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Potenzial eines Sicherstellungsauftrags für die Hebammenbetreuung im ambulanten Bereich
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Veröffentlicht: | 7. Februar 2024 |
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Hintergrund und Fragestellung: In Deutschland haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf Hebammenbetreuung im ambulanten Bereich während Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit. Untersuchungen legen nahe, dass nicht alle Hebammenleistungen in allen Regionen ausreichend verfügbar, akzeptiert und für alle gleich zugänglich sind. Im deutschen Gesundheitssystem existiert für die Gewährleistung gesundheitlicher Versorgung das Instrument eines gesetzlichen Sicherstellungsauftrags, der beispielsweise im Bereich der kassenärztlichen Versorgung die Ärzt*innen selbst verpflichtet, eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten.
Ziel: Es wurde untersucht, ob das Instrument eines Sicherstellungsauftrags für die Hebammenbetreuung im ambulanten Bereich die geburtshilfliche Versorgung verbessern könnte.
Methodik: Zur Einschätzung des Potenzials eines Sicherstellungsauftrags wurde das „Framework for development and evaluation of complex interventions“ angewendet. Demzufolge wurde eine Kontextanalyse mittels Literaturrecherche sowie leitfadengestützter Expert*inneninterviews aus den Perspektiven verschiedener Interessengruppen durchgeführt. Es wurden 6 Studien, 15 durch Bundesländer und Bund beauftragte Gutachten, Studien und Berichte zur Hebammenversorgung, etwa 15 weitere Dokumente sowie 6 Interviews ausgewertet.
Ergebnis: Die Evidenzen zeigen, dass für eine hochwertige Versorgung von Müttern und Neugeborenen für alle Frauen eine hebammengeleitete kontinuierliche Betreuung gewährleistet und nur bei Risiken Ärzt*innen hinzugezogen werden sollten. Diese hochwertige Versorgung wird in Deutschland nicht erreicht, weil Schwangerenvorsorge durch Hebammen nicht akzeptiert, oft nicht verfügbar und also nicht gewährleistet ist, dass alle Frauen sämtliche Leistungen kontinuierlich bei einer Hebamme oder einem Hebammenteam erhalten können. Insgesamt ist der Zugang zu Hebammenbetreuung erschwert. Sozioökonomisch benachteiligte Frauen erhalten seltener Hebammenbetreuung. Demnach sind veränderte Versorgungs- und Angebotsstrukturen erforderlich, um den Zugang zu erleichtern, die Akzeptanz zu erhöhen und so eine flächendeckende Versorgung durch Hebammen zu erreichen. Auch das Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ fordert eine Verbesserung der Versorgung mit Hebammenbetreuung. Ein entsprechender Sicherstellungsauftrag könnte Entwicklung und Etablierung dafür geeigneter Strukturen fördern. Seine Chancen und Risiken hängen jedoch von seiner Ausgestaltung ab und es zeigen sich deutliche Barrieren und Unsicherheiten. So bestehen offenbar bei den Hebammen selbst Vorbehalte gegenüber berufsregulierenden Strukturen und der für eine kontinuierliche Primärversorgung durch Hebammen erforderliche Systemwechsel von einer ärztlichen zu einer hebammengeleiteten Schwangerenvorsorge wäre mit der Überwindung großer Hürden verbunden.
Relevanz: Ein Sicherstellungsauftrag für Hebammenbetreuung im ambulanten Bereich könnte ein geeignetes Instrument sein, die geburtshilfliche Versorgung wie auch im Nationalen Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ gefordert, zu verbessern.
Schlussfolgerung: Ein Sicherstellungsauftrag für Hebammenbetreuung im ambulanten Bereich lässt Potenzial erkennen, vorausgesetzt, er wird geeignet ausgestaltet und es werden Unsicherheiten und Barrieren überwunden. Hierfür ist weitere Forschung durch ein Team unter Beteiligung relevanter Interessengruppen erforderlich.
Ethik und Interessenkonflikte: Dieses Abstract wurde im Kontext einer Masterarbeit verfasst. Am 13.04.2023 erging ein positives Votum der Ethikkommission der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf für die Studie. Die Forschung wurde durch Eigenmittel finanziert. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.
Das PDF des für die Tagung eingereichten Posters ist in deutscher Sprache als Anhang 1 [Anh. 1] verfügbar.