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25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12.09. - 14.09.2008, Düsseldorf

Computergestützte Messung der Nasalität bei Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten

Poster

  • presenting/speaker Karin Wenke - Universitätsmedizin Göttingen, Phoniatrie und Pädaudiologie, Göttingen, Deutschland
  • Marc Walloner - Universitätsmedizin Göttingen, Phoniatrie und Pädaudiologie, Göttingen, Deutschland
  • Kai Schilling - Universitätsmedizin Göttingen, Phoniatrie und Pädaudiologie, Göttingen, Deutschland
  • corresponding author Arno Olthoff - Universitätsmedizin Göttingen, Phoniatrie und Pädaudiologie, Göttingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Düsseldorf, 12.-14.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. Doc08dgppP13

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2008/08dgpp54.shtml

Veröffentlicht: 27. August 2008

© 2008 Wenke et al.
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Zusammenfassung

Einleitung: Zur Objektivierung der velopharyngealen Funktion und sprachlichen Rehabilitation wurde bei Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (LKG-Spalten) ein computerunterstütztes, non-invasives, audiodigitales Messverfahren eingesetzt.

Methoden: Die Studie erfasste 32 Patienten mit einem Altersdurchschnitt von 6,4 Jahren. Als Messgerät kam das OroNasal™ Nasality System der Firma Glottal Enterprises (USA) zum Einsatz. Die Kinder sprachen in eine mikrofonierte Maske, die das orale und nasale Schallsignal trennte, die Testwörter „Ente“ (nasal) und „Äste“ (nicht-nasal). Die Messwerte wurden mit der subjektiven, logopädischen Beurteilung (Rhinolaliegrade "0" bis "3") korreliert.

Ergebnisse: Es ergab sich eine gute Test-Retest-Reliabilität des OroNasal™ Nasality Systems. Für die Testwörter „Ente“ (p=0,006) und „Äste“ (p-Wert <0,001) zeigten sich signifikante Korrelationen zu den perzeptiv erfassten Rhinolaliegraden. Für die Nasale Distanz ergab sich bei Rhinolaliegrad "0" ein durchschnittlicher Wert von 18,63%, bei Rhinolaliegrad "1" von 15,19%, bei Rhinolaliegrad "2" von 4,54% und bei einem Rhinolaliegrad "3" von 7,84%. Für die Nasale Ratio ergab sich ein durchschnittlicher Wert von 0,5 bei Rhinolaliegrad "0", von 0,65 bei Rhinolaliegrad "1", von 0,87 bei Rhinolaliegrad "2" und von 1,21 bei Rhinolaliegrad "3".

Diskussion: Mit dem OroNasal™ Nasality System wird der logopädischen Diagnostik ein unterstützendes Diagnoseverfahren zur Verfügung gestellt, welches den klinischen Anforderungen hinsichtlich Reliabilität und Validität bei einfacher und kindgerechter Praktikabilität entspricht.


Text

Einleitung

Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (LKG-Spalten) gehören in Mitteleuropa mit einer Inzidenz von 1:500 zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen [1]. Sie können durch den insuffizienten Nasen-Rachenabschluss Sprachprobleme in Form eines offenen Näselns verursachen [2]. Bisher wurde diese Rhinophonie hauptsächlich subjektiv nach dem Höreindruck von nicht-nasal bis hochgradig nasal in unterschiedliche Bewertungsskalen eingetragen [3]. Eine objektive Beurteilung der velopharyngealen Funktion und sprachlichen Rehabilitation bei Kindern mit LKG-Spalten konnte sich bisher nicht in der Routinediagnostik durchsetzen.

In der vorliegenden Studie wurde daher ein computerunterstütztes, non-invasives, audiodigitales Messverfahren eingesetzt und mit den perzeptiv erfassten Rhinolaliegraden verglichen.

Methoden

Bei 32 Kindern mit einem Altersdurchschnitt von 6,4 Jahren der LKG-Sprechstunde der Göttinger Universitätsmedizin erfolgte zunächst eine subjektive, logopädische Beurteilung des Rhinolaliegrades von 0 bis 3. Anschließend wurde das OroNasal™ Nasality System als ein Messverfahren eingesetzt, welches grafisch und numerisch den Grad der Nasalanz während des Sprechens darstellt. Die Kinder sprachen in eine mikrofonierte Maske, die das orale und nasale Schallsignal trennte, die kindgerechten Testwörter „Ente“ und „Äste“. Diese erlaubten eine eindeutige Differenzierung zwischen physiologischer und pathologischer Artikulation bei ähnlicher phonetischer Grundstruktur.

Die Nasale Distanz (Differenz der Nasalanz des nasalen und des nicht-nasalen Wortes) und die Nasale Ratio (Verhältnis der Nasalanz des nicht-nasalen zum nasalen Wort) wurden für die einzelnen Rhinolaliegrade berechnet. Diese Begriffe wurden eingeführt, um bessere Vergleichsmöglichkeiten der Probanden untereinander herstellen zu können [4].

Abschließend wurden die ermittelten Messwerte der Nasalanz, die Nasale Distanz und die Nasale Ratio mit der perzeptiven Beurteilung der Rhinolaliegrade korreliert.

Ergebnisse

Es ergab sich eine gute und ausreichende Test-Retest-Reliabilität mit einer SD von 2,20. Bei der Korrelation nach Spearman der ermittelten Nasalanzwerte mit den perzeptiv erfassten Rhinolaliegraden lag für das Testwort „Ente“ (p-Wert =0,006) und besonders für das kritische Testwort „Äste“ (p-Wert <0,001) eine gute Korrelation vor.

In der vorliegenden Studie ergab sich für die Nasale Distanz bei Rhinolaliegrad 0 ein durchschnittlicher Wert von 18,63%, bei Grad 1 von 15,19%, bei Grad 2 von 4,54% und bei Grad 3 von –7,84%. Für die Nasale Ratio ergab sich ein durchschnittlicher Wert von 0,5 bei Rhinolaliegrad 0, von 0,65 bei Grad 1, von 0,87 bei Grad 2 und von 1,21 bei Grad 3. Die Nasale Distanz nahm also mit steigendem Rhinolaliegrad ab, während die Nasale Ratio zunahm. Die Korrelation der Nasalen Ratio mit der perzeptiven Beurteilung des Rhinolaliegrades (p-Wert <0,001) fiel noch etwas besser aus als die Korrelation der Nasalen Distanz mit der perzeptiven Beurteilung (p-Wert <0,001).

Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2]

Diskussion

Mit dem OroNasal™ Nasality System wird ein unterstützendes Diagnoseverfahren zur Verfügung gestellt, welches den klinischen Anforderungen hinsichtlich Reliabilität und Validität bei einfacher und kindgerechter Praktikabilität entspricht. Der grafisch dargestellte Befund lässt sich schnell visuell erfassen und stellt eine gute Möglichkeit zur ersten Beurteilung der Nasalanzwerte dar. Die Statistikfunktion erlaubt eine Messung der Nasalanz in Prozentwerten oder als Nasalanz-Verhältnis für jeden, definierbaren Zeitraum innerhalb einer Aufnahme.


Literatur

1.
Ehrenfeld M, Schwenzer N, Bacher M. Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten und Gesichtsspalten. In: Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde. Band 2. Spezielle Chirurgie. 3. Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2002. S. 195-233.
2.
Hirschberg J. Velopharyngeal Insufficiency. Folia Phoniatr Logop. 1986;38:221-76.
3.
Horch HH. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie. Praxis der Zahnheilkunde. Band 10. 4. Auflage. München: Urban und Fischer; 2007.
4.
Bressmann T, Sader R, Whitehall TL, Awan SN, Zeilhofer HF, Horch HH. Nasalance Distance and Ratio: Two New Measures. Cleft Palate Craniofac J. 2000;37(3):248-56.