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54. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie

Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie

10.10. - 12.10.2013, Düsseldorf

Die Masquelet-Technik zum Knochenaufbau nach Defekt am Radiusschaft durch Osteitis

Meeting Abstract

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  • corresponding author presenting/speaker Sascha Flohé - Klinik für Unfalll- und Handchirurgie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
  • Armin Scholz
  • Sebastian Gehrmann
  • Joachim Windolf

Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie. 54. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie. Düsseldorf, 10.-12.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. Doc13dgh42

doi: 10.3205/13dgh42, urn:nbn:de:0183-13dgh428

Veröffentlicht: 7. Oktober 2013

© 2013 Flohé et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Wir berichten von einem 19-jährigen Patienten, der sich im Rahmen eines Pkw-Unfalls eine 1°-offene, distale Unterarmfraktur zugezogen hatte. Nebenbefundlich fanden sich ein Schädel-Hirn-Trauma, eine HWK-Fraktur und eine distaler Oberarmfraktur. Die primäre Versorgung der distalen Unterarmfraktur erfolgte offen chirurgisch über einen palmaren radialen und einen ulnaren Zugang, die Stabilisierung wurde durch je eine konventionelle Plattenosteosynthese an Radius und Ulna vorgenommen. Nach primärer Wundheilung und funktioneller Nachbehandlung stellte sich der Patient 6 Wochen postoperativ mit klinischen Zeichen einer Infektion im Bereich des palmaren radialen Zugangs vor. Bei der operativen Revision zeigte sich eine Osteitis mit klinischen Infektzeichen des Plattenlagers, freiliegende Knochensequester und eine Besiedelung mit Clostridium sporogenes. Durch das notwendige Débridement der Weichteile und des Knochens entstand ein Knochendefekt am Radiusschaft über eine Länge von 5 cm, der Abstand des Defekts von der Radiusgelenkfläche betrug 6 cm.

Methodik: Im Rahmen der ersten Revisionsoperation erfolgte die externe Stabilisierung mittels Fixateur externe und die Einlage von Antibiotikaketten (Gentamycin). Bei der ersten geplanten Revision zeigten sich klinisch saubere Wundverhältnisse, Keime waren nur nach Anreicherung nachweisbar. Es stellte sich nun einerseits die Frage nach der Defektüberbrückung, andererseits nach der Prophylaxe eines Infektrezidivs. Wir führten unter der Überlegung, sowohl eine Infektrezidivprophylaxe vorzunehmen, als auch den späteren Knochenaufbau zu ermöglichen, die Implantation eines Zementspacers (Gentamycin-Palacos). Die Zementspacer-Implantation wurde gemäß der Masquelet-Technik durchgeführt. Die Technik wurde für andere Röhrenknochen beschriebenen, jedoch noch nicht am Radiusschaft durchgeführt. Nach Wundheilung erfolgte eine krankengymnastische Übungstherapie, 6 Wochen postoperativ hatte sich eine 2–3 mm dicke Membran schlauchförmig um den Spacer ausgebildet. Die nach Entfernen des Spacers freiwerdende 5 cm lange Höhlung wurde mit Spongiosa aus dem vorderen Beckenkamm und einer zentralen Einlage von gentamycinhaltigen Kollagenfleece aufgefüllt. Nach weiteren 6 Wochen erfolgte die Entfernung des Fixateur externe am Radius und die Stabilisierung mittels langer winkelstabiler Plattenosteosynthese.

Ergebnisse: 6 Monate später präsentierte sich der Patient mit kompletter knöcherner Überbauung des Knochendefekts und belastungsstabilem Radiusschaft ohne klinische oder radiologische Hinweise auf eine erneute Knocheninfektion. Die Ausheilung erfolgte unter einem geringen Längenverlust des Radiusschaftes mit einem aktuell nicht symptomatischen Ulnavorschub, der in Zukunft ggf. noch durch eine Ulnaverkürzung zu behandeln ist.

Schlussfolgerung: Es existieren bisher keine Berichte oder Ergebnisse über eine Behandlung von Knochendefekten am Radiusschaft mit der Technik nach Masquelet. Knocheninfektionen am Radiusschaft sind seltene Ereignisse, die i.d.R. bei immunkompromittierten Patienten oder, wie in diesem Fall, nach einer offenen Fraktur auftreten. Die Knocheninfektion im Schaftbereich langer Röhrenknochen führt durch das notwendige Débridement nicht selten zu erheblichem Substanzverlust. Knochendefekte bis maximal 3 cm können in Abhängigkeit des Regerationspotentials der Umgebung mit autologer Spongiosatransplantation behandelt werden. Bei größeren Defekten kommen Techniken des Segmenttransports, die nach ihrem Erstbeschreiber benannte Masquelet-Technik und gefäßgestielte Knochentransplantationen in Frage. Die Masquelet-Technik ist für den Unterschenkel und mit Einschränkung für Knochendefekte am Femur ein zunehmend angewandtes Verfahren, welches in kleineren Fallserien an der Tibia sehr gute Ergebnisse zeigt. Der Segment-Transport stellt am distalen Unterarm wegen der geringen Weichteildeckung und der Störung der Membrana interossea keine sinnvolle Behandlungsalternative dar. In dem demonstrierten Fall konnten wir zeigen, dass die Masquelet-Technik auch in der Region des distalen Unterarms durchaus sinnvoll eingesetzt werden kann. Als ein Vorteil dieses Verfahrens ist neben dem kompletten knöchernen Überbau des Knochendefekts in einem akzeptablen Zeitraum noch die Möglichkeit zur Applikation einer lokalen Antibiose zu nennen.