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25. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e. V.

01.03. - 03.03.2023, Köln

Die Cochlea – warum ist sie so besonders?

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Geoffrey A. Manley - Carl von Ossietzky Universität, Fakultät VI für Medizin und Gesundheitswissenschaften, Department für Neurowissenschaften, Oldenburg, DE

Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V.. 25. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Köln, 01.-03.03.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc001

doi: 10.3205/23dga001, urn:nbn:de:0183-23dga0011

Veröffentlicht: 1. März 2023

© 2023 Manley.
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Gliederung

Text

Neben dem Mittelohr mit drei Gehörknöchelchen ist die einmalige Struktur des Innenohres (Cochlea) das Ergebnis der frühen Evolution der plazentalen Säugetiere. Wie viele evolutive Entwicklungen war die Form der Cochlea und ihre innere Struktur unvorhersehbar. In der frühen Evolution der Säugetiere gab es im Ductus cochlearis neben dem Hörorgan eine Gruppe vestibulärer Haarzellen, die sog. Lagena. Im Laufe der Evolution der Säuger begann zunächst eine Krümmung des Innenohres, was der zunehmenden Verlängerung Platz schaffte und in der spiralen Form gipfelte. Dadurch veränderte sich jedoch auch die Lage der Sinneszellen der Lagena relativ zur Schwerkraft; dies führte zu Redundanz zwischen Sinnesflächen im Vestibular-system und zum Verlust der Lagena. Als Konsequenz war der hohe Kalzium-Gehalt in der extrazellulären Flüssigkeit der Cochlea nicht mehr nötig, mit dem Ergebnis, dass die Kalzium-Konzentration auf sehr niedrige Werte fiel und die Biochemie der Sinneszellfunktionen stark verändert wurde. Dies betraf u.a. die Mechanismen der Frequenzabstimmung und der Sinnesverstärkung, die bei modernen plazentalen Säugertieren anders ablaufen als bei Nicht-Säugern wie Reptilien und Vögel. Evolutiv sehr früh fand bei plazentalen Säugetieren auch eine Invasion des Sinnesorgans durch Knochen statt, mit dem Ergebnis einer Versteifung der Basilarmembran und einer besseren Impedanzanpassung an das knöcherne Mittelohr. Vor allem bei kleineren Tieren ermöglichte dies, sowie Änderungen der Funktion von Sinneszellen, die Wahrnehmung sehr viel höherer Frequenzen. Die endgültige Form der Cochlea – ihre Länge und Anzahl der Windungen – ist sehr variabel, selbst innerhalb einer Säugerfamilie (z.B. bei Nagern zwischen 1,5 und 4,5 Windungen). Die Echoortung der Fledermäuse und Zahnwale ist das Ergebnis gleichartiger – aber unabhängig entstandener – Mutationen in dem Verstärkungsmolekül Prestin, die die Wahrnehmung besonders hoher Frequenzen ermöglichten.