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Vorstellungen ‚guten Sterbens‘ von Ärzt:innen, Pflegekräften und Senior:innen
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Veröffentlicht: | 23. September 2024 |
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Hintergrund: Empirisch nachgezeichnete Idealvorstellungen von ‚gutem Sterben‘ schwanken zwischen einem plötzlichen, leidfreien Sterben einerseits und einem bewussten, gemäß eigenen Wünschen vorbereiteten Sterben andererseits. Bei Ärzt:innen und Pflegekräften zeigen sich bezüglich Kommunikationsverhalten und Vorstellungen ‚guten Sterbens‘ große Unterschiede zwischen einzelnen Fachgebieten. Studien fokussieren meist auf spezifische Krankheitsbilder sowie einzelne Personengruppen und sind deshalb nur schwer vergleichbar.
Fragestellung: Welche Vorstellungen eines ‚guten Sterbens‘ von Ärzt:innen, Pflegekräften und Senior:innen lassen sich in deren Abwägungen exemplarischer Entscheidungen am Lebensende identifizieren? Welche Unterschiede bestehen zwischen den drei Gruppen?
Methoden: Insgesamt 16 Fokusgruppendiskussionen (n=79) wurden mit Ärzt:innen verschiedener Fachrichtungen (n=24), Pflegekräften (ambulant & stationär; n=28) und Senior:innen (≥ 75 Jahre; n=27) geführt. Eine von je zwei Fallvignetten bezog sich auf lebenserhaltende Maßnahmen, wodurch vergleichbare Diskussionen angestoßen wurden. Die Datenauswertung erfolgte mittels Qualitativer Inhaltsanalyse.
Ergebnisse: Erzählungen, in denen die Senior:innen Sterbeprozesse als „gut“ oder „schlecht“ beschrieben, waren zugleich auch Erzählungen von guter bzw. mangelnder Kooperation oder Kommunikation mit Fachpersonal. Mangelnde Kommunikation und Kooperation thematisierten die Pflegekräfte in Erzählungen von Entscheidungen am Lebensende, die gegen den Patientenwillen getroffen wurden. Die Ärzt:innen forderten im Rahmen eines starken Konsensideals die Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen, Vorausplanung und Vorausverfügung seitens der Patient:innen.
Auffällig war, dass die Abwägungen bei allen drei Personengruppen immer auch aus der Angehörigenperspektive erfolgten. Die Senior:innen bemaßen die Qualität des Sterbens teilweise sogar überwiegend anhand der Empfindungen und Bedürfnisse Angehöriger.
Diskussion: Obwohl die Ergebnisse aufgrund des qualitativen Forschungsdesigns nicht repräsentativ sind, zeigt die Einnahme der Angehörigenperspektive aller drei Personengruppen, dass medizinische Entscheidungsfragen am Lebensende kaum ohne Rückgriff auf persönliche Erfahrungen und Einstellungen zu beantworten sind. Dies verdeutlicht, wie wichtig die in Forschung und Praxis oft hintenangestellten individuellen Wertvorstellungen sind.
Take Home Message für die Praxis: „Gut sterben“ gelingt nur mit guter Absprache, sowohl mit Patient:innen und Angehörigen als auch mit Kolleg:innen und anderen Versorgenden.