gms | German Medical Science

121. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

27. bis 30.04.2004, Berlin

Operation bei schwerer akuter Pankreatitis

Vortrag

Suche in Medline nach

  • presenting/speaker Helgard Vogts - Abteilung für Allgemeine, Gefäß-, Thorax- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinik Rostock
  • A. Pertschy - Abteilung für Allgemeine, Gefäß-, Thorax- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinik Rostock
  • E. Klar - Abteilung für Allgemeine, Gefäß-, Thorax- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinik Rostock
  • T. Foitzik - Abteilung für Allgemeine, Gefäß-, Thorax- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinik Rostock

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 121. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Berlin, 27.-30.04.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgch1388

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgch2004/04dgch195.shtml

Veröffentlicht: 7. Oktober 2004

© 2004 Vogts et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung

Die Mortalität von Patienten mit einer schweren akuten Pankreatitis (SAP), bei denen es in der Frühphase der Erkrankung zu einer Infektion der Nekrosen und Ausbildung einer Sepsis kommt, beträgt über 30%. Die Empfehlung, die Nekrosen zum Zeitpunkt des Nachweises der Infektion operativ anzugehen (DGC Leitlinien 2000) wird kontrovers diskutiert. Die Frage, welche Patienten in den ersten Wochen nach Krankheitsbeginn überhaupt von einer Operation profitieren bzw. zu welchem Zeitpunkt die Operation durchgeführt werden kann, ohne SIRS und MODS weiter „anzuheizen", ist also nach wie vor ungeklärt. Die vorliegende Analyse des eigenen Krankengutes untersucht, ob sich im Krankheitsverlauf Parameter identifizieren lassen, die „anzeigen", wann die Operation eher schadet als nutzt.

Material und Methoden

Analysiert wurde der Behandlungsverlauf einer Subgruppe von 15 konsekutiven Patienten, die zwischen 1995 und 2003 an der Chirurgischen Universitätsklinik Rostock behandelt wurden und folgende Kriterien erfüllten:

1) Radiomorphologischer Nachweis einer schweren Pankreatitis (Balthazar-Stadium ≥ D)

2) Klinische Kriterien einer schweren Pankreatitis (APACHE-II-Score ≥ 8)

3) Infektion der Pankreasnekrosen (gesichert mittels FNP)

4) Anstieg systemischer Entzündungszeichen (Temperatur, Leukozyten, CRP) und/oder neu aufgetretene Organinsuffizienzen (Atlanta-Kriterien)

5) OP bei/wegen Erfüllen der o.g. Kriterien innerhalb der ersten vier Wochen Alle Daten wurden prospektiv erhoben. Zielparameter waren SIRS- und Sepsiskriterien, APACHE-II-Score, CRP und die Zahl von Organversagen (dokumentiert anhand durchgeführter Organersatzverfahren).

Ergebnisse

[Median, Range] Alle 15 Patienten erfüllten SIRS- und Sepsiskriterien und hatten ein oder mehrere Organversagen im Behandlungsverlauf. 8 Patienten verstarben (53,3%). Im Behandlungsverlauf zeigten sich folgende Auffälligkeiten:

1) Bei Aufnahme und während der ersten drei Behandlungstage hatten Patienten, die verstarben, signifikant höhere APACHE-II-Scores als diejenigen, die überlebten (Tag 2: 27,5 [6-33] vs. 20 [5-28]). Die Zahl der Organversagen betrug 4 (3-4) vs. 3 (3-4).

2) In den Tagen vor der Operation unterschieden sich die APACHE-II-Scores und die Zahl der Organversagen nicht signifikant von den Ausgangswerten (Tag präop.2: 24 [17-26] bei Verstorbenen vs. 17,5 [5-28] bei Überlebenden).

3) Zum Zeitpunkt der Operation war in beiden Gruppen ein signifikanter Anstieg der Scores festzustellen (26 [9-40] bei Verstorbenen vs. 25 [12-28] bei Überlebenden).

4) Postoperativ fielen die Scores nicht auf das Ausgangsniveau präoperativ zurück (28 [6-30] bei Verstorbenen vs. 26 [12-29] bei Überlebenden).Signifikante Veränderungen in der Zahl der Organversagen, SIRS- und Sepsiskriterien oder CRP-Werte waren nicht zu verzeichnen.

5) Kein Patient, bei dem der APACHE-II-Score über 40 Punkte anstieg oder an mehr als zwei Tagen über 30 lag, überlebte. Diese Grenze wurde bei 4 Patienten erstmals nach der OP überschritten.

Schlussfolgerung

1) Der APACHE-II-Score-Verlauf und das Auftreten zusätzlicher Organdysfunktionen zeigt, daß die Operation bei Patienten mit ANP einen zusätzlichen „Hit" darstellt, eine Durchbrechung des SIRS bzw. der Sepsis oder des MODS wird (zunächst) nicht erreicht.

2) Erfolgt die OP zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die APACHE-Scores und Organfunktionen verschlechtern bzw. in einem kritischen Bereich (> 25 APACHE-Score-Punkte), wird dieser „Hit" zum „Coup de sabre".

3) Dies widerspricht der früheren Auffassung, daß die OP bei ANP dann erfolgen soll, wenn sich der „Zustand" des Patienten verschlechtert. Vielmehr spricht die vorliegende Analyse dafür, das Risiko der OP nur dann einzugehen, wenn der Patient (auf niedrigem Niveau) stabil ist. Dies muß bei Patienten, die Kandidaten für eine OP sind, unter Einsatz aller intensivmedizinischen Maßnahmen vor der OP erreicht werden.

4) Dieses Konzept wird derzeit an der Chirurgischen Universitätsklinik Rostock im Rahmen einer prospektiven Beobachtungsstudie verfolgt.