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Berücksichtigung von Multimorbidität und Polypharmazie in klinischen Leitlinien zur kardiovaskulären Primärprävention – Ergebnisse eines systematischen Leitlinienreviews
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Veröffentlicht: | 23. September 2024 |
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Hintergrund: Kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD) sind die häufigste Todesursache in Deutschland. Die CVD-Prävention in der hausärztlichen Praxis betrifft insbesondere Patient:innen mit multiplen Vorerkrankungen. Multimorbidität und ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko fallen oft zusammen, wobei die Pharmakotherapie kardiovaskulärer Risikofaktoren maßgeblich zur medikamentösen Belastung beiträgt.
Fragestellung: Inwieweit enthalten klinische Leitlinien zur kardiovaskulären Primärprävention bei Erwachsenen evidenzbasierte Empfehlungen für Patient:innen mit Multimorbidität und Polypharmazie?
Methoden: Für ein Update der S3-DEGAM-Leitlinie zur hausärztlichen CVD-Prävention haben wir einen systematischen Leitlinienreview durchgeführt. Pubmed, TRIP, leitlinienspezifischen Datenbanken und Webseiten medizinischer Fachgesellschaften wurden nach Leitlinien zur kardiovaskulären Primärprävention bei Erwachsenen durchsucht. Zwei Reviewerinnen haben unabhängig voneinander die Treffer gescreent und die Qualität der eingeschlossenen Leitlinien mit der MiChe-Checkliste bewertet. Mit der qualitativen Analysesoftware Atlas.Ti wurden die Leitlinien nach relevanten Empfehlungen durchsucht, thematisch kodiert und zitierte Evidenz extrahiert.
Ergebnisse: Nur zwei der insgesamt 26 identifizierten Leitlinien gaben Empfehlungen zu Multimorbidität. Sie unterstrichen die Notwendigkeit, Multimorbidität bei pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Interventionen sowie der Bewertung des CVD-Risikos zu berücksichtigen. Zum Thema Polypharmazie empfahlen acht Leitlinien, diese bei der Behandlung und Risikokalkulation zu berücksichtigen. Die Empfehlungen betrafen insbesondere die Lipid- und Blutdruckkontrolle sowie Pharmakotherapien bei psychischen Komorbiditäten. Sechs Leitlinien sprachen sich gegen bestimmte Medikamentenkombinationen aus (z.B. Statine in Kombination mit Gemfibrozil) und vier Leitlinien empfahlen bestimmte Kombinationen (z.B. Statine und Fibrate zur Behandlung einer gemischten Dyslipidämie). Sowohl bei den Empfehlungen zu Multimorbidität als auch zu Polypharmazie variierten Empfehlungsstärke und Evidenzlevel erheblich.
Diskussion: Für Patient:innen mit Multimorbidität und Polypharmazie geben nur wenige der von uns identifizierten Leitlinien gesonderte Empfehlungen. Die starke Varianz des Inhalts, der Empfehlungsstärke und des Evidenzlevels zeigen die Notwendigkeit weiteren Forschungsbedarfs, um in Leitlinien evidenzbasierte Empfehlungen für diese Personengruppen entwickeln zu können.
Take Home Message für die Praxis: Multimorbidität und Polypharmazie sollten bei der Behandlung und Beratung zur kardiovaskulären Primärprävention berücksichtigt werden und in zukünftigen Leitlinien mehr Beachtung finden.