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27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Veränderungen im Kopf-Hals-Bereich bei Patienten mit Mucopolysaccharidosen (MPS)

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Ulrich Jantzen - Klinik für Kommunikationsstörungen, Universitätsmedizin Mainz, Deutschland
  • Kathrin Degenhardt - Kinderklinik, Universitätsmedizin Mainz, Deutschland
  • Michael Beck - Klinik für Kommunikationsstörungen, Universitätsmedizin Mainz, Deutschland
  • Annerose Keilmann - Klinik für Kommunikationsstörungen, Universitätsmedizin Mainz, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppV40

doi: 10.3205/10dgpp58, urn:nbn:de:0183-10dgpp582

Veröffentlicht: 31. August 2010

© 2010 Jantzen et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Bei Mukopolysaccharidosen tritt durch die Einlagerung nicht durch das lysosomale System abgebauter Stoffwechselprodukte im HNO-Trakt eine Verengung insbesondere der Mundhöhle und des Pharynx ein.

Wir berichten über die Ergebnisse eines 08/07 veröffentlichten Untersuchungsprotokolls, das erfolgreich in unserer Klinik zur Objektivierung des Krankheitsverlaufs anhand messbarer Parameter routinemäßig eingesetzt wird.

Methode: Zusätzlich zum klinischen HNO-Befund und der Audiometrie wurden üblicherweise in der Anästhesie verwendete Parameter (Mallampati, Cormack/Lehane-Klassifikation und maximal incisor gap) systematisch erhoben und ausgewertet und die Diadochokineserate bestimmt.

Patientenkollektiv: Wir berichten über 93 (22 MPS I; 35 MPS II; 10 MPS IV; 26 MPS VI) Patienten, die zur Verlaufskontrolle vorgestellt wurden.

Ergebnisse: Die Einsehbarkeit oropharyngealer Strukturen wurde insbesondere durch die Vergrößerung der Zunge und die Verengung des Pharynxschlauches eingeschränkt. Für die Beurteilung des Oropharynx konnte bei 95%, für die Beurteilung des Hypopharynx bei 50% eine Kooperation erreicht werden. Die Diadochokineserate war bei den MPS-Patienten im Vergleich zum Normalkollektiv erniedrigt. Die Mehrzahl der Patienten entwickelte einen Hörverlust.

Diskussion: Durch das vorgestellte Untersuchungsprotokoll können bei den meisten Patienten mit MPS quantitative Daten über die oberen Luftwege dokumentiert werden, was zur Beurteilung des individuellen Nutzens der verschiedenen Therapien notwendig ist. Das Messprotokoll sollte standardmäßig in der Verlaufsbeobachtung der o.g. Speichererkrankungen eingesetzt werden.


Text

Einleitung

Bei Mukopolysaccharidosen tritt durch die Einlagerung nicht durch das lysosomale System abgebauter Stoffwechselprodukte im HNO-Trakt eine Verengung insbesondere der Mundhöhle und des Pharynx ein.

Wir berichten über die Ergebnisse eines 08/07 veröffentlichten Untersuchungsprotokolls, das erfolgreich in unserer Klinik zur Objektivierung des Krankheitsverlaufs anhand messbarer Parameter routinemäßig eingesetzt wird.

Methode

Zusätzlich zum klinischen HNO-Befund und der Audiometrie wurden üblicherweise in der Anästhesie zur Einschätzung der Intubationsschwerigkeit verwendete Parameter (Mallampati, Cormack/Lehane-Klassifikation und maximal incisor gap) systematisch erhoben und ausgewertet. Zusätzlich wurde Diadochokineserate bestimmt. Hierfür wurde der die Silbe /pa/ in möglichst kurzer Zeit wiederholt und mit dem Programm MSP (Motor Speech Profile) analysiert.

Patientenkollektiv

Wir berichten über 95 (23 MPS I; 35 MPS II; 11 MPS IV; 26 MPS VI) Patienten, die zur Verlaufskontrolle vorgestellt wurden. Bei 56 (13 MPS I; 22 MPS II; 5 MPS IV; 16 MPS VI) kam es zu mindestens einer Wiedervorstellung im Therapieverlauf.

Die Patienten waren zwischen 1;01 Jahre und 48 Jahre alt.

Ergebnisse

Die Einsehbarkeit oropharyngealer Strukturen wurde insbesondere durch die Vergrößerung der Zunge und die Verengung des Pharynxschlauches eingeschränkt. Für die Beurteilung des Oropharynx (Mallampati-Score) konnte bei 66% (12 MPS I; 21 MPS II; 6 MPS IV; 24 MPS VI), für die Beurteilung des Hypopharynx (Cormack/Lehane-Score) bei 28% (12 MPS I; 21 MPS II; 6 MPS IV; 24 MPS VI) und für die maximale Mundöffnung (maximal incisor gap) bei 58% (12 MPS I; 23 MPS II; 4 MPS IV; 16 MPS VI) der Patienten eine Kooperation erreicht werden (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Diadochokineserate war bei den MPS-Patienten im Vergleich zum Normalkollektiv um ungefähr 25% erniedrigt. Die Mehrzahl der Patienten entwickelte einen Hörverlust. Im Mittel fand sich eine Schwerhörigkeit von 37 dB (16 dB Innenohrkomponente + 21 dB Schallleitungskomponente; Abbildung 2 [Abb. 2]). Bei ca. 2/3 der Patienten fanden sich lufthaltige Pauken, bei jeweils knapp 15% waren Paukenergüsse oder lagen Paukendrainagen in situ. Bei ca. 5% der Patienten fanden sich Trommelfellperforationen

Diskussion

Durch das vorgestellte Untersuchungsprotokoll können bei den meisten Patienten mit MPS quantitative Daten über die oberen Luftwege dokumentiert werden, was zur Beurteilung des individuellen Nutzens der verschiedenen Therapien notwendig ist. Es fanden sich deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen MPS-Typen bezüglich der orohypopharyngealen Einengung und der Hörstörung. Die maximale Mundöffnung wird zusätzlich zu der Beeinflussung durch die Einlagerung der Mukopolysaccharide durch die Größe des Patienten bestimmt.

Das Messprotokoll sollte standardmäßig in der Verlaufsbeobachtung der o.g. Speichererkrankungen zusätzlich zur Erhebung der HNO-Untersuchungsbefunde und den audiologischen Untersuchungen eingesetzt werden.


Literatur

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Napiontek U, Keilmann A. Hearing impairment in MPS patients. Acta Paediatrica. 2006;Suppl 451:114.
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Degenhardt K, Beck M, Keilmann A. Entwicklung einer standardisierten Untersuchung der Veränderungen im Kopf-Hals-Bereich bei Mucopolysacchridosen. Dreiländertagung D-A-CH, 24. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e.V. Innsbruck, Österreich, 28.-30.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07dgppV42. Available from: http://www.egms.de/en/meetings/dgpp2007/07dgpp66.shtml Externer Link
3.
Ohlemiller KK, Hennig AK, Lett JM, Heidbreder AF, Sands MS. Inner ear pathology in the mucopolysaccharidosis VII mouse. Hear Res. 2002;169(1-2):69-84. DOI: 10.1016/S0378-5955(02)00341-6 Externer Link
4.
Kakkis ED, et al. Enzyme replacement therapy in mucopolysaccharidosis. N Eng J Med. 2001;344:182-8. DOI: 10.1056/NEJM200101183440304 Externer Link