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Langzeitergebnisse, Morbidität und Lebensqualität nach offener Abdomenbehandlung bei allgemeinchirurgischen Patienten: Folgen der „abdominalen Katastrophe“
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Veröffentlicht: | 21. März 2014 |
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Einleitung: Die offene Abdomenbehandlung ist eine etablierte “damage control” Strategie bei Traumapatienten. Zunehmend wird die offene Abdomenbehandlung zur Behandlung bei abdominaler Sepsis oder schwerer Peritonitis bspw. nach komplikativen allgemeinchirurgischen Behandlungsverläufen oder nekrotisierender Pankreatitis eingesetzt. Allerdings sind Langzeitergebnisse oder günstige prädiktive Faktoren nach offener Abdomenbehandlung bei nicht-Trauma Patienten nahezu unbekannt, was die chirurgische Entscheidungsfindung und das Management solcher Patienten in der allgemeinchirurgischen Praxis erschwert. Die Identifikation solcher Faktoren und Evaluation des Langzeitverlaufes sowie der Lebensqualität nach offener Abdomenbehandlung war daher Ziel der vorliegenden Arbeit.
Material und Methoden: Ausgedehnte klinische Daten von 174 allgemeinchirurgischen Patienten nach offener Abdomenbehandlung wurden in einem tertiären Referenzzentrum strukturiert erfasst und analysiert (u.a. Primäroperation, Indikation für offenes Abdomen, Grunderkrankung, Alter, ASA Score u.a.) und die Langzeitergebnisse bezüglich spezifischer Morbidität (Narbenhernien, enteroatmosphärische Fisteln, Malnutrition etc.) wurden erhoben. Überlebende Patienten wurden kontaktiert und klinisch untersucht (Erfassung von Malnutrition mittels Kondrup Score, Narbenbildung mittels VSS Score) und die Lebensqualität wurde im Vergleich zu einer Referenzgruppe mittels SF-36 Score ermittelt. Relevante klinische Parameter zur Prädiktion postoperativer Morbidität, Lebensqualität und Überleben wurden durch multiple logistische Regression identifiziert.
Ergebnisse: Die Hauptindikationen für offene Abdomenbehandlung waren Peritonitis, Anastomoseninsuffizienz, Blutung und abdominales Kompartmentsyndrom. Das mediane Patientenalter betrug 60 Jahre und >80% waren Patienten mit ASA Score III/IV. Onkologische Primäroperationen wurden in 20% der Fälle durchgeführt. Enteroatmosphärische Fisteln und Narbenhernien waren häufige Komplikationen der offenen Abdominalbehandlung (in 24% bzw. 85% der Fälle), Malignität war mit signifikant häufigerer enteroatmosphärischer Fistelbildung assoziiert. Vakuumbehandlung oder Polyglaktin-Mesh Interposition reduzierten das Auftreten von Narbenhernien nicht. Die Lebensqualität lange nach offener Abdomenbehandlung zeigte sich im Vergleich zu einer deutschen Referenzgruppe gleichen Alters stark eingeschränkt, vor allem männliche Patienten litten insbesondere unter prolongierter Arbeitsunfähigkeit. Die 30-Tage, 1-, 5- und 10 Jahresmortalität betrug jeweils 11%, 34%, 40% und 42%. Maligne Erkrankungen reduzierten das Überleben signifikant, während mildes Übergewicht das Überleben der abdominalen Katastrophe positiv beeinflusste.
Schlussfolgerung: Das allgemeinchirurgische Patientengut nach offener Abdomenbehandlung unterscheidet sich relevant von bekannten Verläufen bei Traumapatienten, mit deutlich höherer Mortalität und chirurgischer Morbidität. Der Langzeitverlauf wird maßgeblich durch die zugrundeliegende Erkrankung bestimmt und regelmäßige Nachuntersuchungen und unterstützende Rehabilitionsmaßnahmen sind angezeigt um die Morbidität zu reduzieren und die Lebensqualität dieser Patienten zu verbessern. Die chirurgische Entscheidungsfindung sollte die Kenntnis der identifizierten Risikofaktoren bei offener Abdomenbehandlung miteinbeziehen.