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26. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

06.03. - 08.03.2024, Aalen

Sozial-emotionale Entwicklung hörgeschädigter Kinder – welche Rolle spielen Früherkennung und Frühversorgung?

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Karolin Schäfer - Universität zu Köln, Department Heilpädagogik und Rehabilitation, Audiopädagogik, Köln, Deutschland
  • Manfred Hintermair - PH Heidelberg, Heidelberg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 26. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Aalen, 06.-08.03.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc128

doi: 10.3205/24dga128, urn:nbn:de:0183-24dga1288

Veröffentlicht: 5. März 2024

© 2024 Schäfer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mit der flächendeckenden Einführung des Neugeborenenhörscreenings in Deutschland im Jahr 2009 wurde die Möglichkeit geschaffen, angeborene Hörverluste zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt zu identifizieren und die Kinder früh mit Hörhilfen zu versorgen. Auf diese Weise sollen audiogene Sprachentwicklungsstörungen und weitere Entwicklungsrisiken vermieden oder zumindest abgemildert werden. Die vorliegende Studie hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Bedeutung die frühe Diagnose für die sozial-emotionale Entwicklung der Kinder hat.

Methoden: In einer Online-Befragung machten n=194 Mütter von hörgeschädigten Kindern im Alter von 4–14 Jahren, die das Neugeborenenhörscreening durchlaufen haben, Angaben zum Zeitpunkt der Diagnose der Hörschädigung, zum Versorgungszeitpunkt, zur Kommunikationsmodalität und zu anderen soziodemografischen Faktoren wie Mehrsprachigkeit, Vorliegen von Zusatzbeeinträchtigungen und Förderungs- bzw. Beschulungsort. Zusätzlich füllten die Mütter den Fragebogen zu Stärken und Schwächen (SDQ) sowie den Indikator für Kommunikative Kompetenz (KKI) aus. Die Ergebnisse wurden mit Normdaten von hörenden Kindern sowie mit älteren Daten hörgeschädigter Kinder vor Einführung des Neugeborenenhörscreenings verglichen.

Ergebnisse: Auch nach einer frühzeitigen Diagnose und Versorgung entwickeln hörgeschädigte Kinder im Vergleich zu hörenden Kindern desselben Alters häufiger sozial-emotionale Probleme, wobei das Ausmaß nicht mehr so groß ist wie in früheren Studien Besonders betroffen sind die Bereiche „Probleme mit Gleichaltrigen“ (23,7%) und Hyperaktivität (25,3%). Bei Kindern mit Zusatzbeeinträchtigungen sowie bei älteren Kindern/Jugendlichen berichten die Mütter über mehr Schwierigkeiten in der sozial-emotionalen Entwicklung. Die kommunikative Kompetenz der Kinder ist hingegen ein positiver prädiktiver Faktor, unabhängig von der Sprachmodalität. Andere Faktoren wie beispielsweise der Zeitpunkt der Versorgung spielen für die sozial-emotionale Entwicklung keine entscheidende Rolle.

Schlussfolgerungen: Es ist bekannt, dass die sozial-emotionale Entwicklung hörgeschädigter Kinder multifaktoriell bedingt ist. Entsprechend weisen die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass das Neugeborenenhörscreening zwar einen wichtigen und unverzichtbaren Baustein für die Entwicklung hörgeschädigter Kinder darstellt, damit alleine aber die in der Forschung gut beschriebenen Schwierigkeiten und Herausforderungen der sozial-emotionalen Entwicklung nicht bewältigt werden können. Dies begründet auch die Notwendigkeit der hörgeschädigtenspezifischen und familienorientierten Frühförderung, welche neben den bekannten Themen Hören und Kommunikation weitere Entwicklungsbereiche adressiert.