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Prognose älterer chirurgischer Intensivpatienten
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Veröffentlicht: | 1. Oktober 2007 |
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Einleitung: Mit zunehmendem Alter der Bevölkerung stellt sich in der chirurgischen Intensivmedizin immer häufiger die Frage wie viel Lebenszeit und Lebensqualität bei einem älteren Patienten zu erreichen ist. Nicht nur das Krankennhausüberleben sondern das Langzeitüberleben und die Lebensqualität müssen die Intensivtherapie mit ihrer besonderen Belastung für den älteren Patienten und ihren Kosten rechtfertigen. Beeinflussende Faktoren von Überleben und Lebensqualität bei unseren chirurgischen Intensivpatienten über 75 Jahren werden dargestellt.
Material und Methoden: Von n=314 Patienten über 75 Jahre die 2001-2004 auf unserer chirurgischen Intensivstation > 48h behandelt wurden, wurden die Krankenakten retrospektiv ausgewertet, das Überleben ermittelt und soweit möglich die Lebensqualität mittels Befragung (SF-36) ermittelt.
Ergebnisse: Der Altersmedian war 80 Jahre, 180 Patientinnen und 134 Patienten wurden erfasst. Die häufigsten Aufnahmediagnosen waren GI-Tumore (29%), Ileus und Mesenterialischämie (10%), Hohlorganperforationen (9%), GI-Blutungen (8%), Oberschenkelhalsfrakturen (9%), Polytrauma oder Schädelhirntrauma (7%) und andere Frakturen (5%). Der APACHE Wert (~ Erkrankungsschwere) lag durchschnittlich bei 15,5± 5,1 Punkten, der Core-10-TISS-Gesamt (~ therapeutischer Aufwand) lag im Durchschnitt bei 46,2 ± 77,9 Punkten. Die Liegedauer auf der Intensivstation war durchschnittlich 8,5 ± 8,6 Tage. 54 (17,2%) Patienten verstarben auf der Intensivstation, weitere 27 (8,6%) verstarben im Krankenhaus. 233 (74,2%) konnten entlassen werden. Das Gesamtüberleben wurde nach Kaplan-Meier geschätzt: 1Monat: 74%, 6Monate: 57%, 1Jahr: 48%, 2Jahre: 40%, 3Jahre: 35%, 4Jahre: 32%, 5Jahre: 32%. Das Gesamtüberleben war von folgenden (Vor-)Erkrankungen abhängig (logistische Regression nach Cox): Herzinsuffizienz (≥ NYHA II) p<0,001, Lungenerkrankungen p< 0,001, chronische Niereninsuffizienz p<0,001.Keinen Einfluss hatten KHK, pAVK, Diabetes mellitus oder maligne Erkrankungen. Auch Komplikationen beeinflussten das Gesamtüberleben: Pneumonie p< 0,001, Thrombose p<0,001, Sepsis p<0,001 und akutes Nierenversagen p< 0,001. Keinen Einfluss hatten dagegen das Durchgangssyndrom, Dekubitus, Op-Komplikationen und nosokomiale Infektionen mit multiresistenten Keimen.Auch notwendige intensivmedizinische Maßnahmen korrelieren mit dem Gesamtüberleben: Beatmung p<0,001, Kathecholamintherapie p< 0,001, Dialyse p<0,001 und Reanimation p< 0,001. Kein statistischer Zusammenhang besteht zu Transfusionen und Operationen. Eine Befragung zur Lebensqualität (SF-36) konnte nur von 28 Patienten ausgewertet werden. Bezüglich körperlicher Funktion, Rollenfunktion und Schmerz waren diese Patienten deutlich schlechter als eine altersentsprechendes Vergleichskollektiv (~ 25% Perzentile des Vergleichskollektives). Bei den sozialen und psychischen Dimensionen lagen die Patienten zwischen der 25% und 50% Perzentile.
Schlussfolgerung: Die Intensivtherapie chirurgischer Erkrankungen ermöglicht auch bei alten Patienten noch ein Überleben von mehreren Jahren. Das Überleben wird im Wesentlichen von Vorerkrankungen und der schwere der aktuellen Erkrankung nicht von der Notwendigkeit einer Operation oder dem numerischen Alter bestimmt. Die Lebensqualität nach einer Intensivbehandlung scheint jedoch auch im Vergleich zu einer altersentsprechenden Kontrollgruppe eingeschränkt zu sein.