimulation der Adduktoren.

In einem Fall blieb die PCA-Stimulation mit einer monopolaren Nadel-Elektrode ohne Erfolg. Bei der gleichen Patientin war die Stimulation mit dem Finder (einer bipolaren Elektrode) bei 3 mA erfolgreich.

Diskussion

Die Ergebnisse der Untersuchung, wie in Tabelle 1 [Tab. 1] dargestellt, lassen sich nicht zwanglos interpretieren, da zum Teil unerwartete Ergebnisse eintraten. Sie werden fallbezogen kommentiert.

Pat. 1: Nach dem EMG war eine Abduktionsbewegung zu erwarten, die nicht beobachtet wurde. Deshalb könnte zusätzlich eine Ankylose oder eine synkinetische Innervation weiterer Adduktoren vorliegen (M. cricoartenoideus lateralis, M. arytenoideus).

Pat. 2: Eine relevante paretische Beeinträchtigung der Rami externi des Nervus laryngeus superior beidseits kann ausgeschlossen werden. Das EMG des TA zeigte abnehmende Amplituden des Muskelaktionspotenzials, als Hinweis auf die Diagnose einer Vokalisatrophie

Pat. 3: Eine relevante Parese der Rami externi des Nervus laryngeus superior rechts kann bestätigt werden.

Pat. 4: Eine Teilaffektion kann nicht ausgeschlossen werden.

Pat. 5: Obwohl die Pathophysiologie noch unklar ist, vermuten wir, dass eine synkinetische Reinnervation oder paradoxe Aktivität ätiologisch zugrunde liegen kann.

Pat. 6: Das entspricht der Medianstellung der rechten Stimmlippe.

Wenn durch die elektrische Stimulation des M. cricoarytenoideus posterior eine Öffnungsbewegung auf derselben Seite ausgelöst werden kann, ist die Implantation eines LP sinnvoll. Diese einfache Probe ist jedoch nicht immer erfolgreich. Einige Fälle zeigten eine Kontraktion der Gegenseite. Das könnte eine Folge der Ausbreitung des elektrischen Feldes auf weiter entfernt liegende Nervenenden sein. Die Reaktion der Gegenseite weist aber auch auf die Möglichkeit einer direkten neuronalen Verbindung zwischen den beiden Stimmlippen über den M. arytenoideus hin [3]. Solange sich jedoch überhaupt eine Öffnungsbewegung auslösen lässt, ob auf der stimulierten oder kontralateralen Seite, sollte die Implantation aus heutiger Sicht versucht werden.


Literatur

1.
Volk GF, Hagen R, Pototschnig C, Friedrich G, Nawka T, Arens C, Mueller A, Foerster G, Finkensieper M, Lang-Roth R, Sittel C, Storck C, Grosheva M, Kotby MN, Klingner CM, Guntinas-Lichius O. Laryngeal electromyography: a proposal for guidelines of the European Laryngological Society. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2012 Oct;269(10):2227-45. DOI: 10.1007/s00405-012-2036-1 Externer Link
2.
Mueller AH. Laryngeal pacing for bilateral vocal fold immobility. Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg. 2011 Dec;19(6):439-43. DOI: 10.1097/MOO.0b013e32834cb7ba Externer Link
3.
Maranillo E, León X, Ibañez M, Orús C, Quer M, Sañudo JR. Variability of the nerve supply patterns of the human posterior cricoarytenoid muscle. Laryngoscope. 2003 Apr;113(4):602-6. DOI: 10.1097/00005537-200304000-00004 Externer Link