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29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

21.09. - 23.09.2012, Bonn

Next-generation Sequencing in der Diagnostik der genetischen Schwerhörigkeit

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Anke Tropitzsch - Universitäts-HNO-Klinik, Bereich Stimm- Sprach und kindliche Hörstörung, Tübingen, Deutschland
  • author Natascha Friese - Universitäts-HNO-Klinik, Bereich Stimm- Sprach und kindliche Hörstörung, Tübingen, Deutschland
  • author Liliane Michels - Universitäts-HNO-Klinik, Bereich Stimm- Sprach und kindliche Hörstörung, Tübingen, Deutschland
  • Saskia Biskup - Praxis für Humangenetik; CeGaT GmbH, Tübingen, Deutschland
  • author Hubert Löwenheim - Universitäts-HNO-Klinik, Tübingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bonn, 21.-23.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12dgppV13

doi: 10.3205/12dgpp22, urn:nbn:de:0183-12dgpp228

Veröffentlicht: 6. September 2012

© 2012 Tropitzsch et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die phänotypische und genetische Heterogenität nicht-syndromaler Schwerhörigkeit haben die genetische Diagnostik betroffener Patienten bisher erschwert. Neue Methoden der Hochdurchsatzsequenzierung (next generation sequencing, NGS) erlauben es jedoch alle für Schwerhörigkeit bekannten Gene parallel und umfassend zu untersuchen. Dies kann entweder mittels eines krankheitsbezogenen Panels für Schwerhörigkeit (Paneldiagnostik) oder der Sequenzierung des gesamten Exoms („whole exome sequencing“) erfolgen.

Material und Methoden: Bei 80 Patienten mit hochgradiger Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit erfolgte mit Hilfe eines „costom design“ Agilent Anreicherungskit die Anreicherung und Seqenzierung auf ein Panel von 93 bekannten Schwerhörigkeitsgenen. Die Hochdurchsatzsequenzierung erfolgte auf dem SOLiD 5500xl System. Gefundene Varianten wurden anschließend mittels Sanger Sequenzierung validiert, um das Ergebnis durch eine unabhängige, etablierte Methode zu sichern. Darüber hinaus erfolgte in Indexpatienten mittels Agilent In Solution Anreicherung eine „Whole Exome“ Sequenzierung. Auch hier wurden Varianten mit Sanger Sequenzierung validiert.

Ergebnisse: Auf Basis der „Panel-Sequenzierung“ konnten einzelne Basenaustausche und Deletionen in bekannten Genen für genetische Schwerhörigkeit identifiziert und anschließend durch Sanger-Sequenzierung bestätigt werden. Die „whole exome“ Sequenzierung steht in ungeklärten Fällen mit negativem Ergebnis als weitere Methode zur Verfügung. Hier können neue, Schwerhörigkeit verursachende Gene identifiziert werden.

Diskussion: Die simultane Hochdurchsatzsequenzierung in Form eines „Hörpanels“ für alle bekannten Schwerhörigkeitsgene erlaubt eine umfassende genetische Diagnostik. Der Einsatz exomweiter Sequenzierung ermöglicht darüber hinaus auch die Detektionen von Mutationen in bisher nicht bekannten Genen für Schwerhörigkeit.


Text

Einleitung und Hintergrund

Schwerhörigkeit ist die häufigste sensorische Erkrankung mit einer Inzidenz von bis zu 1 in 250 Geburten. Bei über der Hälfte der betroffenen Kinder liegt eine genetische Ursache für die Schwerhörigkeit vor. Mit der nicht-syndromalen Schwerhörigkeit werden etwa 100 Gene in Verbindung gebracht, weitere mit syndromaler Schwerhörigkeit. Für die zahlreichen mit Schwerhörigkeit assoziierten Gene sind klinisch-genetisch Tests mit klassischen Methoden nur zum Teil verfügbar. Darüber hinaus haben die außerordentliche phänotypische und genetische Heterogenität nicht-syndromaler Schwerhörigkeit die genetische Diagnostik betroffener Patienten bisher erschwert.

Es wird daher nach Ansätzen gesucht, um die genetische Diagnostik durch umfassende Verfahren zu erleichtern. Eines dieser Verfahren ist der OtoChipTM, mit dem es möglich ist 19 Gene parallel zu analysieren [1], [2]. Eine Erweiterung auf die Analyse von 66 Genen wurde mit dem Verfahren OTOSCOPE® unter Verwendung einer massiven parallelen DNA-Sequenzierung und anschließender Analyse der Daten erreicht. Neue mögliche ursächliche Varianten können hier ebenfalls detektiert werden. Eine Bestätigung der Befunde aller möglichen Varianten erfolgt mittels der traditionellen Sanger-Sequenzierung [3], [4]. Im hier vorgestellten Verfahren werden neue Methoden der Hochdurchsatzsequenzierung (next generation sequencing, NGS) für die Analyse von 93 für Schwerhörigkeit bekannte Gene parallel und umfassend untersucht. Dies erfolgt mittels eines krankheitsbezogenen Panels für Schwerhörigkeit (Paneldiagnostik) und in ungelösten Fällen mittels der Sequenzierung des gesamten Exoms („whole exome sequencing“).

Material und Methode

Bei 80 Patienten mit hochgradiger Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit erfolgte mit Hilfe eines „custom design“ Agilent Anreicherungskit die Anreicherung und Seqenzierung auf ein Panel von 93 bekannten Schwerhörigkeitsgenen. Die Hochdurchsatzsequenzierung erfolgte auf dem SOLiD 5500xl System. Gefundene Varianten wurden anschließend mittels Sanger Sequenzierung validiert, um das Ergebnis durch eine unabhängige, etablierte Methode abzusichern. Darüber hinaus erfolgte in Indexpatienten mittels Agilent In Solution Anreicherung eine „Whole Exome“ Sequenzierung. Auch hier wurden Varianten mit Sanger Sequenzierung validiert.

Ergebnisse

Auf Basis der „Panel-Sequenzierung“ konnten einzelne Basenaustausche und Deletionen in bekannten Genen für genetische Schwerhörigkeit identifiziert und anschließend durch Sanger-Sequenzierung bestätigt werden. Die „whole exome“ Sequenzierung steht in ungeklärten Fällen mit negativem Ergebnis als weitere Methode zur Verfügung. Hier können neue, Schwerhörigkeit verursachende Gene identifiziert werden.

Diskussion

Die möglichst eindeutige ätiologische Aufklärung eines Hörverlusts auf genetischer Grundlage ist wesentlich für die weitere Beratung und Behandlung der Patienten. Die ätiologische Aufklärung kann bei der Beratung bezüglich der Prognose unterstützen, die Wahl der bestmöglichen Intervention (z.B. Cochlea-Implantat) erleichtern und die genetische Risikoberatung ermöglichen. Darüber hinaus können einerseits Syndrome ausgeschlossen werden, andererseits das Vorliegen eines Syndroms angezeigt werden, gerade wenn andere klinische Syndrom-Zeichen sich noch nicht manifestiert haben (z.B. Usher-Syndrom). Die simultane Hochdurchsatzsequenzierung in Form eines „Hörpanels“ für alle bekannten Schwerhörigkeitsgene erlaubt eine umfassende genetische Diagnostik aller bekannten Gene für Schwerhörigkeit und kann bei Bekanntwerden neuer Schwerhörigkeitsgene entsprechend ergänzt werden. In ungelösten Fällen erlaubt der Einsatz exomweiter Sequenzierung darüber hinaus auch die Detektionen von Mutationen in bisher nicht bekannten Genen für Schwerhörigkeit.

Fazit

Der methodische Fortschritt im Bereich der „Next-Generation-Sequencing“ erlaubt die gleichzeitige Analyse aller Schwerhörigkeitsgene. Im Gegensatz zur traditionellen Analyse einzelner Gene steht damit der klinischen Diagnostik ein umfassendes Verfahren zur Verfügung, dass die ätiologische Aufklärung eines Hörverlust wesentlich befördern wird.


Literatur

1.
Kothiyal P, Cox S, Ebert J, Husami A, Kenna MA, Greinwald JH, Aronow BJ, Rehm HL. High-throughput detection of mutations responsible for childhood hearing loss using resequencing microarrays. BMC Biotechnol. 2010;10:10.
2.
Teekakirikul P, Cox S, Funke B, Rehm HL. Targeted sequencing using Affymetrix CustomSeq Arrays. Curr Protoc Hum Genet. 2011; Chapter 7: Unit 7.
3.
Shearer A, DeLuca A, Hildebrand M, Taylor K, Gurrola II J, Scherer S, Scheetz T, Smith R. Comprehensive genetic testing for hereditary hearing loss using massively parallel sequencing. Proc Natl Acad Sci U S A. 2010;107(49):21104-9. DOI: 10.1073/pnas.1012989107 Externer Link
4.
Lin X, Tang W, Ahmad S, Lu J, Colby C, Zhu J, Yu Q: Applications of targeted gene capture and next-generation sequencing technologies in studies of human deafness and other genetic disabilities. Hearing Research. 2012 Jun;288(1-2):67-76. DOI: 10.1016/j.heares.2012.01.004 Externer Link