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33. Kongress der Deutschsprachigen Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, Interventionelle und Refraktive Chirurgie (DGII)

Deutschsprachige Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, Interventionelle und Refraktive Chirurgie (DGII)

14. - 16.02.2019, Berlin

Aktuelle Trends in der Makulachirurgie

Meeting Abstract

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  • Siegfried G. Priglinger - München
  • J. Siedlecki - München

Deutschsprachige Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, Interventionelle und Refraktive Chirurgie. 33. Kongress der Deutschsprachigen Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, Interventionelle und Refraktive Chirurgie (DGII). Berlin, 14.-16.02.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dgii110

doi: 10.3205/19dgii110, urn:nbn:de:0183-19dgii1104

Veröffentlicht: 1. März 2019

© 2019 Priglinger et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Vitreomakuläre Traktion – VMT: Bei der Bewertung der aktuellen Therapieoptinen für VMT ist es wichtig, den Spontanverlauf einer VMT zu kennen. John, Tzu und Kollegen konnten 2014 und 2015 zeigen, dass dieser nicht so dramatisch sein muss, wie oft befürchtet. Von 230 über 18 Monate untersuchten Augen mit VMT zeigten 32% eine Spontanablösung der Traktion, während 56% bezüglich des Schweregrades stabil blieben. Nur in 12% der Augen war eine Verschlechterung zu beobachten, die zu einer Gesamtbehandlungsrate mittels ppV von nur 4% führte. Als besonders günstiger prognostischer Faktor für eine Lösung der VMT konnte dabei eine neurosensorische Abhebung („subretinale Flüssigkeit“) identifiziert werden, die bei gleichzeitigen Zysten oder Spaltbildung in der Netzhaut Spontanablöseraten von 70% vorhersagen konnte.

Seit 2013 ist Ocriplasmin zur intravitrealen Behandlung der vitreomakulären Traktion (VMT), auch mit Makulaforamen ≤400 µm Durchmesser in der Europäischen Union zugelassen. In der Zulassungsstudie (Stalmans P, NEJM 2012) konnte eine Lösung der VMT in 26,5% der Fälle gegenüber 10,1% bei Placebo beobachtet werden. Zum Verschluss eines mitbestehenden Makulaforamens kam es bei 40,6% gegenüber 10,6% bei Placebo.

Eine genauere Betrachtung der patientenindividuellen Epidemiologie und Bildgebung ist dabei von großer Bedeutung, da Haller und Kollegen 2014 in Ophthalmology zeigen konnten, dass bestimmte Faktoren die Wirksamkeit von Ocriplasmin vorhersagen können. Dazu gehören:

  • Alter <65 Jahre
  • Weibliches Geschlecht
  • Phaker Linsenstatus
  • Durchgreifendes Makulaforamen
  • Makulaforamen ≤250 µm
  • Durchmesser der VMT ≤1.500 µm
  • Abwesenheit einer epiretinalen Membran (ERM)

Handelt es sich um eine reine VMT, sollte die Anzahl der vorliegenden positiven prädiktiven Faktoren geprüft werden. Die mittlere Ablöserate von im Mittel 40-50% kann bei Vorliegen von 4 positiven Faktoren auf 63%, bei 5 Faktoren auf 88% gesteigert werden.

Als negative prädiktive Faktoren für Ocriplasmin haben sich dabei vor allem breitbasige Anheftungen sowie begleitende retinale Pathologien gezeigt, insbesondere die ERM. Hier sollte eine ppV mit peeling ERM und membrana limitans interna (ILM) bevorzugt werden. In einer Vielzahl von Studien konnte über die letzten 20 Jahre gezeigt werden, dass eine Beseitigung der VMT in allen Augen durch die ppV erreicht wird, wobei jedoch davon ausgegangen werden muss, dass in bis zu 10% der Fälle ein Makulaforamen entsteht.

Als dritte Option hat sich in den letzten Jahren die pneumatische Vitreolyse re-etabliert, die vor allem auch attraktiv geworden ist, da vermehrt Berichte über unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen von Ocriplasmin publiziert wurden, die Photopsien, Dyschromatopsien, passagere Sehminderungen, Pseudohalluzinationen und neurosensorische Abhebungen einschließen. Steinle (2016) und Chan (2017) konnten anhand von zwei Fallserien von 30 und 50 Augen zeigen, dass mit 0,3 ml C3F8-Gas VMT-Ablöseraten von bis zu 80%, und Makulaforamen in bis zu 67% erreicht werden können. Somit ist die pneumatische Vitreolyse eine vielversprechende Option der Behandlung einer VMT, der in Zukunft mehr Beachtung geschenkt werden sollte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein VMT bei gutem Visus ohne Metamorphopsien zunächst über 3 Monate, bei Vorliegen eines durchgreifendem Makulaforamens über einen Monat beobachtet werden sollte. Im seltenen Falle einer Progression der traktiven Veränderungen oder bei Sehminderung sind breitbasige VMT, VMT mit ERM oder konkomitanter retinaler Pathologie (AMD etc.) der ppV vorenthalten. Bei fokaler VMT ohne ERM oder retinale Komborbidität können Ocriplasmin oder die pneumatische Vitreolyse versucht werden, wobei Ocriplasmin vor allem bei Vorliegen mehrerer oben genannter positiver prädiktiver Faktoren zu wählen ist.

Chirurgische Therapie von Makulaforamina: Während bei konventionellen durchgreifenden Makulaforamina die Diagnose und Therapieabsicht relativ offensichtlich sind, sind nicht-durchgreifende Defekte oft schwerer zu beurteilen. Als prognostisch relevant wurde in den letzten Jahren eine Neueinteilung von nicht durchgreifenden Makulaforamina anhand der OCT vorgenommen. Dabei lassen sich Pseudoforamina von Makulaschichtforamen unterscheiden. Pseudoforamina sind dabei immer mit einer ERM assoziiert. Durch die ERM mit Verdickung der parafovealen Netzhaut kommt es scheinbar zur (v.a. wie von Gass beschriebenen funduskopisch sichtbaren) „Lochbildung“ foveal, obwohl die innere Foveadicke beim Pseudoforamen normal ist und somit kein Gewebeverlust besteht (s. Abb. 1). Beim Makulaschichtforamen ist dagegen ein Gewebeverlust zu sehen, oft in Form von intraretinaler Spaltbildung; ebenso ist, umgekehrt zum Pseudoforamen, die parazentrale Netzhautdicke normal, während die innere Foveadicke reduziert ist – auch wenn zu Beginn die Photorezeptorschicht noch intakt sein kann.

Beide nicht-durchgreifenden Foramentypen unterscheiden sich dabei stark im Ansprechen auf eine chirurgische Versorgung. Bei Pseudoforamina mit signifikanter Visusminderung (besonders ab <0,5) und/oder Metamorphopsien ist in der Regel eine Verbesserung der Sehschärfe und subjektiven Sehqualität gut zu erreichen und damit die ppV mit ERM und ILM-peeling bei signifikanten Beschwerden indiziert. Bei Schichtforamina zeigt sich nach ppV häufig keine Besserung, sondern nur eine Stabilisierung des Befundes, der sich bei konservativem Vorgehen oft langsam milde verschlechtert. Zur OP-Indikation bei Schichtforamina sollten deshalb eine signifikante Sehminderung unter Beobachtung, sowie das (Neu-)Auftreten oder die Verschlechterung einer zusätzlichen traktiven ERM zählen.

Bei durchgreifenden Makulaforamina hat sich die pars plana Vitrektomie mit ILM-peeling und Gas-, manchmal Lufttamponade und postoperativer Bauchlage bewährt. Unklar ist derzeit, welche Strategie bei großen Foramina anzuwenden ist. Als Techniken des Gewebe-„Ersatzes“ wurden in den letzten Jahren ILM-grafts/patches, Thrombozytenkonzentrate, Transplantationen der Linsenkapsel, Retinatransplantate, als auch Amnionimplantate diskutiert. Als derzeit am häufigsten angewandte Technik wird der von Michalewska und Kollegen 2010 eingeführte inverted ILM-patch genutzt, der Verschlussraten bis 98% und bessere funktionelle Ergebnisse als bei reiner Vitrektomie mit ILM-peeling erlaubt. Weitere Studien müssen zeigen, welche Technik die besten – und wie vielversprechende – Rehabilitationsmöglichkeiten zulässt.

3D „heads-up“ Visualisierung in der vitreoretinalen Chirurgie: Als Alternative zur konventionellen Chirurgie mittels Mikroskop bieten sich seit Kurzem kommerziell erhältliche videogestützte 3D-Visualisierungssysteme an. Diese bestehen aus einer „high dynamic range“ (HDR) Kamera, die an den Arm des Operationsmikroskops angeschlossen wird. Diese filmt die Operation live und gibt sie nach Verarbeitung über einen Hochleistungs-Graphiprozessor ohne Verzögerung in Echtzeit über ein 3D 4K-Display wieder. Der Chirurg trägt dabei eine Brille mit passiven, zirkulär polarisierten Gläser, die über das Display eine dreidimensionale Wahrnehmung des Operationsfeldes erlauben. Dies bietet einige Vorteile: Dazu gehören Vergrößerungen, die mittels konventioneller Mikroskopie nicht praktikabel angeboten werden können, sowie eine Vergrößerung des chirurgischen Gesichtsfelds, das den ganzen Bildschirm ausfüllt. Von großem Vorteil ist die Verbesserung der Tiefenschärfe, die mehrere Ebenen gleichzeitig scharf abbilden kann (evident beispielsweise bei der Kataraktchirurgie, bei der retrolentale Glaskörpertrübungen plötzlich sichtbar werden). Ebenso ist die Ausleuchtung des Operationsfeldes deutlich besser als bei der konventionellen Mikroskopie, was analog zu heutigen Digital-/Smartphonekameras über das HDR-Prinzip (Verrechnung verschiedener unterschiedlich ausgelichteter Belichtungsstufen) erreicht wird. Aufgrund des großen Bildschirms ist das System hervorragend für das Lehren von Chirurgie geeignet, da mehrere Operateure mit gleich gutem Einblick partizipieren können.

Ebenso ist aufgrund der aufrechten Position des Chirurgen ein ergonomischeres Operieren möglich, ohne sich dauerhaft nach vorne Richtung Okular beugen zu müssen. Dies erlaubt, während der Operation die Sitzposition zu ändern, und entlastet Rücken und Nacken. Auch bei Lagerungsproblemen des Patienten, z.B. bei M. Bechterew, erleichtert das 3D-System die Visualisierung.