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25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12.09. - 14.09.2008, Düsseldorf

Fallbericht: Erfolreiche Therapie einer durch eine traumatisch bedingte muskuloskelettale Dysbalance hervorgerufenen Dysodie mit Techniken der Manualtherapie und Osteopathie

Case report: Successful treatment of a traumatic muscular dysbalance of the head and neck causing severe dysodia using techniques of manual therapy

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Matthias Seipelt - Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Charité, Berlin, Deutschland
  • author Annette Reisshauer - Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Charité, Berlin, Deutschland
  • author Manfred Gross - Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Charité, Berlin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Düsseldorf, 12.-14.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. Doc08dgppV54

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2008/08dgpp73.shtml

Veröffentlicht: 27. August 2008

© 2008 Seipelt et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Abstract

We report on a 55 year old, internationally renowned baritone soloist who's left side of his neck was injured whilst being hit by the edge of his fellow sportsman's hand during a sportive exercise of martial arts (Karate). Ever since he suffered, in addition to severe recurrent pain in his neck, jaw and shoulder, from the inability to use the upper fifth of his formerly usable voice range: Using the other parts of his vocal spectrum took much more effort than ever before. Tones of the upper part of his formerly easily and well differentiated range were no longer stable, some of them even could not be reached at all. Thus he was unable to perform as an active singer on stage, even the ability to teach was seriously limited.

The patient's past medical and surgical history was without particularly remarkable events.

On thorough examination of his head and neck including videostroboscopy checking lower and higher pitches and lower and higher loudness of phonation there were no pathological morphologic and functional findings; even a larynx rotation whilst attempting to phonate a glissando upwards suggesting a malfunction of a superior laryngeal nerve leading to malfunction of a cricothyroid muscle could not be proven.

On palpation of the neck we found a particularly tender region approximately in the middle of the left sternocleidomastoid muscle.

The X-Ray pictures of his head, neck and upper chest did not show any bony lesions.

As it’s only pathological finding, a MRI scan taken 4 days after the accident revealed a hematoma, approximately 1x1x1 centimetres in size, on the medial surface of his left sternocleidomastoid muscle. This hematoma was checked using sonography in a follow up of 6 weeks, it resolved completely, so that it was no longer sonomorphologically detectible.

But, despite of complete resorption of the hematoma, the problems of the singer’s voice persisted.

Hence we presumed a lesion of his head, neck and upper chest muscles and tendons which cannot be detected by radiomorphological methods.

After being referred to our manual medicine specialist a specific diagnostic procedure was carried out. A blockade of the muscles of the thoraco-cervical transitional region including tender trigger points of the left sternocleidomastoideal, scalene and digastric muscles were detected and thus treated using soft, so called mobilizing techniques of manual therapy. The muscular dysfunction, the pain of the neck and upper chest could be substantially eased, the singer's voice did not completely return to normal yet but improved significantly. The patient ever since had been able to perform technically less ambitious rolls again, gradually further improving his vocal performance.


Text

Wir berichten über einen 57-jährigen international renommierten Bariton-Opernsolisten, dessen linke Halsseite im Rahmen einer Kampfsportübung durch einen Handkantenschlag seines Gegners verletzt wurde. Hiernach litt er, zusätzlich zu rezidiviedendem Schmerz nahezu des gesamten Bewegungsapparats, unter einer Instabilität des oberen und unteren Tonhöhenspektrums und einer gestörten Kontrolle der Resonanz, auch das Singen im verbliebenen Tonumfang war weit mühsamer als bisher. Der Patient war daher vorläufig nicht in der Lage, seinen Beruf auf der Bühne auszuüben, selbst das Unterrichten war außerordentlich mühsam.

Die einschlägige Eigenanamnese des Patienten war durchweg unauffällig.

Bei der präzisen Erhebung des Kopf-Hals-Spiegelstatus einschließlich der Videostroboskopie konnten, abgesehen von einer horizonal gut, vertikal jedoch kaum verschieblichen palpablen Resistenz, die einem im MRT und in der Sonographie gesicherten traumabedingten, teilweise bereits fibrosiertem Hämatom entspach, keine weiteren pathologischen Befunde erhoben werden. Auch die Videostroboskopie unter Verwendung von Auf- und Abwärts-Glissandi war unauffällig, es trat insbesondere auch keine Rotation des Larynx hierbei auf, die für eine Läsion eines N. laryngeus superior hinweisend gewesen wäre.

Die Erhebung eines orthopädischen Status erbrachte ebenso keinerlei pathologische Befunde, auch die Beweglichkeit sämtlicher der Methode zugänglicher Gelenke mittels Neutral-Null-Methode wies keine pathologischen Einschränkungen auf.

Die durchgeführten bildgebenden Untersuchungen, eine Sonographie und eine Magnetresonanztomographie des Halses, zeigten außer dem genannten Hämatom der Größe 1x1x1 cm keine weiteren Pathologien, insbesondere keine knöchernen oder knorpeligen Läsionen, wie z.B. Frakturen, Fissuren, Luxationen o.ä.

Nach Überweisung des Patienten an die Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation wurde ein Therapieregime eingeleitet, das zunächst mit Mitteln der Tiefenoszillation und manuellen Lymphdrainage begann. In einer Kontrollsonographie sechs Wochen nach Therapiebeginn war das anfangs teilweise fibrosierte Hämatom nicht mehr nachweisbar.

Die manualmedizinisch-osteopathische Befunderhebung ergab Beweglichkeitsstörungen vom Gesichtsschädel bis zu beiden tibiofibularen Syndesmosen, multiple muskuläre Trigger- und Schmerzpunkte von der Temporalmuskulatur rechts bis zum M. quadratus lumborum bds. sowie Störungen der Verschieblichkeit mehrerer Faszien.

Aufgrund der Komplexität des Störungsbildes wurde die Therapie über weitere 7 Wochen lang 2 mal täglich à 1 Stunde durchgeführt. Zur Re-Mobilisierung der Gelenke kamen Positionierungstechniken nach JONES und CHAITOW, zur Optimierung der Fasziengleitfähigkeit osteopathische Faszienmobilisierungstechniken, schließlich zur Reduktion der muskulären Hypertension wurden Methoden der postisometrischen Relaxation angewandt.

Im Ergebnis konnten alle im Befund dokumentierten muskuloskelettalen Funktionsstörungen beseitigt werden.

Die Funktion der Singstimme besserte sich deutlich bis zum Abschluss der physiotherapeutischen Anwendungen, konnte jedoch, am ehesten durch die erzwungene langwierige Aktivitätseinschränkung, nicht so schnell völlig normalisiert werden wie die Funktion des muskuloskelettalen Systems. Mit einer Latenz von etwa 2 Monaten erreichte der Patient durch beständiges Stimmaufbautraining in Eigenregie jedoch wieder seine gewohnte stimmliche Funktionalität. Er ist seitdem wieder in seinem Beruf tätig.