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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Zusammenhang zwischen auditiv bestimmtem Heiserkeitsgrad und automatisch bestimmter mittlerer Sprechstimmlage beim Vorlesen des Textes „Nordwind und Sonne“

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Anne Lorenz - Klinik für HNO-Krankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • author Ute Gonnermann - Klinik für HNO-Krankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • author Ruth Evans - Klinik für HNO-Krankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • Ahmed Ibrahim Nasr - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Sabine Kramer - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Alexios Martin - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • Anya Reinhardt - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • author Tadeus Nawka - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV21

doi: 10.3205/13dgpp52, urn:nbn:de:0183-13dgpp527

Veröffentlicht: 5. September 2013

© 2013 Lorenz et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: In der multidimensionalen Stimmdiagnostik ergänzen sich objektive und subjektive Untersuchungsmethoden. Die automatische Bestimmung der mittleren Sprechstimmlage (MSL) kann aus Textaufnahmen problemlos ermittelt werden. Bei präziser Bestimmung der Grundfrequenz ist das arithmetische Mittel ein guter Indikator für die MSL. Bei heiseren Stimmen stellte sich der Medianwert aller Momentanfrequenzen zur MSL-Bestimmung als geeignet heraus [4]. Für die auditive Beurteilung des Stimmklanges gilt das RBH-System als Goldstandard [3]. Die Hypothese war, dass Heiserkeitsgrad und MSL zusammenhängen.

Material und Methoden: Es wurden die Tonaufnahmen des Textes „Der Nordwind und die Sonne“ von 109 aufeinanderfolgenden Patienten eingeschlossen. Davon waren 69 Frauen (17–79, Median 46 Jahre) und 40 Männer (12–80, Median 52 Jahre). Die automatische Bestimmung der MSL erfolgte mittels DiVAS und Praat. Neun Beurteiler nahmen die auditive Bewertung mittels RBH-System vor.

Mittels Kovarianzanalyse (ANCOVA) wurde der Zusammenhang zwischen auditivem Heiserkeitsgrad und objektiv bestimmter MSL geprüft. Das Alter war Kovariate. Die Analyse wurde geschlechtsspezifisch durchgeführt.

Ergebnisse: Es zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Heiserkeitsgrad und automatisch bestimmter MSL. Bei Männern bestand die Tendenz, dass die MSL mit zunehmender Heiserkeit höher war. Erwartungsgemäß war die MSL der Frauen bei allen Heiserkeitsgraden höher als die MSL der Männer.

Diskussion: Da kein Zusammenhang zwischen Stimmklang und MSL besteht, ist folgend zu prüfen, ob die MSL von der zugrunde liegenden Erkrankung beeinflusst wird. Die Vermutung, dass durch Versteifung der Stimmlippen bei gut- und bösartigen Tumoren die MSL steigt, wurde nur bei Männerstimmen ansatzweise bestätigt. Bei den Frauenstimmen führen pathologische Veränderungen mit leichter Heiserkeit zu einer tieferen MSL, bei stärkerer Heiserkeit zu keiner Veränderung der MSL im Vergleich zu den nicht heiseren Stimmen.


Text

Hintergrund

In der multidimensionalen Stimmdiagnostik ergänzen sich objektive und subjektive Untersuchungsmethoden. Die durchschnittliche Tonhöhe einer Äußerung wird als mittlere Sprechstimmlage (MSL) bezeichnet. Die Bestimmung kann auditiv oder apparativ ermittelt werden. Günstig ist die Erhebung aus fortlaufender Sprache. Phonologisch ausgewogene und inhaltlich affektiv-neutrale Texte haben sich zur Bestimmung der MSL bewährt [1]. Das in der Praxis ebenfalls vielfach angewandte Reihensprechen, beispielsweise von Zahlen oder Wochentagen, hat sich als weniger geeignet erwiesen [2]. Die automatische Bestimmung der MSL kann aus Textaufnahmen problemlos ermittelt werden. Bei präziser Bestimmung der Grundfrequenz ist das arithmetische Mittel ein guter Indikator für die MSL. Bei heiseren Stimmen stellte sich der Medianwert aller Momentanfrequenzen zur Bestimmung der MSL als geeignet heraus [4]. Für die auditive Beurteilung des Stimmklanges gilt das RBH-System als Goldstandard [3]. Die Hypothese war, dass der perzeptiv ermittelte Heiserkeitsgrad und die automatisch bestimmte mittlere Sprechstimmlage zusammenhängen.

Material und Methoden

In die Untersuchung wurden die Tonaufnahmen des Textes „Der Nordwind und die Sonne“ von 109 aufeinanderfolgenden Patienten eingeschlossen. Die Patientengruppe bestand aus 69 Frauen (17–79 Jahre, Median 46 Jahre) und 40 Männern (12–80 Jahre, Median 52 Jahre). Die Patienten wurden sechs Diagnosegruppen zugeteilt: Normalstimmen, funktionelle Dysphonien, Entzündungen, subepitheliale Läsionen, neurogene Dysphonien und maligne Tumore. Die automatische Bestimmung der MSL erfolgte durch die Anwendung der Programme DiVAS und Praat. DiVAS erfasste die Medianwerte aller Momentanfrequenzen und Praat das arithmetische Mittel der Grundfrequenz. Neun Beurteiler nahmen die auditive Bewertung der Tonaufnahmen mit dem RBH-System vor.

Durch eine Kovarianzanalyse (ANCOVA) wurde der Zusammenhang zwischen dem auditiven Heiserkeitsgrad und der objektiv bestimmten MSL geprüft. Die interessierende Variable war der Heiserkeitsgrad und die abhängige Variable der Median bzw. das arithmetische Mittel der automatisch bestimmten MSL. Die Gruppe der Patienten mit hochgradiger Heiserkeit (H3) wurde aufgrund zu geringer Beobachtungen mit der Gruppe der Patienten mit mittelgradiger Heiserkeit (H2) zusammengefasst. Das Alter war Kovariate. Patienten mit Reinke-Ödemen wurden von der Untersuchung ausgeschlossen. Die Analyse wurde geschlechtsspezifisch durchgeführt.

Ergebnisse

Es zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Heiserkeitsgrad und der automatisch bestimmten MSL. Bei Männern bestand die Tendenz, dass die MSL mit zunehmender Heiserkeit höher war. Erwartungsgemäß war die MSL der Frauen bei allen Heiserkeitsgraden höher als die MSL der Männer (Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2]).

Diskussion

Da kein Zusammenhang zwischen dem Stimmklang und der MSL besteht, ist folgend zu prüfen, ob die MSL von der zugrunde liegenden Erkrankung beeinflusst wird. Die Vermutung, dass durch Versteifung der Stimmlippen bei gut- und bösartigen Tumoren die MSL steigt, wurde nur bei Männerstimmen ansatzweise bestätigt. Bei den Frauenstimmen führen pathologische Veränderungen (unter Ausschluss von Reinke-Ödemen) zu keiner relevanten Veränderung der MSL im Vergleich zu den nicht heiseren Stimmen.

In der vorliegenden Untersuchung muss die geringe Stichprobengröße und die unterrepräsentierte Gruppe von Patienten mit hochgradig heiseren Stimmen kritisch gesehen werden. Sinnvoll erscheint es, in weiteren Untersuchungen mit größeren Fallzahlen zu prüfen, inwieweit die hier festgestellte Tendenz, dass mit zunehmender Heiserkeit die mittlere Sprechstimmlage bei Männern ansteigt, Bestätigung findet. Außerdem ist zu prüfen, ob sich ein Zusammenhang zwischen Heiserkeitsgrad und MSL für die Gruppe der Frauen nachweisen lässt.


Literatur

1.
Anders LC. Perzeptive Beurteilung der Stimme. In: Seidner W, Nawka T, Hrsg. Handreichungen zur Stimmdiagnostik. Berlin: Xion; 2012. S. 29ff.
2.
Barties B. Einfluss verschiedener Methoden zur Bestimmung der mittleren Sprechstimmlage. HNO. 2013;61:609-16. DOI: 10.1007/s00106-012-2665-0 Externer Link
3.
Nawka T, Anders LC, Wendler. Die auditive Beurteilung heiserer Stimmen nach dem RBH-System. Sprache Stimme Gehr. 1994;18:130-3.
4.
Nawka T, Belogradski D, Caffier P, Gross M, Martin A, Reinhardt A, Anders LC. Automatische Bestimmung der mittleren Sprechstimmlage beim Vorlesen des Textes „Nordwind und Sonne“. In: Aktuelle phoniatrisch-pdaudiologische Aspekte 2011 (ISBN: 9783-00-032642-4). 2011. S. 19. Verfügbar unter: http://www.egms.de/static/en/meetings/dgpp2011/11dgpp35.shtml Externer Link