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2. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi)

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.

21.02.2014, Kassel

Befähigt eine Hebammenausbildung in der Klinik zur Begleitung einer physiologischen Geburt? Qualitative Forschung aus dem Bereich der außerklinischen Geburtshilfe

Meeting Abstract

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Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. 2. Internationale Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft. Kassel, 21.-21.02.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14dghwiV6

doi: 10.3205/14dghwi06, urn:nbn:de:0183-14dghwi065

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/meetings/dghwi2014/14dghwi06.shtml

Veröffentlicht: 18. Februar 2014

© 2014 Stone.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Das Erlernen des Hebammenberufes in Deutschland geschieht zum überwiegenden Teil in Krankenhauskreißsälen, wo Infusionen, Oxytocinverabreichung, Schmerzmittelzugabe und Kaiserschnitte die Regel sind. Die Schlussfolgerung für Hebammenschülerinnen ist, dass sie nur wenig physiologische Geburten ohne Interventionen begleitet haben. Das Erlernen eines Berufes heißt nicht nur praktische Tätigkeiten einzuüben, sondern auch, in ein Berufsmilieu sozialisiert zu werden (Benoit, 1989). Laut Benoit et al. (2001, S. 139): Die Hebammenausbildung „bezieht sich auf die vorschriftsmäßigen Anforderungen und Organisation der Ausbildung der Hebamme“, während Sozialisation „das informelle Verfahren, worin eine Hebamme die gemeinsame Kultur der Geburtshilfe übernimmt, bedeutet.“ Ivan Illich (1973, in Benoit et al., 2001, S. 139) nannte diese „heimlicher (verschleierter) Lehrplan“ (auf Englisch: hidden curriculum). An historischen Beispielen können wir sehen, dass schon im 18. Jahrhundert – nach Berichten von Frauen – eine Hausgeburt mit einer in der Hebammenschule ausgebildete Hebamme nicht zu einer zufriedenen Betreuung geführt hat – die Hebamme wurde für die klinische Betreuung einer Geburt ausgebildet, aber nicht für die häusliche Betreuung (Labouvie, 2007).

Methode: Im Rahmen meiner Masterarbeit wurde eine qualitative Studie in einem Geburtshaus in Berlin durchgeführt. Zu der Studie gehörten fünf semi-strukturierte Expertinnen-Interviews mit den Hebammen im Geburtshaus (jeweils eine Stunde), als auch ca. 50 Stunden Participant Observation bei Geburten. Nach Abschluss des Master-Studiums im Rahmen eines (persönlichen) Projektes wurden vier Hausgeburtshebammen in Frankreich interviewt (semi-strukturierte Interviews, Hebammen nach folgendem Kriterium ausgesucht: Vollzeit-Beschäftigung, mehr als vier Klientinnen im Monat; Interviewdauer 45 Min. bis 1 ½ Stunden). Alle Interviews wurden aufgenommen, transkribiert und nach der Grounded Theory analysiert (offenes, axiales und selektives Kodieren, um Kategorien zu generieren) (Charmaz, 2009).

Ergebnisse: Die Kategorien (Codes), die aus den Daten gewonnen wurden, waren u.a.:

1) Seeing to learn – learning to see: Alle Hebammen durchlaufen einen Prozess, den sie beim Wechsel von klinischer Tätigkeit zu außerklinischen Tätigkeit ähnlich beschreiben. Das Beobachten von außerklinischen Geburten war dabei ein integraler Teil des Lernprozesses.

2) From thinking pathologically to honoring individuality: Die Betreuung von Frauen außerhalb der Klinik orientiert sich am Geburtsprozess und an den individuellen Rhythmen der Frau und nicht an den in der Ausbildung und in der Klinik praktizierten Standards.

3) Negotiating normality: Normalität oder das, was als normal betrachtet wird, bekommt eine andere Bedeutung außerklinisch, als sie es in der Arbeit in der Klinik gehabt hat.

Empfehlungen: Die Fähigkeit, eine Geburt ohne oder mit wenig invasiven Interventionen zu begleiten, muss erlernt werden. Wenn ein positiver Einfluss auf die Verminderung der Interventionen (als auch die Kaiserschnittrate) ein Ziel ist, dann müssen Hebammen in ihrer Ausbildung Geburten ohne Interventionen sehen und begleiten.