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27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Rezeptive Wortschatzentwicklung nach Cochlea Implantation – retrospektive Studie

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppV48

doi: 10.3205/10dgpp69, urn:nbn:de:0183-10dgpp691

Veröffentlicht: 31. August 2010

© 2010 Streicher et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: In der klinischen Praxis des Cochlear Implant Centrums fielen Patienten auf, die einerseits die gesprochene Sprache so gut beherrschten, dass sie die allgemeinbildende Schule oder eine entsprechende Sprachlerngruppe in der Förderschule besuchten. Andererseits waren Schüler dagegen seit Jahren mit einem Cochlea Implantat versorgt und mussten zusätzlich in einem gebärdenunterstützten Umfeld unterrichtet werden. Es stellte sich die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen Implantationsalter und der Entwicklung des rezeptiven Wortschatzes besteht.

Material und Methoden: An einem Kollektiv von 40 Probanden (♀ 14 und ♂ 26), deren mittleres Alter 10,4 Jahre (SD ±1,2) war, wurde die neuste Version des PPVT 4 durchgeführt. Die Auswertung erfolgte auf Grundlage des Vergleichs mit der amerikanischen Normgruppe.

Ergebnisse: Die unter zwei Jahren (Gruppe 1) versorgten Kinder zeigten bis auf eine Ausnahme einen altersgemäßen Umfang des Lexikons. Die Prozentränge lagen durchschnittlich mit 33,2% (±25 SD) über dem PR von 25. Die Ergebnisse der Gruppe 2 dokumentierten einerseits eine Gruppe, die deutlich unterdurchschnittliche Ergebnisse aufwiesen, der PR lag bei 22,7 (±33,1 SD), und andererseits eine Gruppe die einen altersgemäßen Wortschatzumfang entwickelte. In Gruppe 3 lag der durchschnittliche PR bei 5,2 (+/- 10,0 SD).

Diskussion: In Studien von Connor [1], Geers [2] und Dunn & Dunn [3] wurden zwar ältere Versionen des PPVT verwandt, dennoch war der rezeptive Wortschatz der jünger implantierten Kinder mit den Ergebnissen dieser Kohorte vergleichbar. Aber auch die Probanden, die nach dem vierten Lebensjahr ein CI erhalten hatten, zeigten ähnliche Ergebnisse.


Text

Einleitung

In der klinischen Praxis des Cochlear Implant Centrums fielen Patienten auf, die einerseits die gesprochene Sprache so gut beherrschten, dass sie die allgemeinbildende Schule oder eine entsprechende Sprachlerngruppe in der Förderschule besuchten. Andererseits waren Schüler dagegen seit Jahren mit einem Cochlea Implantat versorgt und mussten zusätzlich in einem gebärdenunterstützten Umfeld unterrichtet werden. Es stellte sich die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen Implantationsalter und der Entwicklung des rezeptiven Wortschatzes besteht.

Material und Methoden

An einem Kollektiv von 40 Probanden (♀ 14 und ♂ 26) wurde die neuste Version des PPVT 4 durchgeführt. Die Auswertung erfolgte auf Grundlage des Vergleichs mit der amerikanischen Normgruppe.

Der Test ist über den Verlag Pearson beziehbar und wurde aus dem Amerikanischen ins Deutsche übersetzt. Die Umwandlung der Rohwerte erfolgte basierend auf dem chronologischen Alter in Standardwerte und Prozentränge.

Patientenkollektiv

In der vorliegenden Untersuchung lag das durchschnittliche Lebensalter bei 10;4 Jahren (SD ±1,2 Jahre), das jüngste Kind war 9,1 Jahre und das älteste Kind 14,5 Jahre alt. Der Mittelwert für den Zeitpunkt der Erstdiagnose der Hörstörung betrug 19;1 Monate (SD ±14,3 Monate). Das durchschnittliche Alter bei Erstanpassung war 44;5 Monate (SD ±23,7 Monate).

77,5% der Kohorte besuchte die LVR Schule mit dem Förderschwerpunkt für Hören und Kommunikation, 20% die allgemeinbildende Schule und weitere 2,5% wurden in einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt motorische Entwicklung unterrichtet. Aus deutschsprachigen Familien stammten 77,5% der Schüler, 22,5% wuchsen in einem mehrsprachigen Umfeld auf. Neben der Nachsorge in den jeweiligen CI-Zentren erhielten 65% logopädische Förderung am Wohnort, 20% der Familien wurden nach der Methode der auditiv verbalen Therapie (AVT) behandelt und 15% nutzten keinerlei weitere therapeutische Maßnahmen.

Ergebnisse

In der Subanalyse wurde die Kohorte in drei unterschiedliche Altersstufen, Gruppe 1 (CI bis 2 Jahre; N=10), Gruppe 2 (CI zwischen 2. und 4. Lebensjahr; N=17)) und Gruppe 3 (CI nach dem 4. Lebensjahr; N=13) unterteilt.

Der Medianwert der Standardwerte der Gruppe1 (CI bis zwei Jahre) lag bei 90 und die Prozentränge durchschnittlich bei 33 (SD ±25).

Gruppe 2 (CI zwischen 2. und 4. Lebensjahr) hatte einen Median im Standardwert von 74 und der Prozentrang lag durchschnittlich bei 22,7% (SD ±33).

Der Median der Standardwerte in Gruppe 3 lag bei 65 und der durchschnittliche Prozentrang bei 5,2 (SD ±10).

Diskussion

Gruppe 1 (CI bis zwei Jahre) zeigte bis auf eine Ausnahme einen altersgemäßen Wortschatz.

Dagegen variierten die Ergebnisse in Gruppe 2 (CI zwischen 2. und 4. Lebensjahr) erheblich. 65% lagen im unterdurchschnittlichen Bereich der Ergebnisse und 32% erreichten Standardwerte und Prozentränge innerhalb des Normbereiches. Die Werte der Gruppe 3 (CI nach dem vierten Lebensjahr) lagen mehrheitlich zu 93% im unterdurchschnittlichen Bereich.

Bereits in Studien von Connor [1], Geers [2] und Dunn & Dunn [3] wurden frühere Versionen des PPVT verwandt. Bei Connor hatten die Kinder (bis 2,5 Jahre versorgt) einen Standardwert von 90 und sind somit im Ergebnis vergleichbar. Die Gruppe der Probanden, die das CI zwischen 2 und 4 erhalten hatten, erreichten in Connors Untersuchung einen Standardwert von 79. Im Vergleich dazu lag der Wert in der Kölner Untersuchungsgruppe bei 74 knapp darunter.

Dagegen schnitten die Kinder, die nach dem vierten Lebensjahr ein CI erhielten in der Kölner Studie mit 65 deutlich besser ab als die Probanden aus Connors Studie, bei denen ein Wert von 48 ermittelt wurde (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Zusammenhang zwischen Wortschatz und Implantationsalter

In der Kölner Untersuchungsgruppe konnte kein Zusammenhang zwischen dem Implantationsalter und dem Umfang des rezeptiven Wortschatz festgestellt werden (r=0,33). Damit widersprechen die Ergebnisse den Daten zur Sprachentwicklung in Abhängigkeit zum Implantationsalter.

Eine Erklärung dafür liefert das relativ hohe mittlere Implantationsalter der Gesamtgruppe von 45 Monaten (SD ±24; Min=8; Max=95 Monate) und die zu geringe Anzahl der Probanden, die unterhalb von zwei Jahren versorgt wurden (N=10). Auf Grundlage der Ergebnisse konnte allerdings die Abhängigkeit zum Implantationsalter nachgewiesen werden, da bis auf eine Ausnahme der Wortschatz innerhalb der 1 SD von der Norm lag und bestätigen somit die in der Literatur angegebenen Daten zur Sprachentwicklung in Abhängigkeit zum Implantationsalter.


Literatur

1.
Connor CM, Craig HK, Raudenbach SW, Heaver K, Zwolan TA. The age at which young deaf children receive cochlear implants and their vocabulary and speech production growth. Ear and Hearing. 2006;27:628-44. DOI: 10.1097/01.aud.0000240640.59205.42 Externer Link
2.
Geers AE, Moog JS, Biedenstein J, Brenner C, Hayes H. Spoken language scores of children using cochlear implants compared to hearing age-mates at school entry. J Deaf Stud Deaf Educ. 2009;14(3):371-85. DOI: 10.1093/deafed/enn046 Externer Link
3.
Dunn LM, Dunn DM. Peabody Picture Vocabulary Test – fourth Edition, Manual. Minneapolis: Pearson; 2007.