gms | German Medical Science

Dreiländertagung D-A-CH
24. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28. - 30.09.2007, Innsbruck, Österreich

Wissenschaftliche Arbeit zur Existenzsicherung des Faches

Vortrag

Suche in Medline nach

  • corresponding author presenting/speaker Ulrich Eysholdt - Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland
  • author Eberhard Kruse - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Göttingen, Göttingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirugie. Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie. Dreiländertagung D-A-CH, 24. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e.V.. Innsbruck, Österreich, 28.-30.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07dgppV25

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2007/07dgpp41.shtml

Veröffentlicht: 28. August 2007

© 2007 Eysholdt et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Zusammenfassung

Das akademische Umfeld der Phoniatrie und Pädaudiologie ist seit mehreren Jahren gekennzeichnet durch die Schließung selbständiger Abteilungen und den Verlust von Professuren. Die Patientenversorgung mag in der Breite dadurch ebenso wenig betroffen sein wie die ärztliche Weiterbildung – aber ein Fach, das nicht akademisch repräsentiert ist, hat bereits mittelfristig um seine Existenz zu fürchten. Immer wieder wird der Phoniatrie und Pädaudiologie vorgehalten, sie habe keinen wissenschaftlichen Nachwuchs. Dies Argument ist so alt wie unser Fach. Das allseits anerkannte Engagement unserer Kollegen für die Patientenversorgung muss im akademischen Umfeld von wissenschaftlichen Publikationen flankiert werden. Sie sind die Grundlage für Forschungsanträge und Bewilligung von Drittmitteln. Wissenschaftliche Einzelleistungen wie die mit dem Nobelpreis prämierte Herzkatheterisierung von Forssmann sind Ausnahmen. Typisch für wissenschaftlichen Erfolg ist heute strukturiertes, modulares, hoch arbeitsteiliges und spezialisiertes Vorgehen, ggf. in überregionalen Verbünden. Multizentrische Studien gelten im Bereich der Phoniatrie und Pädaudiologie als undurchführbar, weil die Phoniater und Pädaudiologen sich im Einzelfall zu individualistisch verhalten. Die Autoren appellieren an die Mitglieder unserer Gesellschaft, sich am Aufbau solcher Strukturen zu beteiligen und geben Beispiele, wie das möglich ist. Noch kann das Fach seine Existenz selbst sichern.


Text

Das akademische Umfeld der Phoniatrie und Pädaudiologie ist seit mehreren Jahren gekennzeichnet durch die Schließung selbständiger Abteilungen und den Verlust von Professuren. Die Patientenversorgung mag in der Breite dadurch ebenso wenig betroffen sein wie die ärztliche Weiterbildung – aber ein Fach, das nicht akademisch repräsentiert ist, hat bereits mittelfristig um seine Existenz zu fürchten.

Immer wieder wird der Phoniatrie und Pädaudiologie vorgehalten, sie habe keinen wissenschaftlichen Nachwuchs. Dies Argument ist so alt wie unser Fach. Das allseits anerkannte Engagement unserer Kollegen für die Patientenversorgung muss im akademischen Umfeld von wissenschaftlichen Publikationen flankiert werden.

Wissenschaftliche Leistungen werden heute in Publikationen dargelegt und daran bewertet. Ohne Publikationen können in der Medizin keine Drittmittel eingeworben werden, ohne Drittmittel können wiederum keine international kompetitive Publikationen platziert werden – es handelt sich also um einen Circulus vitiosus. Wie kann dieser Teufelskreis durchbrochen werden?

Neue wissenschaftliche Ideen entstehen heute nicht mehr im Zentrum der großen Fächer, sondern an der interdisziplinären Verbindungsstelle zwischen den Fächern. So kümmert sich heute z.B. die Physik mit Methoden der statistischen Thermodynamik um das Abstimmungsverhalten sozialer Gruppen (Bundestag) und nennt diese Anwendung „Soziophysik“. Unser Fach war immer schon interdisziplinär angelegt, und das sollte eigentlich ein Wettbewerbsvorteil sein.

Wissenschaftliche Einzelleistungen sind heute Ausnahmen. Typisch für wissenschaftlichen Erfolg ist ein strukturiertes, modulares, hoch arbeitsteiliges und spezialisiertes Vorgehen, ggf. in überregionalen Verbünden. Wichtiger als die Überregionalität ist zunächst, am Ort leistungsfähige Partner in benachbarten Fächern zu finden und mit ihnen gemeinsam anfangs kleine Projekte umzusetzen. Das kann im Rahmen von Studien-, Diplom-, Magister-, ja selbst von Seminararbeiten erfolgen. Nur muss jede Arbeit prinzipiell in eine Publikation münden, und zwar in gelisteten Journalen mit einem Peer-Review-Verfahren und einem Impact-Faktor >0. Das letztere bedeutet eine internationale Leserschaft.

Aus einer solchen interdisziplinären Kooperation können dann größere Forschungseinheiten entwickelt werden. Ein Bespiel ist der Sonderforschungsbereich 673 „Alignment In Communication“ in Bielefeld, an dem leider kein Vertreter der Fachmedizin für Kommunikationsstörungen beteiligt ist. Das Thema „Kommunikation und ihre Störungen“ ist derart breit angelegt, dass sich an jedem Hochschulstandort interessierte Partner finden lassen.

Im Falle der Realisierung einer Partnerschaft lassen sich gemeinsame Forschungsanträge stellen. Ihre Erfolgsaussicht ist deshalb besonders gut, weil ein interdisziplinärer Antrag grundsätzlich von je einem Vertreter der beteiligten Fächer begutachtet wird. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Fachgutachter jeweils den Anteil besonders loben, der gerade nicht aus ihrer eigenen Fachrichtung kommt. Bei lobender Stellungnahme zweier Fachgutachter steigt die Bewilligungswahrscheinlichkeit nochmals. Multizentrische Studien sind erst dann überhaupt denkbar, wenn lokale Forschungsverbünde etabliert sind.

Derartige wissenschaftliche Strukturen fallen nicht vom Himmel. Eine basale Voraussetzung ist das Engagement des Nachwuchses, konkret: der Doktoranden. Diese sind nur für eine Arbeit in unserem Fach zu gewinnen, indem man sie in hochklassigen Unterrichtsveranstaltungen für uns und unser Fach interessiert. Beispiele aus der Großindustrie wie bei BMW belegen, dass man um „Human resources“ offensiv werben muss.

Die Autoren appellieren an die Mitglieder unserer Gesellschaft, sich am Aufbau solcher Strukturen zu beteiligen. Noch kann das Fach seine Existenz selbst sichern.