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28. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
2. Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie; Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie

09.09. - 11.09.2011, Zürich, Schweiz

Funktionelle Ergebnisse bei Augmentation von vernarbten Strukturen des Larynx mit Radiesse

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Philipp P. Caffier - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • author Anya Reinhardt - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • author Alexios Martin - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • author Manfred Gross - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland
  • author Tadeus Nawka - Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 28. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), 2. Dreiländertagung D-A-CH. Zürich, 09.-11.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dgppV22

doi: 10.3205/11dgpp31, urn:nbn:de:0183-11dgpp311

Veröffentlicht: 18. August 2011

© 2011 Caffier et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Radiesse® Voice ist ein von der FDA zugelassener und CE-zertifizierter injizierbarer Gewebefüller, der seit einigen Jahren eine etablierte Option zur Augmentation bei einseitiger Stimmlippenlähmung darstellt. Der Vorteil dieser minimal-invasiven Behandlung mit Kalzium-Hydroxylapatit-Mikrosphären soll darin bestehen, dass der Körper zur Bildung von neuem Kollagen angeregt wird, was zu einem längeren Anhalten der Korrektur und einer erhöhten Patientenzufriedenheit führt.

Material und Methoden: In einer prospektiven klinischen Pilotstudie wurde die Wirksamkeit von Radiesse® Voice bei 10 Patienten mit schwerwiegenden Vernarbungen der Glottis oder Supraglottis untersucht, die durch andere phonochirurgische Methoden (z.B. Stimmlippenchirurgie bei Vernarbungen, Laryngoplastiken bei Substanzdefekten und Lähmungen) ohne ausreichenden Erfolg vorbehandelt waren. Zur Verbesserung der Schlussinsuffizienzen erfolgten die Injektionen in die jeweiligen Läsionen transoral mikrolaryngoskopisch in Vollnarkose entsprechend den Herstellerangaben. Die Behandlungsergebnisse wurden anhand prä- und postoperativer Laryngovideostroboskopie, intraoperativer Aufnahmen, sowie mittels prä- und postoperativer Stimmfunktionsdiagnostik dokumentiert.

Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen keine ausreichende Augmentation im Vergleich zum präoperativen Befund. Die Stimmfunktion besserte sich demgemäß auch nicht. Schluckbeschwerden traten nicht auf. Innerhalb des Beobachtungszeitraumes wurden bis auf eine vernachlässigbare lokale Schwellung und Rötung keine relevanten Nebenwirkungen beobachtet.

Diskussion: Die lokale Applikation von Radiesse® Voice bei schwerwiegenden Vernarbungen der Glottis oder Supraglottis ist keine sicher zufriedenstellende Option zum Ausgleich einer Schlussinsuffizienz und damit zur Stimmverbesserung.


Text

Hintergrund

Radiesse® Voice ist ein von der FDA zugelassener und CE-zertifizierter injizierbarer Gewebefüller, der seit einigen Jahren eine etablierte Option zur Augmentation bei einseitiger Stimmlippenlähmung darstellt [1]. Der Vorteil dieser minimal-invasiven Behandlung mit Kalzium-Hydroxylapatit-Mikrosphären soll darin bestehen, dass der Körper zur Bildung von neuem Kollagen angeregt wird, was zu einem längeren Anhalten der Korrektur und einer erhöhten Patientenzufriedenheit führt [2]. Ziel unserer Untersuchung war die Beurteilung der Frage, inwieweit Radiesse® Voice erfolgreich bei schwer zu therapierenden Schlussinsuffizienzen der Glottis oder Supraglottis eingesetzt werden kann, wenn sich durch Vorbehandlungen mittels anderer phonochirurgischer Maßnahmen keine ausreichende Stimmverbesserung erzielen lässt.

Material und Methoden

In einer prospektiven klinischen Pilotstudie wurde die Wirksamkeit von Radiesse® Voice bei insgesamt 10 Patienten (6 Männer, 4 Frauen; Alter 56±16 Jahre [Mittelwert ± Standardabweichung]) mit unzureichend vortherapierten Schlussinsuffizienzen untersucht: nach Stimmlippenchirurgie bei Vernarbungen (n=4), nach Laryngoplastiken bei post-tumorchirurgischen Substanzdefekten (n=2), sowie nach Laryngoplastiken bei Stimmlippenparesen (n=4).

Die Injektionen in die jeweiligen Läsionen erfolgten transoral mikrolaryngoskopisch in Vollnarkose, entsprechend den Herstellerangaben mit ca. 10–15% Überkorrektur bzw. der maximalen Menge von 1 ml bei größeren Defekten. Radiesse® Voice wurde je nach Morphologie der Läsion auf verschiedenen Ebenen appliziert: auf Taschenfaltenebene, im Arytenoidbereich und auf Stimmlippenebene. Die Größe der Schlussinsuffizienzen betrug maximal 1,5 mm. Durch die Augmentation sollte das Gewebe aufgefüllt und damit ein Schluss von potenziell vibrierenden Strukturen erzielt werden.

Die Datenerfassung erfolgte prä-, intra- und posttherapeutisch. Die Befunde und Behandlungsergebnisse wurden anhand prä- und postoperativer Laryngovideostroboskopie, intraoperativer Aufnahmen, sowie mittels prä- und postoperativer Stimmfunktionsdiagnostik dokumentiert und ausgewertet. Untersuchungsinstrumente waren objektive und subjektive Verfahren (auditiv-perzeptive Stimmbeurteilung mittels RBH-Systematik, Stimmumfangsmessung, akustisch-aerodynamische Analyse, Selbsteinschätzung der Stimme mittels Voice Handicap Index VHI-9i).

Die statistische Bewertung der therapeutischen Wirksamkeit erfolgte durch Vergleich der prä- und postoperativen Daten: deskriptiv, mittels Wilcoxon’s Vorzeichenrangtest für verbundene Stichproben, sowie mittels Spearman’s Rangkorrelation (SPSS).

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigten keine ausreichende Augmentation im Vergleich zum präoperativen Befund. In der laryngoskopischen und stroboskopischen Kontrolle waren die Schlussinsuffizienzen im Rahmen der lokalen Schwellung zunächst kaschiert, nach Abschwellung jedoch kaum gemindert.

Die Stimmfunktion besserte sich demgemäß auch nicht signifikant. In der auditiven Beurteilung mittels RBH-System waren die Stimmen prä- und posttherapeutisch im Mittel unverändert mittel- bis hochgradig rau, behaucht und heiser (2,5±0,7 vs. 2,3±1,1). Nach Normalisierung und Verblindung der insgesamt 20 Tonbeispiele, qualitativer Aufreihung aller Stimmen nach dem Gesamteindruck der Heiserkeit und anschließender Entblindung ergab sich im intraindividuellen Vergleich bei 7/10 Patienten eine postoperative Verbesserung des Stimmklangs, bei 3/10 eine Verschlechterung. Diese geringfügigen Veränderungen stellten im Wilcoxon-Test keine signifikante Verbesserung dar (p=0,72; n.s.).

Im Vergleich der objektiven Parameter zeigte sich der durchschnittliche Gesamtstimmumfang geringgradig erweitert, das Stimmumfangsmaß [SUM] stieg von 59±44 auf 69±52 (p=0,39; n.s.). Bei Betrachtung des Sprechstimmprofils war eine signifikante Vergrößerung des Tonumfangs der Sprechstimme von 6,6±3,6 auf 9,2±3,9 Halbtöne zu verzeichnen (p=0,03). Die übrigen akustischen und aerodynamischen Parameter blieben weitgehend unverändert, die marginalen Unterschiede im prä- und postoperativen Vergleich waren nicht signifikant (z.B. Dysphonie Schweregrad Index [DSI]: 1,41±2,59 vs. 1,39±3,98).

Hinsichtlich der subjektiven Selbsteinschätzung der Stimme sank der VHI-9i von durchschnittlich 22±10 auf 20±10 Punkte, was unverändert eine mittelgradige Stimmstörung bedeutet und keiner signifikanten Verbesserung entspricht. Der intraindividuelle Vergleich zeigte bei 7/10 Patienten eine postoperative Verbesserung, bei 3/10 eine Verschlechterung (p=0,17; n.s.). Eine Korrelation dieser intraindividuellen Veränderungen mit denen der auditiven Bewertung erbrachte keinen signifikanten Zusammenhang (p=0,14; Spearman Korrelationskoeffizient rs=–0,50). Auch die im VHI-9i aktuell eingeschätzte Beeinträchtigung der Stimme blieb postinterventionell im Mittel unverändert (2=„mittelgradig gestört“).

Innerhalb des Nachbeobachtungszeitraumes (114±92 Tage, Median: 83 Tage) wurden bis auf eine vernachlässigbare lokale Schwellung und Rötung keine relevanten Nebenwirkungen beobachtet. Schluckbeschwerden traten nicht auf.

Diskussion

Die lokale Applikation von Radiesse® Voice bei schwerwiegenden Vernarbungen der Glottis oder Supraglottis ist keine sicher zufriedenstellende Option zum Ausgleich einer Schlussinsuffizienz und damit zur Stimmverbesserung. Bei der Mehrzahl der Patienten verbesserte sich der Stimmklang nur um Nuancen, was in der ordinalen Klassifizierung des RBH-Systems nicht abgebildet werden kann. Allerdings vergrößerte sich der Tonumfang der Sprechstimme signifikant, was den Gesamteindruck vieler Patienten unterstützt, dass es sich postoperativ subjektiv leichter spricht.

Bei der Injektion ist die Platzierung von Radiesse® Voice im narbigen Gewebe nicht exakt möglich. Es kann zu unberechenbarer Ausbreitung entlang von Narbenzügen und Gewebsspalten kommen. Ist die Aufnahmekapazität des zu augmentierenden Gewebes überschritten, quillt der Gewebefüller aus den Einstichkanälen. Deshalb reicht die Standardmenge von 1 ml Radiesse® Voice nicht immer aus, um einen Schluss und damit Vibrationen zu erzielen. In solchen Fällen ist aufgrund der einfachen Gewinnung größerer Mengen und aus preislichen Gründen z.B. eine Augmentation mit autologem, periumbilical entnommenem Fettgewebe zu erwägen.


Literatur

1.
Rosen CA, Gartner-Schmidt J, Casiano R, Anderson TD, Johnson F, Reussner L, Remacle M, Sataloff RT, Abitbol J, Shaw G, Archer S, McWhorter A. Vocal fold augmentation with calcium hydroxylapatite (CaHA). Otolaryngol Head Neck Surg. 2007;136(2):198-204. DOI: 10.1016/j.otohns.2006.07.014 Externer Link
2.
Carroll TL, Rosen CA. Long-term results of calcium hydroxylapatite for vocal fold augmentation. Laryngoscope. 2011;121(2):313-9. DOI: 10.1002/lary.21258. Externer Link