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123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

02. bis 05.05.2006, Berlin

Gardner Variante der familiären Polyposis: 27 Jahre Verlaufsbeobachtung einer Sippschaft über 3 Generationen

Meeting Abstract

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  • C. Pavlik - Chirurgische Abteilung, Spital Oberengadin, CH-7503 Samedan, Schweiz
  • C. Fuchs - Chirurgische Abteilung, Spital Oberengadin, CH-7503 Samedan, Schweiz
  • K. Heinimann - Fachgruppe Humangenetik, Departement Forschung, Universitätsspital, CH-4031 Basel, Schweiz
  • corresponding author H.P. Simmen - Chirurgische Abteilung, Spital Oberengadin, CH-7503 Samedan, Schweiz

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Berlin, 02.-05.05.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06dgch4792

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgch2006/06dgch617.shtml

Veröffentlicht: 2. Mai 2006

© 2006 Pavlik et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Das Gardner Syndrom (GS) ist eine Variante der familiären adenomatösen Polypose. Es wird autosomal dominant vererbt. Die Mutation ist molekulargenetisch nachweisbar. Hauptkomponente ist die Polyposis im Colon, teilweise im Magen, dazu Weichteiltumoren (vorwiegend Desmoide) und selten Osteome. Die Polypen im Colon tendieren zu maligner Entartung. Desmoide sind wiederholt nach bauchchirurgischen Eingriffen im Meso und in den Bauchdecken beobachtet worden. Ohne Metastasen zu setzen, können sie sich durch infiltratives Wachstum gefährlich auswirken.

Material und Methoden: Wir beobachten seit 27 Jahren eine Sippschaft bestehend aus 77 Personen in 3 Generationen. 5 Personen (2 Männer, 3 Frauen) sind verstorben. 13 Personen gehören der ersten, 30 der zweiten und 34 der dritten Generation an. Das Alter der 72 noch lebenden Personen (28 Frauen, 44 Männer) reicht von 3-77 Jahren. Bei jenen, die für eine Abklärung bereit waren, wurden Endoskopien des Colons und des Magens vorgenommen. Seit 1996 wurden molekulargenetische Tests durchgeführt. Von 55 Personen über 16 Jahren waren 28 zu Endoskopien und 39 zu Bluttests bereit.

Ergebnisse: Bei 21/28 Personen wurden endoskopische Befunde erhoben: 13 wiesen Polypen im Colon und Magen/Dünndarm auf, 5 nur im Colon, 3 nur im Magen. Das Rectum war in unserem Krankengut 9 mal betroffen. Bei 22/39 Personen war die Mutation nachweisbar. Bei ausgedehntem Polypenbefall wurde bei 14 Personen eine subtotale Colectomie mit Ileo-Rectostomie, einmal eine totale Colectomie und zweimal eine Hemicolectomie links vorgenommen. Die Beobachtungsdauer beträgt 1-26 Jahre. Von Seiten des Darmes sind alle beschwerdefrei. 13 Personen haben zusätzlich einen Desmoidtumor entwickelt, 9 davon waren zuvor colektomiert worden. Die Desmoide befinden sich im Meso (3), im Meso und in der Bauchdecke (6), sowie in der Bauchdecke allein (3). Einmal fand sich eine Desmoid am Oberschenkel und einmal am Rücken, beide ohne Voroperationen. Zwei Personen sind an den Folgen eines sich in der Mesowurzel ausdehnenden Desmoids verstorben. 2 Personen sind an einem Colonkarzinom verstorben, eine Patientin an einem perforierten Adenokarzinom des Magens. Bei einer Patientin konnte ein Adenokarzinom des oberen Dünndarms, das zufällig bei einer Colectomie entdeckt wurde, im Gesunden entfernt werden.

Schlussfolgerung: Durch Entartung der Polypen ist bei 2 Personen, bei denen keine Endoskopien möglich waren, ein Karzinom entstanden. Desmoidtumoren, die zweithäufigste Manifestation, wurden wiederholt im Anschluss an eine Operation beobachtet (durch Narbenbildung mitverursacht ?). Desmoidtumoren sind allerdings auch ohne erkennbaren Zusammenhang mit einem chirurgischen Eingriff festgestellt worden, z.B. am Oberschenkel und am Rücken. Diese Lokalisationen sind für das GS unchrakteristisch. In unserem Krankengut wurden Desmoide sonst im Meso und in den Bauchdecken nachgewiesen. Desmoide im Meso sind lange asymptomatisch und werden nur durch CT- oder MR-Untersuchungen sicher entdeckt. 2 Personen sind an grossen, nicht mehr radikal operablen Desmoiden in der Mesowurzel verstorben. Durch die heute möglichen molekulargenetischen Untersuchungen kann die Mutation festgestellt werden. Für diese Risikopersonen sind regelmässige Endoskopien des oberen Magendarmtraktes und des Colons zu fordern. Bei ausgedehntem Polypenbefall des Colons haben wir mit subtotaler Colectomie und ileorectaler Anastomose bezüglich Karzinomrisiko und Lebensqualität gute Erfahrungen gemacht. Desmoidtumoren sollten möglichst früh radikal entfernt werden.