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Verordnungen von systemischen Antibiotika im ambulanten Sektor durch Hausärzt:innen und hausärztlich-tätige Internist:innen im Kontext der „AWaRe“-Klassifikation der WHO: Einfluss von Patient:innenalter und Bundesland – erreichen wir die EU-Ziele für 2030?
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Veröffentlicht: | 23. September 2024 |
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Hintergrund: Die WHO hat 2017 die AWaRe (Access, Watch, Reserve) Klassifikation für Antibiotika eingeführt. Mindestens 60% des nationalen Antibiotikaverbrauchs sollen aus der Access-Kategorie und möglichst wenig aus der Reserve-Kategorie verordnet werden; die EU möchte dieses Ziel für 2030 auf 65% anheben und zudem das Verordnungsvolumen um mind. 20% senken.
Fragestellung: Wo stehen wir aktuell in Deutschland in Bezug auf diese Ziele?
Methoden: Wir haben die AWaRe-Klassifikation den GKV-Arzneimittelabrechnungsdaten (2019–2023) zugeordnet. Die Anzahl der gesetzlich-versicherten Personen und die Altersverteilung nach Bundesland (BL) wurden mit der KM-6-Statistik (2023) geschätzt.
Wir berechneten Antibiotikaverordnungsraten und Anteil der Access-Verordnungen pro BL. Im multivariaten Modell wurden Einfluss von Patient:innen-Alter und BL auf die Wahrscheinlichkeit ein systemisches Antibiotikum (ATC-J01-Gruppe) der Access-Kategorie zu erhalten mit Stata 17™ analysiert.
Ergebnisse: In Deutschland wird im ambulanten Bereich der größte Anteil von Antibiotikaverordnungen zur systemischen Anwendung (J01-Gruppe) von Allgemeinmediziner:innen und hausärztlich-tätigen Internist:innen (A&hI) ausgestellt (2019: 59,9%; 2023: 56,8%).
Die Verordnungsraten von A&hI sind in den östlichen BL niedriger als in den westlichen BL (177/1.000 gesetzlich-versicherte Personen in Brandenburg im Jahr 2023, 180/1.000 in Berlin bis 314/1.000 im Saarland). Der Anteil der gewünschten Access-Verordnungen war in westlichen Bundesländern tendenziell höher. Die EU-Ziele wurden bisher bei ambulanten Patient:innen bei A&hI in keinem BL erreicht (Mittelwert 51,1%).
Im multivariaten Modell zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit eine Access-Verordnung zu erhalten bei älteren Patient:innen höher und in den östlichen BL tendenziell geringer war. Im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen war in Bremen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin die Wahrscheinlichkeit ein Medikament aus der Access-Gruppe zu erhalten höher (Odds Ratio (OR) 1,03–1,30; 95%-Konfidenzintervall (95%CI) 1,02–1,32; p<0,001). Im Vergleich zu 15–29-jährigen Patient:innen erhielten höhere Altersgruppen häufiger ein Access-Antibiotikum (OR 1,24–1,63, 95%CI 1,24–1,64, p<0,001).
Diskussion: Regionale Unterschiede zeigen Potentiale für quantitative und qualitative Verbesserungen. Maßnahmen müssen regional angepasst erfolgen.
Take Home Message für die Praxis: Die EU-Ziele können nicht ohne eine kontinuierliche Entwicklung und Verbesserung des rationalen Antibiotika-Einsatzes von Allgemeinmediziner:innen erreicht werden.