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133. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

26.04. - 29.04.2016, Berlin

Ethische Anmerkungen zur Ausbreitung des Utilitarismus (Nutzenethik) und zum Ersatz von Vertrauen durch Kontrolle innerhalb der Chirurgie

Meeting Abstract

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  • Thomas Friedrich Weigel - Heilig-Geist-Hospital Bingen, Allgemein-und Viszeralchirurgie, Bingen, Deutschland
  • Ernst Hanisch - Asklepios Klinik Langen, Chirurgie, Langen, Deutschland
  • Christian Hessler - Heilig-Geist-Hospital Bingen, Allgemein-und Viszeralchirurgie, Bingen, Deutschland
  • Norbert W. Paul - Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 133. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Berlin, 26.-29.04.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dgch125

doi: 10.3205/16dgch125, urn:nbn:de:0183-16dgch1259

Veröffentlicht: 21. April 2016

© 2016 Weigel et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die Medizin ist eine Handlungswissenschaft, konstituiert sich aber letztlich durch die klinische Praxis und den Umgang mit PatientInnen. Daher hat die Medizin ein eigenes normatives Gerüst zur Bewertung von Handlungen. Auch dem praktisch tätigen Chirurgen stellt sich daher stets die Frage: Wie handle ich richtig?

Der Gegenstand der Ethik als Teilgebiet der praktischen Philosophie, ist es, die Bedingungen für die Moralität von Handlungen zu klären. Traditionell gehörte zu den wichtigsten Konzepten der Ethik neben Tugenden (Aristoteles), die Deontologie (Kant) und der von Jeremy Bentham 1780 begründete Utilitarismus.

Material und Methoden: Der Utilitarismus bewertet die Folgen einer Handlung. Eine Handlung ist dann richtig, wenn die Folgen dieser Handlung den größtmöglichen Nutzen für die von der Handlung betroffenen Menschen haben. Der Nutzen ist dann hoch, wenn das Glück der Betroffenen und die Anzahl der Betroffenen erhöht werden. Daher muss eine Nutzensummenkalkulation für die jeweilige Handlung erstellt werden. Der Nutzen wird dabei letztendlich bemessen [1].

Die zunehmende Bedeutung der Ergebnisqualität und anderen Faktoren wie Erlösoptimierung, Wettbewerb, Fallzahlsteigerung u.a. innerhalb der Chirurgie führen dazu, dass chirurgische Handlungen immer häufiger ausschließlich nach dem erwartbaren Nutzen bewertet werden. Daher werden „Surrogat Marker“ der Nutzenmessung immer bedeutsamer, auch wenn sie teilweise am Ziel utilitaristischer Ethik vorbeigehen und epidemiologische und ökonomische Kennzahlen mit Angaben zum Nutzen verwechseln.

Schlussfolgerung: Mit der Nutzenmessung zieht auch eine Kultur der Kontrolle in die Chirurgie ein, in der Konzepte von Vertrauen nachrangig werden [2]. Was bedeutet das jedoch für die Grundlage des sozialen Zusammenhalts [3]?

Der Beitrag nimmt die Zunahme von Kontrolle auf der Basis eines falsch verstandenen Utilitarismus in den Blick und versucht, alternative Handlungsräume zu eröffnen.


Literatur

1.
Höffe O. Der klassische Utilitarismus: Bentham, Mill, Sidgwick. In: Höffe O, Hrsg. Einführung in die utilitaristische Ethik. Tübingen; 2013.
2.
Han BC. Transparenzgesellschaft. Berlin; 2012.
3.
Hartmann M. Einleitung. In: Hartmann M, Offe C, Hrsg. Vertrauen. Die Grundlage des sozialen Zusammenhalts. Frankfurt; 2001.