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25. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

01.03. - 03.03.2023, Köln

Misophonie: eine weitgehend unbekannte Geräuschüberempfindlichkeitsvariante bei wenig erforschter Therapie

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Gerhard Goebel - Tinnitus- und Hyperakusiszentrum Im Neurozentrum Prien, Prien, DE

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 25. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Köln, 01.-03.03.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc066

doi: 10.3205/23dga066, urn:nbn:de:0183-23dga0663

Veröffentlicht: 1. März 2023

© 2023 Goebel.
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Gliederung

Text

Der Begriff Misophonie (MP) wird als Krankheitsbild bei Ärzten und Akustikern erst seit 20 Jahren beachtet [1]. Ein häufig verwendetes Synonym ist Selective Sound Sensitivity Syndrome, auf Deutsch etwa Selektives Geräuschempfindlichkeits-Syndrom. Obwohl diese Bezeichnung als die wissenschaftlich exaktere der beiden erscheint, setzte sich der Begriff der Misophonie in der Forschung durch. Stimuli, die die beschriebenen Reaktionen hervorrufen, werden als Trigger (-Geräusche) bezeichnet. Die MP ist streng von der Hyperakusis (HK), der Lärmempfindlichkeit (LE) und dem Rekruitment (RK) abzugrenzen. Nosologisch ist der Begriff abgeleitet vom griechischen Misos für Hass und Phono für Laut und soll damit den Hass auf individuelle Geräusche zum Ausdruck bringen. Die MP nimmt durch klassische Konditionierung (= physiologisches Phänomen) im Kinde- oder Jugendsalter ihren Anfang. Trigger sind z.B. Kauen, Schmatzen, Kaugummikauen, Schnüffeln, Schniefen, Tippen auf der Tastatur, Klicken der Maus des PC etc. Um die aufkommende Emotion zu vermeiden, verlassen etwa 80 Prozent die Situation. Bleibt sie unverstanden und damit unbehandelt, kann sie sich drastisch verschlimmern. Anders als bei Phobien oder Zwängen führt der Versuch, die aversiv (negativ) erlebten Geräusche einfach auszuhalten, eher zu einer Verschlechterung des Zustandes. Einer neueren Literaturübersicht [2] zufolge weist die MP als eigenständige Erkrankung mehr psychiatrische und physiologische als audiologische Besonderheiten auf. Die Behandlung der MP steckt noch in den Kinderschuhen. Die kognitive Verhaltenstherapie ist bei MP u.a. darauf ausgerichtet, automatische negative Gedanken zu identifizieren und deren Ursprung herauszufinden [3]. Anhand eines Fallbeispiels wird die Entwicklung, Auswirkung und Behandlungsform erläutert.


Literatur

1.
Jastreboff MM, Jastreboff PJ. Decreased sound tolerance and tinnitus retraining therapy (TRT). Aust N Z J Audiol. 2002;24:74–81. DOI: 10.1375/audi.24.2.74.31105 Externer Link
2.
Brout JJ, Edelstein M, Erfanian M, Mannino M, Miller LJ, Rouw R, Kumar S, Rosenthal MZ. Investigating misophonia: A review of the empirical literature, clinical implications, and a research agenda. Front Neurosci. 2018 Feb 7;12:36. DOI: 10.3389/fnins.2018.00036 Externer Link
3.
Goebel G, Stattrop U. Hyperakusis – wenn hören zur Qual wird: Misophonie: unklare Prognose bei wenig erforschter Therapie – Teil 4. Tinnitus-Forum 1-2021. 2021:20–5.