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Neurobiologische Korrelate der Hyperaktivität bei der Anorexia nervosa
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Veröffentlicht: | 8. Februar 2012 |
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Veröffentlicht mit Erratum: | 21. Februar 2012 |
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Hintergrund: Patientinnen mit Anorexia nervosa (AN) zeigen häufig eine ausgeprägte Hyperaktivität, die als prognostisch ungünstig gilt. Erklärungsmodelle nehmen teils eine Funktion für die Gewichts- oder Affektregulation an, greifen teils auf evolutionäre Ansätze zurück oder postulieren, basierend auf Tiermodellen, biophysiologische Zusammenhänge. Die meisten dieser Modelle nehmen an, dass Bewegung primär oder sekundär belohnend wirkt. In unserer Studie werden erstmals experimentell neurobiologische Korrelate der Verarbeitung bewegungsbezogener Reize mit Schwerpunkt auf der Belohnungsverarbeitung untersucht.
Methodik: Die Blickbewegungen von 15 Patientinnen mit AN, 15 Nicht-Sportlerinnen und 15 Ausdauersportlerinnen wurden erfasst, während sie Reizmaterial betrachteten, das sportliche Aktivität versus Passivität abbildet. Über Fragebögen wurden Essstörungssymptome, Einstellungen gegenüber und Quantität körperlicher Aktivität, Zwanghaftigkeit, Perfektionismus und Belohnungssensitivität erfasst.
Ergebnisse: Die körperliche Aktivität der Patientinnen und Ausdauersportlerinnen war vergleichbar und höher als die der Nicht-Sportlerinnen. Die Patientinnen zeigten jedoch deutlich dysfunktionalere Einstellungen gegenüber Aktivität als gesunde Frauen. Die Patientinnen verweilten 30% länger auf den aktiven im Vergleich zu den passiven Reizen und zeigten damit im Vergleich zu beiden Kontrollgruppen eine starke Tendenz gegenüber den Aktivitätsreizen, die positiv korreliert war mit dem Ausmaß körperlicher Aktivität und der Ausprägung dysfunktionaler Einstellungen gegenüber Aktivität. Keine Zusammenhänge ergaben sich mit Zwanghaftigkeit, Perfektionismus und Belohnungssensitivität.
Diskussion: AN-Patientinnen zeigten in ihren Blickbewegungen eine ausgeprägte Bevorzugung körperlicher Aktivität. Obwohl sie körperlicher ähnlich aktiv waren wie Ausdauersportlerinnen, zeigten sich deutliche Unterschiede in der Verarbeitung des Reizmaterials, was auf einen Beitrag der Essstörungspathologie zurückzuführen sein dürfte. Unsere Daten liefern erste experimentelle Hinweise darauf, dass Reize, die mit Kalorienverbrauch und Gewichtskontrolle assoziiert sind, von Patientinnen als belohnend empfunden werden.