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27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Validierung eines neuen TEOAE-AABR-Gerätes für das Neugeborenen-Hörscreening

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Alexander Indermark - Schwerpunkt für Phoniatrie und Pädaudiologie, Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland
  • Tina Filip - Schwerpunkt für Phoniatrie und Pädaudiologie, Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland
  • Katrin Neumann - Schwerpunkt für Phoniatrie und Pädaudiologie, Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppV04

doi: 10.3205/10dgpp04, urn:nbn:de:0183-10dgpp049

Veröffentlicht: 31. August 2010

© 2010 Indermark et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Seit 2009 ist die Durchführung des flächendeckenden Neugeborenen-Hörscreening in Deutschland gesetzlich verankert. Diese Studie hatte die Validierung eines neuen Hörscreeninggerätes zum Ziel, das die Untersuchungen effektivieren sollte.

Material und Methoden: An 127 unselektierten Kindern (Altersmedian 39 Tage, Spanne 9–1622) wurden jeweils Messungen von TEOAE und AABR mit einem neu entwickelten Screeninggerät und dem Echoscreen TA® als „Quasi-Referenzmethode“ durchgeführt. Neben den Screening-Ergebnissen wurden die Messzeiten bestimmt. 49 Kinder erhielten eine Klick-BERA.

Ergebnisse: Es zeigten sich lediglich 2/223 deviierende AABR-Messungen (Klick-BERA jeweils 30-40dB) und 2/242 deviierende TEOAE-Messungen (jeweils Normakusis in Klick-BERA).

Für die TEOAE/AABR ergibt sich eine signifikant schnellere Messung mit dem neuen Gerät.

Diskussion: Damit weisen beide Geräte vergleichbare Screening-Ergebnisse auf. Die kürzeren Messzeiten für beide Methoden mit dem neuen Gerät versprechen eine Senkung der Personalresourcen.


Text

Hintergrund

Da eine konnatale Schwerhörigkeit durch objektive Methoden unschwer identifizierbar und ebenfalls vom Neugeborenenalter an therapierbar ist und da weiterhin eine sensible Reifungsphase des Hörsystems für die basale Entwicklung der zentralen Hörbahn im Alter von 1–2 Jahren weitestgehend abgeschlossen ist [1], ist eine frühe Identifikation eines solchen Hörverlustes sehr sinnvoll. Seit dem 01.01.2006 ist das Neugeborenen Hörscreening gesetzlich vorgeschrieben [2]. Wie auch andere Screenings hat das Neugeborenen-Hörscreening die Kriterien der kostengünstigen, schnellen und einfachen Durchführbarkeit sowie ein Reihe von Qualitätskriterien zu erfüllen [3], [4].

Ziel dieser Studie ist die Validierung des von der Firma PATH medical GmbH entwickelten neuen Screening-Gerätes MADSEN Accuscreen®. Mit diesem Gerät ist durch verbesserte Algorithmen bei der Messung und Auswertung eine kürzere Dauer der Messungen zu erwarten.

Material und Methoden

An 127 unselektierten Neugeborenen und Kleinkindern (Altersmedian 39 d, Spanne 9–1622 d) wurde das Neugeborenen-Hörscreening sowohl mit dem herkömmlichen Screeninggerät Echoscreen-TA® als auch mit dem MADSEN Accuscreen® an beiden Ohren durchgeführt, jeweils mit TEOAE (N=242) und AABR (35 dB, N=223). Die Testsequenz für das Gerät und die Testmethode wurde jeweils randomisiert.

Das Echoscreen-TA® wurde, da es ein gut validiertes Screeninggerät darstellt, als Quasi-Referenzmethode herangezogen. In einer Untergruppe von 25 Kindern erfolgte die zusätzliche Diagnostik mittels ABR zu Bestätigung oder zum Ausschluss einer Hörminderung. Zudem wurde bei Kindern im natürlichen Schlaf mit unauffälligem Screening für beide Geräte die jeweilige Messdauer für TEOAE (N=64) und AABR (N=84) verglichen.

Ergebnisse

Das TEOAE-Screening mit beiden Geräten zeigte in 240/242 Fällen kongruente Ergebnisse („pass“ N=181, „fail“ N=59). Dies entspricht einer Kontingenz von phi = 0,98, einer Quasi-Spezifität von 99,5% und einer Quasi-Sensitivität von 98,3%. In den beiden nicht kongruenten Fällen zeigte jeweils einmal das Echoscreen TA® und einmal das MADSEN Accuscreen® ein „fail“. In beiden Fällen konnte eine Hörschädigung durch eine Reiz-Antwortschwelle in der ABR unter 30 dBnHl ausgeschlossen werden. In der AABR-Messung zeigt sich bei 220/223 („pass“ N=171, „fail“ N=49) kongruenten Fällen eine Kontingenz von phi = 0,96, eine Quasi-Spezifität von 98,3% und eine Quasi-Sensitivität von 100%. In allen drei inkongruenten Fällen ergab die Messung mit dem MADSEN Accuscreen® ein „fail“. Im Vergleich zwischen der TEOAE-Messung mit dem MADSEN Accuscreen® und ABR zeigte sich in 46/49 eine Kongruenz. Die drei inkongruenten Fälle ergaben jeweils ein „fail“ in der TEOAE. In 47/49 Fällen waren die ABR-Messungen mit dem MADSEN Accuscreen® und die AABR-Ergebnisse kongruent. Weder mit der TEOAE noch mit der AABR erfolgte eine falsch positive Messung (Sensitivität 100%).

Im Vergleich der Messzeiten ergab sich eine signifikant (p<0,01) schnellere Messung mit dem MADSEN Accuscreen® sowohl für die TEOAE (d=1,81 s, 95%-Konfidenzintervall: 3,15–0,47 s) als auch für die AABR (d=6,04 s, 95%-Konfidenzintervall: 8,05–3,22 s).

Diskussion

Die vorgelegte Studie belegt eine vergleichbare Validität von MADSEN Accuscreen® und Echoscreen TA® sowohl für den TEOAE- als auch für den AABR-Algorithmus. Es zeigten sich in den TEOAE-Messungen zwei inkongruente Fälle, wobei jeweil einmal das MADSEN Accuscreen® und einmal das Echoscreen TA® ein falsch negatives Ergebniss präsentierten. In den drei Fällen mit Inkongruenz zwischen der TEOAE-Messung mit dem MADSEN Accuscreen® und der ABR (alle drei Fälle TEOE „fail“) zeigte die TEOAE-Messung mit dem Echoscreen TA® ebenfalls „fail“. In zwei dieser Fälle ergab sich in der Verlaufskontrolle ein „pass“ für die TEOAE-Messung mit beiden Geräten. Im dritten Fall blieben die TEOAE-Messungen für beide Geräte auffällig. Dieses Kind zeigte auf der betroffenen Seite in der ABR eine Schwelle von 35 dBnHl und eine geringgradige Schwerhörigkeit auf der kontralateralen Seite von pantonal 45 dBnHl bei gegebenem Risiko für eine sensorineurale Schwerhörigkeit (Frühgeburt der 32. Schwangerschaftswoche). In diesem Fall wies die „fail“-Messung in der TEOAE-Messung entsprechend auf eine geringgradige Schwerhörigkeit hin, auch wenn sie nach unseren Kriterien des Studiendesigns als „falsch negativ“ einzuordnen ist. Somit zeigt sich im Vergleich, dass beide Geräte die gleiche Zuverlässigkeit für die TEOAE-Messung erreichen.

In drei Fällen bestand eine Inkongruenz zwischen den AABR-Messungen der Geräte. Im ersten Fall erfolgte die Messung vier Wochen nach Paukendrainageneinlage, wodurch die Messung beeinträchtigt gewesen sein könnte. Die Verlaufskontrolle ergab für beide Messungen ein „pass“ und in der ABR eine Schwelle von 25 dBnHl. Im zweiten Fall war das Kind unruhig, und die Messung erfolgte unter entsprechend schlechten Vorraussetzungen. Auch hier zeigte sich in der Verlaufskontrolle mit beiden Geräten ein unauffälliges Ergebnis. Im dritten Fall zeigte sich in der ABR eine Schwelle von 35 dBnHl. Hier ergab sich mit dem MADSEN Accuscreen® bei 35 dB in der AABR ein „fail“ und in der Verlaufskontrolle ein „pass“. Somit liegt eine Grenzfallentscheidung vor, welche auch bei Messungen mit dem Echoscreen TA® zu unterschiedlichen AABR-Ergebnissen führen kann. Dies zeigt sich auch in den beiden Fällen mit Inkongruenz zwischen der AABR mit dem MADSEN Accuscreen® und der ABR. Hier zeigte das Echoscreen TA® ebenso ein „fail“ bei einer gemessenen Hörschwelle in der ABR von 30 bzw. 35 dBnHl. Die wenigen Inkongruenzen beider Geräte für beide Meßmethoden weisen auf vergleichbare Cut-off-Kriterien für beide Geräte hin.

Zusammengefasst zeigt das MADSEN Accuscreen® im Vergleich zum Echscreen TA® eine gleichwertige Validität bei deutlich schneller Messung.


Literatur

1.
Neumann K. Universelles Neugeborenen-Hörscreening: Das Hessische Modell. HörBericht, Geers-Stiftung; 2002. p. 1-14.
2.
Bundesministerium für Gesundheit. Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Kinder-Richtlinien: Einführung eines Neugeborenen-Hörscreenings vom 19. Juni 2008. (letzter Aufruf: 30.04.2009). Available from: http://www.g-ba.de/downloads/39-261-681/2008-06-19-Kinder-H%C3%B6rscreening_BAnz.pdf Externer Link
3.
Böttcher P, Gramß C, Euler HA, Neumann K. Kostenanalyse des universellen Neugeborenen-Hörscreenings für Kliniken am Beispiel Hessens. HNO. 2009;57:21-8.
4.
Neumann K, Nawka T, Wiesner T, Hess M, Böttcher P, Gross M. Grundlagen der Qualitätssicherung eines universellen Neugeborenen-Hörscreenings – Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. HNO. 2009;57:17-20.