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Die individuelle Therapieentscheidung bei Avulsions-Amputationsverletzung des Daumens mit Ausriss der langen Streck- und Beugesehnen
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Veröffentlicht: | 27. August 2021 |
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Fragestellung: Eine Avulsions-Amputationsverletzung der Finger ist eine Notfallindikation zur sofortigen Replantation oder je nach Weichteilzustand einer Amputation. Insgesamt ist die Avulsionsverletzung per se eine Verletzung mit schlechterem Outcome, da der initiale Weichteilschaden oft nicht offenkundig wird. Betrifft die Avulsionsverletzung den Daumen, so sollte die Replantation erfolgen. Zusätzlich kommt es häufig zum Ausriss der langen Streck- und Beugesehnen, sowie zu knöchernen Begleitverletzungen und dem Ausreißen des 1. und 2. Gefäßnervenbündels. Dieser Fall zeigt die notwendige, situationsabhängige individuelle Entscheidung des Behandlungsteams als Rettungsoperation.
Methodik: Eine 32-jährige Patientin geriet bei der Arbeit mit einer Bohrmaschine mit Handschuhen in die Bohrvorrichtung und zog sich eine Avulsions-Amputationsverletzung des Daumens mit Trümmerfraktur an der Basis der proximalen Phalanx, Ausriss der langen Streck- und Beugesehnen aus der Muskulatur, sowie Ausriss des 1. und 2. Gefäß-Nervenbündels zu. Es zeigte sich aufgrund des getragenen Handschuhs keine starke Verschmutzung, so dass das Team sich zur Replantation entschied. Bei der operativen Versorgung erfolgte die Stabilisierung der Trümmerfraktur mittels winkelstabiler Plattenosteosynthese und K-Drähten, die mikrochirurgische Naht der 2. Palmararterie und einer dorsalen Vene. Es zeigte sich eine normale Rekapillarisierungszeit. Die palmaren Nerven waren nicht zu erhalten. Mit dem Ziel der frühfunktionellen Behandlung erfolgten motorische Ersatzoperationen mit Transfer der FDS IV- auf die FPL-Sehne und Indizistransfer.
Ergebnisse: Die rheologischen Therapien mit Heparinperfusor und Plexuskatheter, sowie Blutegeltherapie bei venöser Stauung erfolgten. Aufgrund der Avulsionsverletzung kam es im Verlauf zur Nekrose des dorsalen Hautlappens und es erfolgte die Deckung mit einem Foucher Lappen. Der Daumen wurde frühfunktionell beübt.
Ein Jahr postoperativ zeigt sich eine gute Funktion des Daumens mit reizlosen Hautverhältnissen. Die 2-Punkte Diskrimination ist nicht vorhanden, die Schutzsensibilität ist erhalten. Die Patientin arbeitet nicht mehr als Produktionshelferin, aber wieder in ihrem vorherigen Beruf als Bürokauffrau.
Schlussfolgerung: Die vorgestellte Kasuistik verdeutlicht, dass bei diesen seltenen Verletzungen eine individuelle Therapieentscheidung in einem handchirurgischen Zentrum notwendig ist, wobei nicht nur die primäre Operation, sondern auch die engmaschige stationäre weitere Therapie wichtige Faktoren sind für den Erfolg.