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Eine neue homozygote MSH2 Keimbahnmutation als Ursache für kolorektale Karzinome bei zwei 11 und 12 Jahre alten Brüdern
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Veröffentlicht: | 2. Mai 2006 |
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Einleitung: Das kolorektale Karzinom im Kindesalter ist ausgesprochen selten. Zu den häufigsten Formen des erblichen Dickdarmkrebses gehört das HNPCC-Syndrom, gefolgt von der FAP. Seltener sind das Peutz-Jeghers-Syndrom (hamartomatöses Polyposis-Syndrom) und die FJP. Kürzlich wurde ein weiteres, autosomal-rezessiv vererbbares Syndrom, die MYH-assoziierte Polyposis (MAP), beschrieben. Weltweit sind 14 Familien bekannt, bei denen sich unterschiedliche Tumoren bereits im frühesten Kindesalter auf der Basis von biallelischen Mutationenin einem der vier MMR-Gene MSH2, MLH1, MSH6 oder PMS2 entwickelt haben. Das Tumorspektrum ist dem der MSH2 -/- Maus mit hämatologischen Malignomen, Hirntumoren und gastrointestinalen Karzinomen sehr ähnlich. Das mediane Alter bei Diagnose liegt unter 2 Jahren.
Material und Methoden: Bei Vorliegen einer Anämie und peranaler Blutung eines 11-jährigen Patienten erbrachte letztlich die Koloskopie die Diagnose. So lag bereits ein Karzinom in der linken Kolonflexur neben mehrere Polypen vor. Daneben wies der Junge mehrere Cafe-au-lait Flecken auf. Die Untersuchung der Familie entdeckte auch bei dem älteren 12-jährige Bruder neben einigen Polypen drei synchrone kolorektale Karzinome. Zwei weitere Brüder (1 Jahr und 6 Jahre) sowie beide Eltern waren ohne pathologischen Befund. Es lag anamnestisch eine Blutsverwandtschaft der Eltern vor. Bei Verdacht auf Vorliegen eines HNPCC-Syndroms und nach Ausschluss einer FAP wurde die molekulare Diagnostik eingeleitet.
Ergebnisse: Die Mikrosatellitenanalyse mit dem internationalen Standardprimerpanel zeigte eine hohe Instabilität (MSI-H Status) im Tumorgewebe der Kinder im Vergleich zum Normalgewebe. Die durchgeführte immunhistochemische Untersuchung ergab einen Expressionsausfall des MSH2 Proteins und konsekutiv des MSH6 Proteins im Tumor- und Normalgewebe, während für MLH1 und PMS2 eine normale Expression nachgewiesen werden konnte.Die molekulargenetische Diagnostik identifizierte eine noch nicht beschriebene homozygote c.2006-5T>A Mutation im Intron 12 des MSH2 Gens. Es konnten zwei unterschiedlich große Transkripte nachgewiesen werden. Dem kürzeren Transkript fehlt Exon 13, was in einer Proteinverkürzung resultiert. Dagegen weist das längere Transkript lediglich die zusätzliche Aminosäure Valin an der Codonposition 669 des MSH2 Proteins auf. Die prädiktive Testung beider Eltern sowie der zwei Geschwister ergab einen heterozygoten Genträgerstatus für die krankheitsverursachende Mutation.
Schlussfolgerung: Der außergewöhnliche Phänotyp der zwei Brüder unterscheidet sich im Tumorspektrum sowie im Alter bei Diagnosestellung auffällig von den in der Literatur beschriebenen Fällen. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass eine Restaktivität des Proteins mit der zusätzlichen Aminosäure Valin besteht. Dies führt zu einem abgeschwächten Phänotyp mit einem für biallelische MSH2-Mutationen relativ hohen Alter und HNPCC-ähnlichem Phänotyp. Dieses Beispiel zeigt, dass auch beim MSH2-Gen die Art der Mutation wesentlichen Einfluss auf den Phänotyp hat. Als klinische Konsequenz kann bei den beiden jüngeren, asymptomatischen Brüdern gemäß den Vorsorgerichtlinien für HNPCC auf eine invasive Diagnostik zum jetzigen Zeitpunkt verzichtet werden.