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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Echtzeit-MRT zur klinischen Diagnostik der Dysphagie

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Arno Olthoff - Phoniatrie und Pädaudiologie, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • author Shuo Zhang - Biomedizinische NMR Forschungs GmbH, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Universität Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • author Per-Ole Carstens - Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • author Jens Schmidt - Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • author Joachim Lotz - Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • author Jens Frahm - Biomedizinische NMR Forschungs GmbH, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Universität Göttingen, Göttingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV28

doi: 10.3205/13dgpp65, urn:nbn:de:0183-13dgpp650

Veröffentlicht: 5. September 2013

© 2013 Olthoff et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die besondere Eignung der dynamischen Echtzeit-Magnetresonanztomographie (Echtzeit-MRT) zur Abbildung des Schluckvorganges wurde in einer vorherigen Studie gezeigt [1], [2]. Die klinische Anwendung der Echtzeit-MRT sollte in dieser Studie bei Patienten mit Einschlusskörpermyositis geprüft werden. Bei dieser Erkrankung kommt es neben der Entzündung und Degeneration im Skelettmuskel in der Mehrzahl der Fälle auch zu einer klinisch sehr relevanten Beeinträchtigung des Schluckens.

Material und Methoden: Die MRT-Untersuchung erfolgte im Liegen in einem 3 Tesla-MRT („TIM Trio“, Siemens Healthcare AG, Erlangen). Zudem fanden eine flexibel endoskopische Evaluation des Schluckvorganges (FEES) sowie ein Röntgenbreischluck im Sitzen statt. Die Bildfrequenz der Echtzeit-MRT betrug 24,3 Bilder, die der FEES 25 Bilder und die des radiologischen Breischluckes 8 Bilder pro Sekunde. Die Evaluation der Symptomatik erfolgte bei allen Patienten (n=10) anhand eines standardisierten Fragebogens zur Dysphagie (SWAL-QoL). Parallel dazu wurde die Kraft aller großen Muskelgruppen getestet und wichtige klinisch-neurologische Funktionen wurden mit Hilfe eines speziellen Scores (IBM-functional rating scale) beurteilt.

Ergebnisse: Das Schlucken im Magnetresonanztomographen tolerierten alle Patienten gut. Bei den dysphagischen Patienten konnte eine funktionelle muskuläre Schwelle auf Höhe des Musculus cricopharyngeus sowohl im radiologischen Breischluck als auch in der MRT dargestellt werden. Die Analyse verlängerter Transportzeiten gelang in der MRT.

Diskussion: Die Echtzeit-MRT ist zur differenzierten Abbildung des strukturellen und zeitlichen Ablaufs des Schluckvorganges auch bei dysphagischen Patienten sehr geeignet. Die liegende Körperposition im Tomographen wirkte sich hierbei nicht störend aus. Eine Röntgenbelastung könnte zukünftig durch MRT-Untersuchungen vermieden werden.


Text

Einleitung

Bei einer Vielzahl von neurologischen Erkrankungen stellen Dysphagien schwerwiegende Störungsbilder dar. Bedrohliche Situationen entstehen im Falle von Aspirationspneumonien. In solchen Fällen ist die orale Ernährung zumindest zeitweise durch eine parenterale oder günstiger durch eine sondengestützte Ernährung zu ersetzen.

Die Videofluoroskopie (VF) und die flexibel endoskopische Evaluation des Schluckvorganges (FEES) sind die Standardverfahren in der Dysphagiediagnostik.

Die Verwendung der Echtzeit-MRT zur Abbildung des Schluckvorganges konnte an gesunden Probanden demonstriert werden [1], [2]. In der hier vorgestellten Studie fand erstmals die klinische Anwendung bei neurologisch erkrankten Patienten mit einer Einschlusskörpermyositis statt. Ein Vergleich zu den etablierten Verfahren (VF und FEES) sollte den klinischen Nutzen der MRT ermöglichen.

Patienten und Methoden

Bei den Patienten lag eine gesicherte Einschlusskörpermyositis (IBM) vor.

Alle Patienten füllten den Fragebogen (SWAL-QoL) zur auf die Dysphagie bezogenen Lebensqualität aus. Ein Wert von „100“ wies fehlende und ein Wert von „20“ schwerste Beeinträchtigungen aus.

Die funktionellen neurologischen Einschränkungen im täglichen Leben wurden mit Hilfe der „IBM functional rating scale“ (IBM-FRC) und die aktuelle Muskelkraft im Bewegungsapparat mit dem „Medical Research Council Sum Score“ (MRS-SUM-SCORE) erhoben. Beim IBM-FRC lag bei einem Wert ab „40“ eine Selbständigkeit und bei einem Wert von „0“ eine völlige Unselbständigkeit im täglichen Leben vor. Beim MRS-SUM-SCORE entsprach ein Wert von „5“ einer normalen Muskelkraft und ein Wert von „0“ einer fehlenden Muskelkontraktion.

Bei allen Patienten wurden eine FEES, eine VF sowie eine Echtzeit-MRT durchgeführt. Zur MRT-Untersuchung lagen die Patienten in einem 3 Tesla-MRT („TIM Trio“, Siemens Healthcare AG, Erlangen) [1], [2]. Als Kontrastmittel diente in der MRT Ananassaft und in der VF Gastrografin®. Die FEES und ein Röntgenbreischluck fanden im Sitzen statt. Für das Echtzeit-MRT betrug die Bildfrequenz 24,3 Bilder, für die FEES 25 Bilder und für den radiologischen Breischluckes 8 Bilder pro Sekunde.

Die Bewertungskriterien bezogen sich auf die „Orale Boluskontrolle“, den „Bolustransport“, den „Velopharyngealen Abschluss“ sowie auf „Retentionen“, „Penetration“ und „Aspiration“.

Ergebnisse

Es konnten 11 Patienten in die Studie einbezogen werden. Hiervon waren 8 Männer und drei Frauen. Das mittlere Alter lag bei 71 Jahren. Der jüngste Patient war 57 und der älteste Patient 83 Jahre alt.

Im SWAL-QoL lag der mittlere Wert für Beeinträchtigungen beim Schlucken bei 68.

Der höchste Wert lag bei 100 und der niedrigste bei 40. Diese Werte korrelierten nicht mit der allgemeinen Selbständigkeit im Alltag (IBM-FRC: 80-[110]-136) jedoch mit der allgemeinen Muskelkraft (MRS-SUM-SCORE: 11-[23]-37).

Die Auswertungen der Filmaufnahmen für die FEES, die VF und für das Echtzeit-MRT korrelierten mit den Angaben im SWAL-QoL. Die funktionelle Ursache einer muskulären Dysfunktion im Bereich des M. cricopharyngeus konnte nur in der VF und in der Echtzeit-MRT nachgewiesen werden (Abbildung 1 [Abb. 1]). Eine Messung der zeitlichen Abläufe des Schluckvorganges war aufgrund der zeitlichen Auflösung nur in der Echtzeit-MRT möglich. Die Transportzeiten zeigten sich im Vergleich zu einem Normalkollektiv verlängert (Abbildung 2 [Abb. 2]) [2]. Die verbesserte Darstellung anatomischer Strukturen im Echtzeit-MRT erwies sich hierbei als methodischer Gewinn gegenüber der VF.

Diskussion

Die Echtzeit-MRT eignet sich sehr zur Abbildung des Schluckvorganges. Bei Dysphagien ermöglicht sie das Erkennen der ursächlichen Pathophysiologie. Belastungen durch Röntgenstrahlung können vermieden werden. Die Untersuchungssituation im Liegen erwies sich nicht als nachteilig. Der klinische Nutzen bei anderen Störungsbildern wird derzeit in Studien geprüft.


Literatur

1.
Zhang S, Uecker M, Voit D, Merboldt KD, Frahm J. Real-time cardiovascular magnetic resonance at high temporal resolution: Radial FLASH with nonlinear inverse reconstruction. J Cardiovasc Magn Reson. 2010;12:39. DOI: 10.1186/1532-429X-12-39 Externer Link
2.
Zhang S, Olthoff A, Frahm J. Real-time magnetic resonance imaging of normal swallowing. J Magn Reson Imaging. 2012;35(6):1372-9. DOI: 10.1002/jmri.23591