Artikel
Emotionsbedingtes Essverhalten in Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge-Eating-Störung
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 24. Oktober 2007 |
---|
Gliederung
Text
Emotionen wird bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Essstörungen eine zentrale Bedeutung beigemessen. Inwieweit Personen mit verschiedenen Essstörungen jedoch in gleichem Ausmaß emotionsbedingte Veränderungen im Essverhalten erleben, ist bisher ungeklärt. Ziel dieser Studie war die Beantwortung der Frage, wie Emotionen das Essverhalten essgestörter und gesunder Frauen verändern. Darüber hinaus wurde untersucht, ob es differentielle Effekte von Emotionen in ihren Wirkungen auf das Essverhalten gibt.
Frauen mit Anorexia nervosa (n=45; restriktiver Typus n=22, binge-eating/purging Typus n=23), Bulimia nervosa (n=48), Binge-Eating-Störung (n=12) und gesunde Frauen (n=48) beurteilten anhand eines Emotions-Reaktions-Inventars (ECEQ, Macht, 1999), wie stark verschiedene Merkmale des Essverhaltens durch Ärger, Freude, Langeweile und Anspannung verändert werden. Eine Faktorenanalyse des ECEQ ergab drei zu unterscheidende Varianten des Essverhaltens: impulsives Essverhalten, Hungerreduktion und hedonisches Essverhalten. Als Kontrollvariablen wurden das Strukturierte Inventar für Anorektische und Bulimische Essstörungen (SIAB-S), der Dutch Eating Behavior Questionnaire (DEBQ) und die Differential Emotions Scale (DES) eingesetzt.
Emotionsbedingte Unterschiede im Essverhalten zwischen essgestörten und gesunden Frauen treten bei negativen Emotionen, nicht aber bei der positiven Emotion Freude auf. Frauen mit Bulimie oder Binge-Eating-Störung erleben bei Langeweile, Ärger und Anspannung ein stärkeres impulsives Essverhalten und ein stärkeres hedonisches Essverhalten als Frauen mit restriktiver Anorexie und Gesunde. Im Gegensatz zu Frauen mit Bulimie oder Binge-Eating-Störung berichten Frauen mit restriktiver Anorexie und Gesunde eine stärkere Hungerreduktion nach negativen Emotionen. Sowohl bei Frauen mit Essstörungen als auch bei Gesunden entfaltete Langeweile im Vergleich zu den anderen Emotionen die stärkste Wirkung im impulsiven Essverhalten und bei der Hungerreduktion. Im hedonischen Essverhalten entfaltete neben Langeweile auch Freude stärkere Ausprägungen gegenüber Ärger und Anspannung bei essgestörten und gesunden Frauen.
Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von negativen Emotionen auf das Essverhalten bei denjenigen Essstörungen, welche mit dem Auftreten von Essanfällen einhergehen. Negative Emotionen, insbesondere Langeweile, könnten bei der Aufrechterhaltung von Bulimie und Binge-Eating-Störung ein entscheidender Faktor sein. Innerhalb der Therapie der Bulimie und Binge-Eating-Störung sollte daher ein adäquater Umgang mit negativen Emotionen vermittelt werden. Bei der Anorexie scheinen Emotionen im Zusammenhang mit dem anorektischen Essverhalten eine geringere Stellung einzunehmen, da anorektische und gesunde Frauen in gleichem Ausmaß emotionsbedingte Veränderungen im Essverhalten erleben.