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Rassistische Diskriminierung im Kontext geburtshilflicher Versorgung in Deutschland
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Veröffentlicht: | 7. Februar 2024 |
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Hintergrund: Rassistische Diskriminierung kann sich über verschiedene Ebenen negativ auf die Gesundheit auswirken. Es gibt in der internationalen Literatur Hinweise darauf, dass Rassismus in der Geburtshilfe zu verschlechterten maternalen und neonatalen Outcomes bezüglich diverser Parameter führt. In Deutschland gibt es bisher keine systematischen Untersuchungen, die sich mit rassistischer Diskriminierung und rassistischen Einstellungen beim medizinischen Personal befassen.
Ziel/Fragestellung: Das Ziel der Forschungsarbeit war es, erste Einblicke in die Thematik zu ermöglichen und die relevanten Diskurse im Hebammenhandeln zu eruieren. Hierzu sollte die leitende Forschungsfrage: „Welches rassistische Wissen und welche rassistischen Strukturen bestehen im Kontext der geburtshilflichen Versorgung und inwiefern wirken sich diese auf die handelnden Personen und die Betreuung der Gebärenden aus?“ beantwortet werden.
Methodik: Um die verdeckten Verästelungen rassistischer Wirkweisen zu erforschen, wurde sich für die Methode der Expert*inneninterviews entschieden. Mittels purposive Sampling (kriterienorientiert) wurden Interviewpartner*innen mit folgenden Einschlusskriterien rekrutiert: seit mindestens einem Jahr examinierte Hebamme und innerhalb der letzten zwei Jahre beruflich als Hebamme im Kreißsaal. Es ergab sich eine Stichprobe von fünf Hebammen (aus ganz Deutschland, 3–15 Jahre Berufserfahrung, tätig in unterschiedlichen Anstellungen). Die Interviews wurden aufgezeichnet, anonymisiert und transkribiert. Eine ausführliche Datenschutzaufklärung und Einverständnis erfolgte und ein positives Ethikvotum der Ethikkommission der Universität Bielefeld wurde zuvor eingeholt. Die Interviews wurden anschließend mittels der strukturierenden Inhaltsanalyse nach Gläser und Laudel ausgewertet.
Ergebnisse: Das rassistische Wissen, das in der geburtshilflichen Versorgung besteht, zeigt sich so vor allem in Rassismus gegen Schwarze Menschen, antimuslimischem Rassismus, Antiromanismus und antiasiatischem Rassismus. Rassismus konnte auf interaktionaler, institutioneller und struktureller Ebene von den Expert*innen beobachtet werden. In verschiedenen Kliniken, in unterschiedlichen Regionen Deutschlands und von Expert*innen mit unterschiedlicher praktischer Erfahrung wurden die gleichen Zuschreibungen und Gruppierungsmechanismen beschrieben, sodass davon auszugehen ist, dass das rassistische Wissen als implizites Wissen auch im Rahmen des professionellen Wirkens produziert und reproduziert wird.
Relevanz: Diese Diskurse und Strukturen scheinen sich auch negativ auf die quantitative und qualitative Betreuung auszuwirken. Dies zeigt sich zum Beispiel durch das Angebot an schmerzlindernden Maßnahmen, das die Betroffenen erhalten, die Zeit, die die Hebammen im Kreißsaal mit den Betreuten verbringen und die Empathie, die die Hebammen den Betreuten entgegenbringen.
Schlussfolgerung: Es scheinen zahlreiche rassistische Diskurse im Rahmen der geburtshilflichen Versorgung präsent und wirksam zu sein. Diese wirkten sich auf die Betreuung aus, so dass die betroffenen Frauen schlechter versorgt werden. Weitere Forschung, auch des Erlebens der Betroffenen, ist unabdingbar und dringend nötig.
Ethik und Interessenkonflikte: Dieses Abstract wurde im Kontext einer Masterarbeit verfasst. Es liegt ein positives Ethikvotum der Ethikkommission der Universität Bielefeld vor (Antrag-Nr. 2021-163). Die Forschung wurde durch Eigenmittel finanziert. Es liegen keine Interessenkonflikte vor.
Das PDF des für die Tagung eingereichten Posters ist in deutscher Sprache als Anhang 1 [Anh. 1] verfügbar.