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30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

20.09. - 22.09.2013, Bochum

Die verbale Entwicklungsdyspraxie anhand eines Fallbeispiels

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 30. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bochum, 20.-22.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocP5

doi: 10.3205/13dgpp20, urn:nbn:de:0183-13dgpp204

Veröffentlicht: 5. September 2013

© 2013 Nazari Azari et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die verbale Entwicklungsdyspraxie (VED, buccofaciale oder glossolabiale Apraxie, engl. childhood apraxia of speech, CAS) ist eine Entwicklungsstörung kindlichen Sprechens unklarer Genese mit defizitärer Aussprache bei gestörter Sprechbewegungsplanung und -programmierung, woraus das Unvermögen resultiert, für eine geplante Äußerung die Artikulationsorgane willkürlich und kontrolliert einzusetzen. Die VED beeinträchtigt das sich entwickelnde Sprachsystem insbesondere bezüglich Wortschatz und grammatischer Kompetenz bei ungestörtem Sprachverständnis.

Material und Methoden: Demonstration einer VED anhand des Fallbeispiels eines 10;11 jährigen Jungen einschließlich Hör-, Sprach- und Intelligenzdiagnostik.

Ergebnisse: Bei unauffälligem peripheren Hörvermögen und altersgerechter kognitiver Entwicklung, zeigten sich deutliche Auffälligkeiten im Bereich der Artikulation und des expressiven Sprachbefundes bei nahezu altersgerechtem Sprachverständnis.

Diskussion: Der Verdacht auf eine VED entsteht häufig erst aufgrund mangelnder oder minimaler Fortschritte trotz langer Sprachtherapie. Bisher liegen weder genaue Einschlusskriterien zur Diagnosestellung einer VED noch zur Therapieeffektivität vor.

Einer Cochrane-Analyse zufolge bescheinigt die Studienlage bislang keiner Therapieform eine ausreichende Effektivität [2]. Mundmotorische Übungen scheinen nicht zielführend zu sein. Die Behandlung der VED muss auf die speziellen Belange einer sprechdyspraktischen Störung ausgerichtet werden.


Text

Hintergrund

Die verbale Entwicklungsdyspraxie (VED, buccofaciale oder glossolabiale Apraxie, engl. childhood apraxia of speech, CAS) ist eine Entwicklungsstörung kindlichen Sprechens unklarer Genese mit defizitärer Aussprache bei gestörter Sprechbewegungsplanung und -programmierung, woraus das Unvermögen resultiert, für eine geplante Äußerung die Artikulationsorgane willkürlich und kontrolliert einzusetzen.

Kennzeichnend ist die kaum verständliche Sprache [1]. Dabei ist die Variabilität der Lautbildungsfehler groß, ein systematisches Lautfehlbildungsprofil ist nicht erkennbar. Besonders problematisch ist die sequentielle Anordnung von Lauten und die erforderliche Bewegungsgeschwindigkeit. Dieser Zustand ist inkonstant, sodass korrekte Bewegungen möglich sind. Symptomatisch für die verbale Entwicklungsdyspraxie sind u.a. auffallend gering ausgeprägte Lallphasen, fehlende verbale Nachahmung und ein auffallend später Sprechbeginn, evtl. mit „Verlust“ bereits beherrschter Wörter. Die phonologische Bewusstheit zeigt meist Defizite auf. Sog. motorische Meilensteine werden erst verzögert erreicht, häufig liegen grob- und feinmotorische Einschränkungen vor. Suchende Artikulationsbewegungen sowie Defizite in der oralen Wahrnehmung treten vermehrt auf. Besonders die Lautbildung ist auffällig, Konsonanten werden kaum gebildet. Eine steigende Fehlerfrequenz bei zunehmender Länge und Lautkomplexität ist häufig zu beobachten.

Die VED beeinträchtigt das gesamte sich entwickelnde Sprachsystem insbesondere bezüglich Wortschatz und grammatischer Kompetenz bei ungestörtem Sprachverständnis [3].

Material und Methoden

Es wurde eine eingehende pädaudiologische Diagnostik mittels Hörprüfung (Tonaudiogramm, Göttinger Kindersprachverständnistest 2, Sprachdiskrimination aus dem Störgeräusch, Dichotischer Hörversuch (Feldmann), Tympanogramm) eine Sprachdiagnostik unter Anwendung des PLAKKS (Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen), AWST-R (Aktiver Wortschatztest für 3- bis 5-jährige Kinder – Revision), HSET (Heidelberger Sprachentwicklungstest) und eine Überprüfung der allgemeinen Entwicklung mit dem CFT 20 R (Culture Flair Intelligence für 8–18-Jährige) durchgeführt.

Ergebnisse

Bei unauffälligem peripheren Hörvermögen und altersgerechter kognitiver Entwicklung, zeigten sich deutliche Auffälligkeiten im Bereich der Artikulation mit schwerer phonetisch-phonologischer Störung und des expressiven Sprachbefundes bei nahezu altersgerechtem Sprachverständnis.

Die phonematische Diskrimination war eingeschränkt (getestet mit Werscherbergertest und Reimen). Auch die auditive Gedächtnisspanne/auditive Sequenzierung, Phonemidentifikation, Phonemdifferenzierung (getestet mit Mottier-Test) war deutlich reduziert.

Demonstration einer VED anhand des Fallbeispiels eines 10;11-jährigen Jungen.

Diskussion

Die VED stellt eine große Herausforderung bezüglich Diagnostik und Therapie dar. Eine umfassende Anamnese und Diagnostik, die alle sprachlichen, motorischen und psychologischen Ebenen berücksichtigt bildet die Grundlage. Zum Ausschluss anderer Ursachen ist darüber hinaus eine interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig.

Der Verdacht auf eine VED entsteht häufig erst aufgrund mangelnder oder minimaler Fortschritte trotz langer Sprachtherapie. Bisher liegen weder genaue Einschlusskriterien zur Diagnosestellung einer VED noch zur Therapieeffektivität vor.

Einer Cochrane-Analyse (2008) zufolge bescheinigt die Studienlage bislang keiner Therapieform eine ausreichende Effektivität [2]. Mundmotorische Übungen scheinen nicht zielführend zu sein. Die Behandlung der VED muss auf die speziellen Belange einer sprechdyspraktischen Störung ausgerichtet werden.


Literatur

1.
Dannenbauer FM. Verbale Entwicklungsdyspraxie (VED) – eine noch wenig verstandene Entwicklungsstörung kindlichen Sprechens. Verfügbar unter: http://web.archive.org/web/20050905002536/http://www.zbl.ch/pdf/Dannenbauer_Referat.pdf Externer Link
2.
Morgan AT, Vogel AP. Intervention for childhood apraxia of speech. Cochrane Database Syst Rev. 2008;(3):CD006278. DOI: 10.1002/14651858.CD006278.pub2 Externer Link
3.
Schulte-Mäter A. Verbale Entwicklungsdyspraxie. In: Grohnfeldt M, Hrsg. Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie. Band 2, Erscheinungsformen und Störungsbilder. Stuttgart: Kohlhammer; 2001. S. 254-61.