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Zusätzliche Beeinträchtigungen von Kindern mit Hörhilfen in Deutschland
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Veröffentlicht: | 1. März 2023 |
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Zum aktuellen Zeitpunkt liegen für Deutschland keine umfassenden, retrospektiven Daten zu Komorbiditäten (weitere dokumentierte Diagnosen) von Kindern mit peripherer Hörstörung vor. Weiterführende Informationen würden dabei helfen, diese heterogene Personengruppe besser beschreiben zu können und mehr über individuelle Förderbedarfe zu erfahren. Daher wurde das Projekt DiViDe ins Leben gerufen, mit dessen Hilfe Forschungsfragen zur Diagnosehäufigkeit, Versorgung und zu Zusatzbeeinträchtigungen hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher in Deutschland beantwortet werden sollen. Die Datengrundlage dieses Projekts bilden pseudonymisierte GKV-Routinedaten, die z.B. Diagnosen gemäß der internationalen statistischen Klassifikation von Krankheiten (ICD-10) [1] enthalten. Die Daten wurden von der BARMER im wissenschaftlichen Datawarehouse (WDWH) bereitgestellt und enthalten rund 9.000.000 Versicherte (Stand 2020). Im Rahmen einer Längsschnittanalyse wurden die durchgängig versicherten Kinder der Geburtskohorte aus dem Jahr 2010 bis zur Vollendung ihres zehnten Lebensjahres betrachtet (n = 38.705). Insgesamt erhielten 474 Kinder dieser Geburtskohorte in den ersten zehn Lebensjahren mindestens eine Hörhilfe (Hilfsmittelpositionsnummer 13XXXX). Bei diesen 474 mit Hörhilfen versorgten Kindern wurden vorab festgelegte, zusätzliche ICD-Diagnosen, die nicht das Ohr betreffen, in ihrer Häufigkeit betrachtet. Am häufigsten wurden bei den mit Hörhilfen versorgten Kindern umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache mit 74,1% dokumentiert. Ebenfalls häufig waren umschriebene Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen mit 41,1%. Bei über einem Drittel (37,1%) der Kinder mit Hörhilfen war eine Sehstörung dokumentiert. Der größte Unterschied zwischen den Anteilen bei den Geschlechtern trat bei den Hyperkinetischen Störungen (Jungen: 22,7%; Mädchen: 13,7%) auf. Fasst man die einzelnen ICD-Diagnosen zu übergeordneten Gruppen zusammen, wurden bei insgesamt 81,9% der hier betrachteten Kinder Entwicklungsstörungen (F80, F82, F83, F84, F88, F89) dokumentiert. Zusammenfassend finden sich vielfältige Diagnosen, welche auf eine große Heterogenität des Personenkreises hindeuten. Dies hat Auswirkungen auf die Versorgung und Therapie von Kindern mit Hörstörungen, weshalb ein Bedarf an spezifischen Konzepten offensichtlich wird. Einschränkend muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es sich auf Grundlage dieser Analyse um eine mögliche Überschätzung der tatsächlichen Anzahl von Kindern mit Komorbiditäten handeln könnte, da die Einschlusskriterien der Komorbiditäten hier sehr weit gefasst sind (Einmalnennung einer gesicherten Diagnose im ambulanten Bereich oder stationäre Hauptdiagnose). In weiteren Studien wäre daher eine Absicherung der Zusatzdiagnosen (z.B. durch interne Validierung [2]) sowie ein Vergleich mit Kindern ohne Hörstörung interessant. Das Projekt wurde durch die KIND Hörstiftung und die Internationale Hörstiftung gefördert.
Literatur
- 1.
- Mansky T, Robra BP, Schubert I. Vorhandene Daten besser nutzen. Für die sektorübergreifende Zusammenführung medizinischer Routinedaten sollten die Krankenkassen zur Lieferung bereits vorliegender Daten verpflichtet werden. Deutsches Ärzteblatt. 2012;109(21):A1082-A1085.
- 2.
- Schubert I, Köster I, Küpper-Nybelen J, Ihle P. Versorgungsforschung mit GKV-Routinedaten Nutzungsmöglichkeiten versichertenbezogener Krankenkassendaten für Fragestellungen der Versorgungsforschung. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2008;51:1095-105. DOI: 10.1007/s00103-008-0644-0